Gesellschaft | Arbeitssicherheit

Die ewige Baustelle

Der jüngste Arbeitsunfall sorgte für das Wiederaufkochen des Themas Arbeitsinspektormangel. Ausschreibungen gehen immer wieder leer aus. Doch Lösungen gebe es eigentlich.
Schutzhelm
Foto: Thirdman/Pexels
  • Seit vielen Jahren würden Gewerkschaften nach mehr Inspektoren sowie mehr Kontrollen schreien – aber seit vielen Jahren hat sich auch nichts verändert, erzählt ein langjähriger Branchenvertrauter gegenüber SALTO. Es gebe jedoch eigentlich eine einfache Möglichkeit, um dem Problem mehr entgegentreten zu können: Verbände, Gewerkschaften oder paritätische Kommissionen könnten Techniker anstellen, die die Arbeit der Inspektoren in beratender Funktion übernehmen. Der Einheitstext zur Arbeitssicherheit sehe im Artikel 51 klar vor, dass paritätische Kommissionen Visiten bei Arbeitsstellen durchführen dürften und könnten, ihre Hinweise würden dann auch befolgt werden. Jedoch mache dies niemand. Daher sei es eine mögliche Lösung, nicht (nur) das Arbeitsinspektorat aufzustocken, sondern parallel dazu innerhalb der demgemäßen Verbände aufzustocken, da die Befugnis zu ebenjenen Visiten tendenziell vorhanden sei. Das Protokoll dieser Visiten sei ausreichend dafür, dass die besichtigte Arbeitsstelle die Hinweise – ohne Strafe wie bei es bei einer Kontrolle des Arbeitsinspektorats der Fall wäre- befolgen würde. Dies auszubauen sei sinnvoll und wohl auch das politische Ziel. Beratende Organe, die dem Arbeitsinspektorat zur Hilfe kommen, in anderen Provinzen sei das schon länger Normalität. Berater könnten Initiativkontrollen durchführen und somit für große Entlastung sorgen, während sich Arbeitsinspektoren auf Anzeigen sowie Unfälle fokussieren könnten.

    „Beratende Organe, die dem Arbeitsinspektorat zur Hilfe kommen, in anderen Provinzen sei das schon länger Normalität."

  • Landesrätin für Arbeit Magdalena Amhof: Nach dem tragischen Arbeitsunfall in Bozen verspricht sie Verstärkung im Arbeitsinspektorat Foto: Seehauserfoto
  • Nach der Tragödie bei Aluminium Bozen in der Bozner Industriezone rund um den verstorbenen Senegalesen Diallo Bocar, kommt ein ewig währendes Thema wieder auf: (der Mangel an) Arbeitsinspektoren in Südtirol, so erklärte auch Arbeitslandesrätin Magdalena Amhof am Dienstag, dass die Weichen gestellt wurden, um das Berufsbild zu schärfen und neue Arbeitsinspektoren an Land zu ziehen. "Inspektionen am Arbeitsplatz können Sicherheitsmängel aufdecken und so sehr wirksam zur Unfallverhütung beitragen, sowohl in technischer Hinsicht als auch durch administrative Kontrollen, wie die Überprüfung von Arbeitsverträgen", so Amhof.

  • Nicht attraktiv?

    Das Berufsbild des Arbeitsinspektors, so wie es sich derzeit präsentiert, ziehe kaum mehr jemanden an: Um als Arbeitsinspektor arbeiten zu können, benötigt man ein dreijähriges Hochschul- oder vergleichbares Studium in entsprechenden Bereichen, das Gehalt sei dafür im Verhältnis aber klar zu tief. Für jemanden, der frisch aus der Universität kommt, biete sich dabei eine freiberufliche Arbeit in anderen Bereichen viel mehr an – schon aufgrund des (deutlich) höheren Gehalts. Zu dem fügt sich hinzu, dass der Studiengang der claudiana: „Techniken der Vorbeugung im Bereich Umwelt und Arbeitsplatz“ den Studierenden nicht ermögliche, als Arbeitsinspektor zu arbeiten, da dies kein technischer Studiengang ist, sondern ein Sanitätsstudium. Diese Kräfte würden dann nach Abschluss entweder in Trient (da die Ausbildung auf nationaler Ebene anerkennt werde) nach einer Arbeit suchen oder in die Privatwirtschaft. Dies sei so, seit es dieses Studium gibt und noch nie geändert worden. Möchte man die Stellen füllen, so biete sich als Chance an, bei der nächsten Wettbewerbsausschreibung Personen mit diesem Studienabschluss zuzulassen, wenn die Möglichkeit bestehe. Die Politik predige weiters „beraten statt strafen“. Um dies aber zu erreichen, sei es unabdinglich, dass Geld in Beratung investiert werde. Beim Arbeitsinspektorat werde aber wohl an allen Ecken und Enden gespart.

    Eine Art der Doppelbesetzung – da liege ein weiteres Problem. In der Provinz Bozen (und auf nationaler Ebene nur dort) existiere neben dem Technischen Arbeitsinspektorat auch das Arbeitsmedizinische Inspektorat, während im restlichen Land alles in einem zusammengefasst werde. Das Technische Inspektorat setze dem Fokus auf Baustellen, „maschineller Sicherheit“ und ähnlichem, das Arbeitsmedizinische hingegen mehr auf Angelegenheiten wie Staub- und Lärmbelastung, Vibrationsausmaß und deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Im Grunde genommen könne dies aber zusammengelelegt werden und somit auch ein "Konkurrenzkampf" verhindert werden, in dem man sich Aufträge gegenseitig wegschnappe.

  • Der verstorbene Arbeiter Diallo Bocar: Südtirol ist in Sachen Arbeitsunfällen eine der risikoreichsten Provinzen auf nationaler Ebene Foto: ANSA
  • Das Rad dreht sich gleich weiter?

    Jedes Mal, wenn sich ein schwererer Arbeitsunfall ereignet – wie etwa jetzt die Explosion bei Aluminium Bozen – kämen neue Gesetze, Erhöhungen der Strafen, die Forderung von mehr Kontrollen. Dies wiederum führe zu einer eigenen Form des Denunziantentums: etwa Angestellte, die Chefs kleiner Betriebe – die nie einen Sicherheitskurs gemacht haben - anzeigen würden, obwohl in Wahrheit jedoch gar keine Gefahr bestehe. Dies hätte sich in den letzten Jahren angehäuft – man wolle sich gegenseitig eins auswischen, was zur Mehrarbeit für die Inspektoren führe.

    Und jedes Mal, wenn ein Arbeitsunfall in derartiger Größenordnung geschieht, würden die Proteste laut, gebe es Versprechungen wie Forderungen und der Aufruf zum härteren Durchgreifen, nur damit nach einer Woche alles wieder vergessen sei – und alles gleich weiterlaufe wie gehabt. Trotz, dass Südtirol zu den Schlusslicht-Provinzen im Bereich Arbeitssicherheit gehöre.

Bild
Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Do., 27.06.2024 - 07:54

Das Gefahren-Bewustsein war bei den Handwerkern vor 100 Jahren deutlich höher. Trotz mangelhafter + oft fehlender Gerüste + Schutzeinrichtungen, sind deutlich weniger Unfälle passiert.
In der Landwirtschaft sind trotz allem technischen + elektronischen Schnick Schnack, die neuesten Wundertraktoren "noch immer nicht mit voll funktionierenden Bremsen auf allen 4 Rädern ausgestattet," die das kostbare Gefährt bei Risiken anhalten könnten. Die häufig auf der Hinterachse montierten Bremsen, sollen auch die Allrad-getriebenen Vorderräder mitbremsen. Durch das Gegendrehmoment des Kardanstranges, werden die gegenüber montierten Räder ent / belastet.

Do., 27.06.2024 - 07:54 Permalink