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Die Kalifen der weißen Berge

Zuerst wurde der Zusammenschluss Helm-Rotwand vom Gericht gestoppt. Seit April wird gebaut. Und am 29. November wird gefeiert. Alles ist dann fertig. Auch der Bahnhof.

Der italienische Staatspräsident ist aus Sexten abgereist. Nicht etwa wegen dem Lärm, den der Hubschauber der Heli Swiss untertags verursachte. Die Piloten des äußerst tragfähigen Schleppers der Lüfte waren nämlich während dieser Zeit ohne Unterlass damit beschäftigt, die stählernen Seilträger für die neuen Aufzugsanlagen 'Stiergarten' und '3-Zinnen' Stück für Stück von Sexten zu den prädestinierten Plattformen hochzuschleppen und dann darauf zu positionieren. Fluglärm war daher unvermeidbar, doch schien das laute Hämmern der Rotoren den Staatspräsidenten nicht zu stören, sonst wäre er bei seiner Abreise wohl nicht voll des Lobes für Land und Leute, für die erholsame Unterbringung und die vortreffliche Bewirtung gewesen, die ihm und seiner Frau die Sextner bzw. Erwin Lanzinger, der Hotel-Besitzer, und dessen Haus angedeihen ließen. Gleichsam als Siegel dieser verbalen Belobigung versprach Giorgio Napolitano, das nächste Jahr wiederzukehren. Ob als amtierender Präsident oder als ex und dafür Senator auf Lebenszeit, das hängt ganz von der inneritalienischen politischen Entwicklung ab. Napolitano hat schon wiederholt erklärt, es sei absolut nicht seine Absicht, die volle Amtszeit von sieben Jahren im Präsidentenstuhl auszusitzen. Falls Renzi die wogenden Wasser zu glätten imstande sein sollte, dann wäre der Zeitpunkt für Giorgio Napolitano wahrscheinlich gekommen, vom Thron zu steigen. Thron deshalb, weil man ihm ob seiner ganz eigenen Interpretation des Präsidentenamtes nachsagt, er sei so eine Art König von Italien. 

König von Italien ist Franz Senfter nicht. Doch ein König ist er. Wer kennt ihn nicht - den Speckkönig? Vielleicht hat er sich daran satt gegessen, denn nun strebt er nach Höherem. Die Berge sollen künftig sein Reich sein. Nein, er will Reinhold Messner nicht den Rang ablaufen. Solch himmelragende Höhen in so dünner Luft sind dem Franz nicht sein Ding. Davor türmt er und stürmt dafür die Dolomiten - als unduldsamer Herrscher, als König der 'Sextner Dolomiten AG'. Die Gesellschaft nennt im Netz unzählige Rodelbahnen und Skipisten ihr Eigen. Da kommen Zweifel auf, inwieweit man in diesem Ambiente des Zählens überhaupt noch mächtig ist. Denn unzählige Pisten werden es auch dann nicht sein, wann der "Stier los ist" un die "3-Zinnen" die Signaue küssen, womit der umstrittene Zusammenschluss Helm - Rotwand endgültig ist. Die Realisierung der kolportierten Anlagen von Padola über den Col d'la Tenda nach Valgrande und von dort aus über den Colesei zum Kreuzberg-Pass und über eine Abfahrt wiederum zurück zu den Terme Dolomiti/Valgrande dürfte hingegen noch einige Zeit auf sich warten lassen. 

Derweil schreiten in Vierschach die Arbeiten am Zugbahnhof munter voran. Es verhält sich dort bestimmt nicht anders als es einst in Percha der Fall war. Beiderorts verteidigten die verantwortlichen Politiker der Autonomen Provinz Bozen (Thomas Widmann vorher, Florian Mussner danach)  die Bahnhöfe damit, dass sie allein im Interesse der dortigen Siedlungen geschaffen wurden. Natürlich Quatsch hüben wie drüben. In beiden Fällen ging und geht es einzig und allein darum, die Skiregionen Kronplatz und Helm mittels Schienenverkehr zu vernetzen und dadurch aufzuwerten. Im Grunde nichts Verwerfliches. Zu klären bleibt jedoch die Frage, ob Steuergelder hierfür so locker in den Boden bzw. aufs Geleis gesetzt werden dürfen, denn ein öffentliches Interesse im eigentlichen Sinne lässt sich hierfür kaum ausmachen, abgesehen davon, dass es nicht zulässig sein dürfte, gezielten Skitourismus zum subventionierten Alltagsfahrpreis zu befördern, zumal der "Skiexpress" im Betrieb aufwändiger sein dürfte als der ordentliche Zugverkehr es ist. 

Am 18 Juni fand im Josef Resch-Haus zu Innichen die Fusion der "Nuova Alta Val Comelico Srl" mit der "Sextner Dolomiten AG" statt. Damit gerieten die Comelians in die Fänge des Hochpustertaler Ski-Kraken und wurden von diesem assimiliert, nachdem sich deren Substanz schon im Zuge der vorausgegangenen Jahre verflüssigt hatte. Zwei Tage nach dem 18. Juni, es war am späteren Nachmittag, saß Mark Winkler, der Geschäftsführer der Sextner Dolomiten AG,  vor dem Pur in Bruneck und biss genüsslich in einen Apfel, den er sich zuvor im Geschäft geholt hatte. Er ließ dabei seinen ihm angeborenen neugierigen Blick unentwegt in die Runde schweifen. Zwischendurch huschte der Ansatz eines Lächelns über sein Antlitz. Er lebte, zumindest diese Augenblicke, offensichtlich im Einklang mit sich und der Welt. 

Er war zufrieden, wohl auch deswegen, weil er zu diesem Zeitpunkt vom Geldsegen bereits gewusst haben muss, der den Comelians aus dem Fonds Brancher zugesichert worden war: 10 Millionen. Ein schöner Patzen Geld. Doch wird dieses Geld vorerst vermutlich nicht jenseits, sondern diesseits des Kreuzbergpasses zum Einsatz kommen. Und das stinkt den Padolanern schon gewaltig herauf. Denn sie befürchten, falls aus demselben Fonds nicht ein weiterer Schub gleichen oder höheren Ausmaßes folgt, dann könnten sie mit all ihren Projekten bei ungünstiger Geschäftsentwicklung möglicherweise auf der Strecke bleiben. Dem widersprach Mark Winkler auf der jüngst abgehaltenen Prerssekonferenz, auf der er meinte, in etwa drei Jahren sei die Verbindung zwischen Padola/Kreuzbergpass/Rotwand hergestellt. Kenner dieses Gebietes, wie beispielsweise der Baunternehmer Bachmann (Vierschach), bezeichnen das Gelände als äußerst schwierig und problematisch und teilen deshalb den Optimismus Winklers nicht uneingechränkt.

Kommt Zeit, kommt Rat. Soviel steht jetzt schon fest: Am 29. November werden die neuen Anlagen in Betrieb gehen. Der Zusammenschluss Helm - Rotwand wird bei einem rauschenden Fest gefeiert werden. Zwei Wochern später, am 14. Dezember, tritt dann der Winterfahrplan in Kraft und mit ihm wird der "Skiexpress" stündlich bis Vierschach, halbstündlich bis Innichen, auf die Reise geschickt. Eine neue Ära bricht also an. Die Ski-Kalifen Werner Schönhuber (Kronplatz) und Franz Senfter (Sextner Dolomiten) sind davon jedenfalls zutiefst überzeugt. 

Fotos v.l.n.r.:

Foto 1) An der Talstation der Bahn zum Col d'la Tenda in Padola weiden die Pferde. Sonst tut sich nichts; Foto 2) Wo sich die Signaue mit der neuen 3-Zinnenbahn trifft; Bild 3) Die Eidgenossen der Heli Swiss flogen die Seilträger den Berg hoch; Bild 4) Terme Dolomiti, von wo aus eine Bahn zum Colesei führen und damit der Weg zum Kreuzberg-Pass freigemacht werden soll; Bild 5) Auszug aus der Infotafel in Padola; Bild 6) Das Hotel Post in Sexten/St. Veit wurde abgerissen und neu aufgebaut. Es soll, wie alle anderen Beherbergungsbetriebe auch, von der erweiterten Skiarena profitieren. Bild 7) Mark Winkler, der Geschäftsführer der Sextner Dolomiten AG, ist zuversichtlich: die Comelians bekommen ihren Anschluss; Foto 8) Ab 14. Dezember 2014 verkehrt der Skiexpress zwischen dem Kronplatz (Percha) und Helm (Vierschach); Bild 9) Der Bürgermeister von Sexten Fritz Egarter (im Bild das Rathaus) war von jeher ein Befürworter des Zusammenschlusses Helm - Rotwand. Er räumt mittlerweile allerdings auch ein, dass das Projekt ob des heftigen Widerstandes wesentliche Verbesserungen hinsichtlich des Natur- und Umweltschutzes erfahren hat. 

 

 

 

 

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Willy Pöder Mi., 13.08.2014 - 17:20

Über Mail hat mich die Anfrage nach den Kosten der Bahnhöfe erreicht. Weil das auch noch andere Leser interessieren dürfte, sei die Frage auf diesem Wege beantwortet: Die Investition seitens der Provinz in den Bahnhof Percha betrug alles in allem 2,9 Millionen Euro. In Vierschach will man mit 1,4 Millionen auskommen.
Ob und inwieweit die Provinz außerdem das an der Helm-Talstation in Vierschach im Bau befindliche Servicehaus, einschließlich der 150 Meter langen Brücke als Verbindung zum Bahnhof bezuschusst, ist mir im Detail ebenso wenig bekannt wie die Bezuschussung des Zusammenschlusses insgesamt. Laut vox populi sollen es an die 8 Millionen Euro schon sein.

Mi., 13.08.2014 - 17:20 Permalink
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pérvasion Fr., 15.08.2014 - 22:40

"Beiderorts verteidigten die verantwortlichen Politiker der Autonomen Provinz Bozen (Thomas Widmann vorher, Florian Mussner danach) die Bahnhöfe damit, dass sie allein im Interesse der dortigen Siedlungen geschaffen wurden." Das war mir nicht bekannt... gibt es hierfür eine Quelle?

Fr., 15.08.2014 - 22:40 Permalink