Die W-Fragen
Keinen Schritt zurück will die Landesregierung machen. Im Gegenteil, der zuständige Landesrat fordert die Regierung in Rom quasi heraus. Für ihn war “es der einzig mögliche und richtige Weg”, sagt Arnold Schuler am Montag am Rande der Veranstaltung, auf der er über seine fünfjährige Amtszeit Bilanz zieht. Natürlich darf auch dort das Thema “Wolf” – und der inzwischen in die Nebenrolle geschlüpfte Bär – nicht fehlen. Dass Umweltminister Sergio Costa angekündigt hat, das Landesgesetz zu “Vorsorge- und Entnahmemaßnahmen bei Großraubwild” vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten zu wollen, habe ihn überrascht, meint Schuler. “Der Minister hat wohl den Text nicht gelesen!”
Der Landesrat will sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, das Gesetz annullieren, wozu Costa die beiden Autonomen Provinzen Bozen und Trient anhält, erst recht nicht. Für Schuler steht außer Zweifel: Weil der Staat bislang säumig war, hat das Land Südtirol im Rahmen seiner primären Zuständigkeiten im Bereich Land- und Berglandwirtschaft mit dem “Wolfsgesetz” eine EU-Richtlinie – die FFH-Richtlinie aus dem Jahr 1992 – umgesetzt. Anders sieht es Costa, der die Frage nach der Zuständigkeit stellt: Der Wolf falle als Teil der Fauna in den Bereich Umwelt und damit in die Zuständigkeit des Staates. Und Wölfe und Bären dürften nicht abgeschossen werden, stellt der Minister klar.
“Der Zuständigkeitskonflikt ist begründet und kann nur vom Verfassungsgerichtshof gelöst werden”, sagt der Verfassungsrechtler und Ex-Senator Francesco Palermo auf salto.bz. Einer seiner Nachfolger im Palazzo Madama hat den Gesetzestext, der quasi identisch vom Trentiner Landtag genehmigt wurde, ausgearbeitet. Meinhard Durnwalder hat sich dabei an jene Durchführungsbestimmung angelehnt, mit der sich die 6er- und 12er-Kommission vergangenes Jahr bereits befasst hatte, die im Ministerrat aber blockiert worden war.
Abschuss per Dekret, nicht per Gesetz
Wie Palermo hat sich auch Durnwalder erwartet, dass die Regierung ankündigen wird, das “Wolfsgesetz” anzufechten. Wie Palermo gilt auch der SVP-Senator als Fachmann in Sachen Autonomie- und Verfassungsrecht und erklärt auf Nachfrage von salto.bz, wie das Südtiroler “Wolfsgesetz” seiner Auffassung nach zu interpretieren sei: “Der Abschuss ist nur eine Möglichkeit, zumal der Landeshauptmann per Dekret auch zum Fang ermächtigen kann. Und die Entnahme bzw. die Tötung ist ohnehin nicht unmittelbar möglich, da zuvor nachgewiesen sein muss, dass Schutzvorkehrungen wie Herdenschutzmaßnahmen nicht wirksam waren.” Mit dem am Freitag im Landtag verabschiedeten Gesetz würden Wolf und Bär “nicht als jagdbare Tierart” definiert, so Durnwalder weiter. “Jede einzelne Entnahme muss entsprechend begründet werden – und ist eben nur möglich, wenn andere Maßnahmen als nicht wirksam eingestuft werden.” Das Landesgesetz setze “eine EU-Richtlinie in einem Bereich umsetzt, in dem das Land die primäre Gesetzgebungsbefugnis besitzt” – davon ist Durnwalder überzeugt – und habe mit der Jagd nichts zu tun. Aus diesem Grund greife auch nicht das staatliche Jagdgesetz, laut dem die Tötung geschützter Tierarten wie Wolf und Bär mit Haft- und Geldstrafen sanktioniert wird. Jene Personen, die den per Dekret gegebenenfalls ermächtigten Abschuss ausführen, seien daher “strafrechtlich nicht belangbar”, meint Durnwalder.
Allerdings, gibt der Senator zu bedenken, “handelt es sich bei einem Abschuss-Dekret um einen Verwaltungsakt, der vor dem Verwaltungsgericht beanstandet werden könnte. Dieses muss dann eventuell befinden, ob das Dekret mittels Dringlichkeitsantrag ausgesetzt wird”. Soweit die technischen Details.
Letztes Wort in Rom
Unabhängig davon sieht es Durnwalder wie Palermo: Die Kompetenzenfrage wird vom Verfassungsgericht geklärt werden müssen. Jedoch hänge für ihn an der Debatte und dem jüngst verabschiedeten Gesetz eine Frage, “die über den Wolf hinausgeht”, sagt der SVP-Senator: “Es geht um die Zukunft der Almbewirtschaftung, darum, ob Berggebiete weiterhin besiedelt bleiben, um Lebensräume, die wir geschaffen haben”, kurzum, “um einen Grundpfeiler dessen, was unser Land seit Jahrzehnten ausmacht, ein Stück Südtiroler Identität”. Entsprechend begrüße er es, dass auf staatlicher Ebene nun “etwas Bewegung in die Diskussion” gekommen sei.
Den Gang vor den Verfassungsgerichtshof – sollte es soweit kommen – scheint zumindest Arnold Schuler nicht zu scheuen. “Wir werden uns entsprechend zu verteidigen wissen”, versichert der Landesrat. Bis es so weit sein könnte – nach der Veröffentlichung im Amtsblatt bleiben 60 Tage für die Anfechtung Zeit –, will Landesrat Schuler wie Senator Durnwalder auf Gespräche und Verhandlungen in Rom und in der Staat-Regionen-Konferenz setzen, um den nationalen Wolfsmanagementplan, den Umweltminister Costa vorlegen will, feilschen, auch die Option einer Durchführungsbestimmung wieder ins Spiel bringen. “Und selbstverständlich Schutzmaßnahmen ergreifen”, ergänzt Schuler.
Wer wäre das?
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