Intrigantenstadl Innichen?
“Jeder kann sich seine Meinung bilden.” Der Empfehlung zu folgen, die Peter Fuchs etwas entnervt über die Lippen bringt, ist gar nicht einfach. Knapp ein Monat ist vergangen, seit die SVP in Innichen die Koalition mit der Bürgerliste von Bürgermeisterin Rosmarie Burgmann nach drei Jahren beendet hat. Die Bürgermeisterin, ihre Referenten und ihre Listenvertreter seien intransparent, undemokratisch und nicht kooperativ. So die offizielle Begründung der SVP Ende August.
Anfang der Woche wollte der geschrumpfte Gemeindeausschuss nun bei einer Bürgerversammlung “erklären, wie es weitergehen soll, damit fortgeführt werden kann, was bisher gut war”.
Nicht mehr im Ausschuss sitzt die bisherige SVP-Vizebürgermeisterin Simone Wasserer. Der zweite SVP-Referent, Arnold Wisthaler, hingegen will sich der Entscheidung seiner Partei widersetzen und weitermachen. Dafür erntet er am Montag viel Applaus von den anwesenden Bürgern.
Peter Fuchs ist an diesem Abend nicht unter den knapp 300 Anwesenden. Der SVP-Fraktionssprecher im Gemeinderat von Innichen weilt im Ausland. “Aber diese Bürgerversammlung war eher eine Bürgerlisten-Versammlung – perfekt inszeniert und organisiert.” Man merkt: Peter Fuchs ist immer noch im Kampfmodus. Und er ist bei weitem nicht der einzige.
“Fortführen, was bisher gut war” – so leicht wird das nicht. Im Gemeinderat ist die Bürgerliste auf die Unterstützung der SVP angewiesen. Die hält mit 9 von 18 Sitzen die Mehrheit. Und das Klima zwischen den beiden Ex-Koalitionspartnern ist immer noch äußerst vergiftet. Gegenseitige Anschuldigungen, Vorwürfe, Unterstellungen – wer versucht, als Beobachter von außen die Vorgänge in Innichen einzuordnen, tut sich schwer.
Verkehr als Pulverfass
Eine der Schlüsselfiguren in dem verzwickten Konflikt ist Hans Schmieder. Er ist als Referent der Bürgerliste für Verkehr und Umwelt zuständig. Seit Langem attackiert ihn die SVP heftig. Man wirft Schmieder “ständige Alleingänge und Provokationen” und eine “eigenartige Mobilitätspolitik” vor – und, dass er sein Ressort “schlecht verwaltet”.
“Das sind heftige Sachen, ja”, kommentiert Schmieder. “Aber ich möchte festhalten, dass die nicht von der Volkspartei kommen, sondern von einer kleinen Gruppe in der Volkspartei, für die das Thema Mobilität nur in der Bereitstellung von Parkplätzen besteht.” Er hat sich deswegen jüngst mit einem Brief bei Landeshauptmann Kompatscher und Mobilitätslandesrat Mussner beklagt. “Ich habe sie gebeten, einmal Klartext zu reden”, erklärt Schmieder. “Die Landesregierung spricht immer davon, Verkehr zu vermindern und zu verlagern – und ich werde angeklagt, weil ich genau diese Ziele, die sich die Landesregierung gibt, in der Peripherie umsetze.” Schmieder erwartet sich Unterstützung aus Bozen, Rückenwind für seine Projekte und Visionen von einem “zukunftsorientierten Mobilitätsangebot für Innichen: den Bahnhof ins Zentrum verlegen, das Radnetz ausbauen, Verkehrsberuhigung und eine Parkplatzverwaltung, die die Menschen einlädt, außerhalb des Dorfzentrums zu parken”. Antwort auf seinen Brief hat Schmieder bislang keine bekommen. Er staune, sagt er offen, “dass man Ankündigungen und große Versprechen macht, den Leuten, die Vorhaben in diesem Sinne umsetzen, aber keine keine Rückendeckung gibt”. Er will Kompatscher und Mussner noch einmal schreiben.
Was geschieht im Hintergrund?
Erstaunt ist Hans Schmieder noch über etwas anderes. Er hat den Eindruck, dass der Koalitionsbruch von langer Hand geplant worden ist. Und zwar nicht in Innichen. Für ihn steht fest: “Diese Rochade im Ort, dass man uns in den Rücken gefallen ist, kann nicht in Unwissenheit der Gremien auf Bezirks- und Landesebene und ohne deren Rückendeckung passiert sein.” Als Absicht dahinter vermutet Schmieder: “Die Bürgermeisterin grob zu schwächen.”
Die Mittel, auf die die SVP zurückgreife, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen und die Bürgerlisten-Bürgermeisterin Burgmann – sie hat der SVP 2015 den Bürgermeistersessel abgeluchst – zu schwächen, gehen für Schmieder zu weit. Er spricht von “vielen Anschuldigungen, die unter die Gürtellinie gehen”. “Uns werden im Falle der Parkgarage, die beim Krankenhaus entstehen soll, Privatinteressen nachgesagt – eine wirklich grobe Unterstellung.”
Kritik falsch geparkt?
Tatsächlich heißt es in einem Brief, den die SVP in den vergangenen Tagen an alle Innichner Haushalte verschickt hat, in Punkto Krankenhaus-Garage: “(…) durch die sture Haltung der Bürgerlisten-Vertreter, vielleicht auch durch das eine oder andere private Interesse, wird dieses Bauvorhaben schwer realisierbar.”
“Wir vermuten es.” Weiter mag Peter Fuchs die Zeilen nicht kommentieren. Nur so viel will er sagen: “In dem Brief stehen keine Fantasien, alles entspricht hundertprozentig den Tatsachen.”
Die Vorwürfe, die von Hans Schmieder kommen, weist der SVP-Fraktionssprecher aufs Schärfste zurück. Von einer “Parkplatz-Partei” in den Reihen der SVP, einer “kleinen Gruppe”, die im Hintergrund die Fäden zieht, will Peter Fuchs nichts wissen. “Das ist total daneben!”
Der Forderungskatalog, mit dem die SVP Anfang August an die Bürgermeisterin herangetreten ist, sei, so Fuchs, einstimmig von der SVP-Fraktion beschlossen worden – “nur Arnold Wisthaler hat den Raum vor der Abstimmung verlassen”. Auch die Entscheidung, die Koalition platzen zu lassen, sei ohne Gegenstimme gefallen, legt Fuchs die Karten offen: “17 haben dafür gestimmt, drei haben sich enthalten, nur Wisthaler hat an der Abstimmung nicht teilgenommen. Es gibt also ganz klare mehrheitliche Beschlüsse.”
Auch den Verdacht, dass sich die Innichner SVP Rückendeckung von “weit oben”, sprich auf Bezirks- oder gar Landesebene geholt habe, um die Bürgermeisterin zu stürzen, weist Fuchs als Vize-SVP-Bezirksobmann im Pustertal konsequent zurück: Parteiobmann Philipp Achammer habe “nicht einmal gewusst, dass wir aus der Koalition austreten – er war empört, dass wir ihn vorab nicht informiert haben”. Zudem habe die SVP in Innichen stets betont, “dass wir nie vorhatten, eine Gemeindekrise heraufzubeschwören, geschweige denn den Gemeinderat oder die Bürgermeisterin zu stürzen. Aber es kann sich ja jeder seine Meinung bilden…”.
Was ist noch zu retten?
Als Beweis, dass die SVP nicht an Neuwahlen interessiert sei – etwa um den verlorenen Bürgermeistersessel zurückzuerobern –, berichtet Fuchs von der jüngsten Gemeinderatssitzung. Die hat am 5. September stattgefunden – nach dem Koalitionsbruch. “Fast alle Beschlüsse an diesem Abend wurden einstimmig getroffen”, betont Fuchs. “Wir wollen weiterarbeiten und die Themen, bei denen wir anderer Meinung sind, eben über Beschlussanträge voranbringen.” Daher werde die SVP auch die Nachbesetzung der Vize-Bürgermeisterin nicht behindern, verspricht Fuchs.
Bis 22. November ist Zeit, um Simone Wasserers Stelle neu zu besetzen und eine kommissarische Verwaltung der Gemeinde, sprich Neuwahlen, zu verhindern. “Unser Wunsch ist, bis zum Ende dieser Legislaturperiode zu kommen”, sagt Hans Schmieder. Er hofft dabei auch auf Arnold Wisthaler. “Er ist ein altgedienter Gemeindeverwalter mit Hausverstand und lösungsorientiert. Ihm geht es um den Ort, weniger um Parteiinteressen”, meint Schmieder anerkennend. Lobende Worte hat Peter Fuchs nach der Entscheidung Wisthalers, weiterhin als Referent im Amt bleiben zu wollen, nicht. “Er hat wie alle SVP-Gemeinderäte einen ganz klaren Vertrag unterschrieben, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren, sprich die Zusammenarbeit zu beenden. Da dem nicht so ist, wird die Parteispitze darüber diskutieren, was nun passieren soll.” Man wolle sich damit Zeit lassen, sagt Fuchs und “keine Polemiken schaffen”.
Dafür ist es in Innichen allerdings längst schon zu spät.