Culture | Salto Afternoon
„Auch Kultur ist ein Grundrecht“
Foto: EURAC Research
In seinem neuen Amt folgt Francesco Palermo, der Salto Lesern auch durch seinen Podcast bekannt sein dürfte, auf Giovanni Salghetti Drioli. Dieser schied nach drei Amtszeiten notgedrungen für die Neubesetzung des Postens aus. Palermo bekleidet sein Amt in Vertretung der Gemeinde Bozen, die Vertretung der Provinz und die Vize-Präsidentschaft übernimmt Simonetta Nardin.
Salto.bz: Herr Palermo, Sie sind den Salto Leser:innen durch Ihren Podcast und Ihre Artikel mehr als politisch engagierte Person bekannt. Wird sich dieses Engagement im Theater widerspiegeln?
Francesco Palermo: Nur, indem man politisch sehr, sehr weit fasst. Natürlich ist der Präsident einer solchen Einrichtung nicht direkt operativ tätig. Dafür gibt es wunderbare Menschen, die ich mittlerweile kennen lernen durfte und die sich um das Tagtägliche kümmern. Meine Rolle ist im weitesten Sinne politisch, weil ich die Vertretung des Theaters innehabe. In diesem Sinn muss man sich einbringen, um das Theater voranzubringen. Wenn das politisch zu verstehen ist, dann ja. Sicher nicht parteipolitisch, aber Kultur ist, irgendwie, politisch.
Gibt es bestimmte Dinge, die Sie am aktuellen Angebot des Stabile besonders schätzen oder vermissen?
Ich bin noch am Anfang und würde mich nicht trauen, jetzt zu sagen „Wir müssen alles anders machen.“, im Gegenteil: Die Einrichtung ist stark und solide, hat eine schöne Tradition und sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Eine gewisse Kontinuität muss da angestrebt werden. Zwei Dinge sind mir vielleicht besonders wichtig. Einerseits ist das Stabile ein öffentliches Theater und „öffentlich“, das muss für alle zugänglich bedeuten; Da muss man, wie bereits geschehen, nicht nur die Leute ins Theater bringen, sondern auch das Theater zu den Leuten. Das heißt Tätigkeiten mit den Schulen und gratis Tätigkeiten im öffentlichen Raum und aktuell läuft auch eine Tätigkeit im Gefängnis. Das ist besonders wichtig und wir müssen mehr und mehr in diese Richtung machen. Außerdem geht es auch darum, dass Aufträge für diverse Handwerkstätigkeiten an lokale Handwerker gehen und so hat das Theater einen Wert für das gesamte Gebiet.
Ist das Ihr zweiter Punkt?
Das Stabile ist auch ein Produktionstheater. Das heißt, es ist nicht nur Vermittler, sondenr schafft auch Kultur. Es gibt eine Vorprogrammierung für die nächsten zwei Jahre mit Projekten, die schon in der Pipeline sind. Besonders wichtig ist dabei nicht nur eine lokale, sondern auch eine regionale, nationale und, wo möglich, auch internationale Dimension zu erreichen. Es gibt nicht viele „Teatri Stabili“ in Italien, an die zwanzig etwa. Dadurch, dass ein gewisser Anteil des Geldes aus der öffentlichen Hand kommt, gibt es auch gewisse Verpflichtungen gegenüber der gesamten Bevölkerung. Darauf müssen wir achten: viel für das Territorium zu bieten, aber nicht provinziell zu sein.
Sie haben unter anderem das Projekts im Bozner Gefängnis besonders wertvoll genannt. Worin besteht, in diesem speziellen Fall, Ihres Erachtens nach dieser Wert?
Darin, dass man im Theater auch eine Chance findet. Mir wurde berichtet, dass viele auch nach ihrer Entlassung Amateurtheater machen wollen oder ins Theater gehen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, auch für Leute, die sonst weniger Chancen haben. Es sind nicht nur die Wohlhabenden, die sich Karten kaufen können, sondern vielmehr auch andere, die durch das Theater neue Hoffnung im Leben erhalten. Das ist nicht nur ein Thema fürs Theater, aber für das Stabile im Speziellen, weil es eine viel stärkere Tradition hat als andere Einrichtungen vor Ort.
Wenn wir von anderen traditionsreichen Einrichtungen sprechen sind die VBB nicht weit. Man teilt sich das Haus und es wurde in den vergangenen Jahren verstärkt auf Zusammenarbeit gesetzt. Ist man da an einem guten Punkt oder sollte das noch weiter forciert werden?
Beides. Was in den letzten Jahren erreicht wurde, ist, wenn man die Vorgeschichte kennt, bemerkenswert. Ich denke aber, es ist noch viel Luft nach oben und man kann noch bei bestimmten Punkten experimentieren. Das hat mit der lokalen Dimension zu tun. Auch zweisprachige Aufführungen können, so sie gewollt sind, einen Beitrag dazu leisten, dass die Gesellschaften einander näher kommen.
Welches war Ihr letzter Theaterbesuch?
Das war vor ein paar Monaten, in Verona, da habe ich „Othello“ gesehen. Ich sehe meine neue Position als große Chance auch mal öfter ins Theater zu gehen. Ich komme nicht aus dem Theater. Ich bin ein interessierter Mensch, aber sicherlich kein Fachmann. Das muss der Präsident auch nicht sein und das war auch mein Vorgänger nicht. Direktor Zambaldi ist da ein besonderer Kenner und auch italienweit gut vernetzt. Ich werde mich ins Künstlerische nicht zu sehr einmischen und denke, so funktioniert es gut.
Sie bringen Kompetenzen als Jurist mit. Denken Sie, dass das Stabile als lokales Theater auf diese zurückgreifen muss, oder hat man keine Klagen zu befürchten?
Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt, aber wer weiß. Soweit ich weiß, läuft die Maschine ziemlich gut derzeit und es ist meine Hoffnung, dass meine juristischen Kompetenzen nicht in den Vordergrund treten müssen.
Gibt es im übertragenen Sinn Qualitäten die Sie daraus mitbringen können?
Mediation, vielleicht. Das Recht ist letztendlich oft auch Mediation und Vergleich. Andererseits ist, was mich am besten beschreiben würde, die Kultur der Grundrechte. Manchmal werden diese ziemlich vernachlässigt, weil sie für viele Menschen etwas Abstraktes, nur auf dem Papier zu findendes, sind. Es entsteht der Eindruck, dass sie mit dem alltäglichen Leben nicht viel zu tun hätten, was absolut nicht der Fall ist. Auch Kultur ist ein Grundrecht. Das Verständnis und der bewusste Umgang mit den Grundrechten macht etwas aus. In diesem Sinne würde ich vielleicht versuchen, mit meiner Sensibilität für dieses Thema, mit dem ich mich auf internationaler Ebene viel befasse, durch das Theater einen kleinen Beitrag zu leisten. Vielleicht bringt die Kultur das Thema näher zu den Leuten, denn sie ist als Grundrecht sehr wichtig und kann auch ein Weg zur Vermittlung anderer Grundrechte sein.
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Ein Stadttheater ist eben
Ein Stadttheater ist eben genau das was es scheint zu sein: ein von Parteipolitik besetzter Parkplatz für Alt-Mandatare und fach-fremde Posten-Sammler, finanziert vom Steuerzahler. Da kommt Lust auf Kultur auf …
Ins Künstlerische sollte er
Ins Künstlerische sollte er sich gar nicht einmischen, schon gar nicht als Neuling! Dafür ist ein Intendant da!
Es ist interessant, und auch
Es ist interessant, und auch irgendwie als Fortschritt zu werten, dass sich Herr Palermo bewusst ist und dies sogar ausspricht. dass es "eine Vorgeschichte" gibt. Die ist ja bisher geleugnet worden.