Chronicle | Transsylvanien - Siebenbürgen

Begegnungen in Siebenbürgen

Während die Donauschwaben im 18 Jh. im Banat zu siedeln begannen, waren die Siebenbürgener Sachsen bereit im 12. Jahrhundert eingewandert. Der ungarische König hatte sie in das damals ungarische Gebiet geholt, doch eigentliche Sachsen waren keine dabei. Vielmehr kamen die meisten aus dem Rheinland und Luxemburg. Deshalb ist ihre deutsche Mundart heute noch eine rheinische.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Als erste Station in Transsylvanien, wie Siebenbürgen von den Rumänen genannt wird, besuchen wir das frühere Salzburg (rum. Ocna Sibiului), das seinen Namen einer Serien von Seen mit stark salzhaltigem Wasser verdankt. Heute ist es eine Art riesiges Freibad, das man für umgerechnet 3 Euro einen Tag lang besuchen kann. Ein Salzanteil von bis 300g pro Liter erzeugt einen Aufrieb, stärker als im Toten Meer und erlaubt schwereloses Schweben und Erholen. Der heilkräftige schwarze Schlamm rundet das Angebot an Wellness aus der Natur ab. Deutsches findet man hier nicht mehr, ganz im Unterschied zum 170.000 Einwohner zählenden Hermannstadt, der Hauptstadt Siebenbürgens. Von diesen sind noch ca. 2500 Siebenbürgener Sachsen, also deutschsprachig.

Es lässt sich gut leben hier. Zumindest ist das die Meinung von Ed, der als Wandergeselle schon die halbe Welt bereist hat und seit nunmehr 4 Jahren in Hermannstadt wohnt. Er ist eigentlich ein Schiffsmaurer aus Lüneburg, der sein Handwerk im Hamburger Hafen gelernt hat. Hier wohnt er im selbstverwalteten Heim für Wandergesellen und steht auch unmittelbar davor in seiner Kluft, dem traditionellen Gewand der Gesellen, auf dem Platz neben der evangelischen Kirche. Er schnitzt unter freiem Himmel und erzählt von den Erlebnissen auf der Walz und der Organisation der Wandergesellen. Er trägt ein schwarzes Outfit, wie alle Gesellen, die mit Holz arbeiten. Alles was er besitzt, muss in sein Bündel passen. Deshalb hat er nur zwei „Klüfte“, eine für die Arbeit und eine für die Freizeit. In Hermannstadt bleibt er so lange, weil es hier immer wieder deutsche Besucher gibt, mit denen er sich austauschen kann aber auch, wie er augenzwinkernd sagt, weil es hier so schöne Frauen und billiges Bier gibt.

Beim Bummel durch die hervorragend sanierte Altstadt, die als Europäische Kulturhauptstadt 2007 herausgeputzt wurde, zeigt sich die Geschichte nicht nur in den Baustilen von Barock bis Jugendstil, sondern es gibt den deutschen Kulturverein, deutsche Schulen, Zeitungen und eine Buchhandlung mit jeder Art von deutschen Büchern.

Das gilt auch für das zweite große Zentrum in Siebenbürgen, für Kronstadt (rum. Brasov). Dort kann man schon auf dem Stadtfriedhof in die deutsche Vergangenheit eintauchen. Liebevolle Sprüche zieren die Grabsteine von Norbert Petri oder Johann Gött genauso wie jene von Gertrud Friderike Zink oder Erika Gutt. Im deutschen Kulturzentrum arbeiten rumänische Angestellte, die aber hervorragend deutsch sprechen. Sie haben eine Bibliothek und Kursräume. Dort finden neben Vorträgen und Filmvorführungen vor allem Deutschkurse statt, wie uns Raluca Bredau aus dem Sekretariat erläutert.

Warum es hier keine Siebenbürgener Sachsen als Angestellte gibt, wird klar, sobald wir Wolfgang Wittstock, den Vorsitzenden des „Demokratischen Forums der Deutschen“ treffen. Er möchte sich nicht filmen lassen, sondern bittet uns zu einem informellen Gespräch an seinen Schreibtisch. Die deutsche Sprache und Kultur ist auch für die rumänischen Einwohner des Gebiets sehr interessant. Es leben nur mehr 2000 Sachsen in Kronstadt, von denen recht viele schon älter sind, aber aktuell besuchen 1300 Schüler die deutsche Schule in der Stadt. Da sind viele rumänische Schüler dabei, obwohl alle Fächer bis auf das Fach „rumänische Sprache und Kultur“ auf deutsch unterrichtet werden. Voraussetzung sei aber, so Herr Wittstock, dass man deutschsprachige Lehrer für das betreffende Fach findet. Überhaupt genießen die Deutschen in Rumänien einiges Ansehen. Man schreibt ihnen typischerweise Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Gründlichkeit zu, das hat man doch schon mal gehört.

Das Demokratische Forum hat zwei Aufgabenbereiche. Einerseits ist es ein deutscher Kulturverein mit reichhaltigen Aktivitäten, die auch aus Deutschland Unterstützung erhalten, vor allem über die Organisationen der ausgewanderten Rumänendeutschen. Andererseits ist das Forum die politische Vertretung der Deutschen in Rumänien. Als recht kleine ethnische Gruppe von 30900 Personen laut Volkszählung 2012 hat man sich geeinigt, nur eine einzige Sammelpartei zu bilden. Mit Stolz und Genugtuung erzählt Herr Wittstock, dass trotzdem Hermannstadt aktuell vom Forum regiert wird. Bei den letzten Bürgermeisterwahlen erhielt ihr Kandidat über 60% der Stimmen. Das liegt daran, dass man weder rechts noch links steht und als Garant gegen Filz und Korruption wahrgenommen wird.

Auf nationaler Ebene hingegen gibt es 18 Ethnien, die laut Verfassung ein Anrecht auf Vertretung im Parlament unabhängig von der 5%-Klausel haben. Diese bilden die gemischte ethnische Fraktion. Somit ist auch ein Sitz für die deutsche Volksgruppe garantiert. Herr Wittstock selbst war 11 Jahre lang in dieser Funktion als Abgeordneter in Bukarest tätig.

PIC_0008-WolfgangWittstockBeim Abschied machen wir ein Foto mit Herrn Wittstock. Beim Hinausgehen betrachten wir die alten deutschen Dokumente an den Wänden, vor allem Aktien und Firmenpapiere, die von einer wirtschaftlich glänzenden Vergangenheit der Siebenbürgener im 19 Jahrhundert erzählen. Später vor einer Bäckerei treffen wir auf ein älteres Ehepaar, die gerade versuchen, die rumänischen Beschriftungen der Backwaren zu übersetzen. Wir verstehen die Begriffe dank der Ähnlichkeit mit dem Italienischen recht gut. Unsere Hilfe brauchen die beiden allerdings nicht. Sie können Rumänisch, nur seien sie vor 40 Jahren nach Heilbronn ausgewandert und müssen erst die sprachlichen Erinnerungen wieder auffrischen. Vor 40 Jahren, also um 1970 denken wir uns, das waren also die Deutschen, die während der kommunistischen Zeit „abgekauft“ wurden, wie es Herr Wittstock ausgedrückt hatte. Mit Geld der Verwandten, der Auslandsorganisationen der Rumänendeutschen und teilweise auch des deutschen Staates besorgte man die nötigen Papiere, beschleunigte die Verfahren in Bukarest und ermöglichte so Tausenden die Ausreise. Zu Toni, dem Jazzmusiker aus Temeswar und überzeugtem Dableiber, sagen heute allerdings viele bei den Treffen der Ausgewanderten: „Du hast es richtig gemacht Toni, du bist in der Heimat geblieben, bis du die widrigen Umstände überlebt hattest.“

Als wir Siebenbürgen verlassen, sind wir bewegt von den emotionalen Momenten, von Menschen die immer wieder zum Spielball der Geschichte, von Politik und Macht geworden waren.