Economy | Verkehr

„Tirol soll herwärts schauen“

Katastrophe, Notsituation, massive Umsatzeinbußen – so sehen die Wirtschaft, der Tourismus und Frächterverbände die Verkehrseinschränkungen, die infolge der Sanierung der Luegbrücke drohen. Vorschläge gibt es – doch werden sie auf wenig Gegenliebe stoßen.
Ebner Studie
Foto: Handelskammer Bozen
  • Die Handelskammer Bozen sowie die Frächterverbände machen bereits seit Langem auf die ihrer Meinung nach ungerechten und ungerechtfertigten Fahrverbote auf österreichischer Seite – insbesondere das Nachtfahrverbot – aufmerksam. Nun kommt auch in die Politik Bewegung, die bis dato eine ausgleichende Position innehatte und großes Verständnis für die Haltung Tirols zeigte, das nicht bereit ist, auch nur einen Millimeter von seiner Position abrücken. Nun, wenige Wochen vor dem geplanten Sanierungsbeginn an der Luegbrücke, werden die Töne rauer. 

  • Handelskammerpräsident Michl Ebner: „Wir stehen vor einer Notsituation.“ Foto: Handelskammer Bozen

    Wie Handelskammerpräsident Michl Ebner im Rahmen der heutigen (4. November) Pressekonferenz erklärte, habe es viele Treffen mit den Vertretern der ASFINAG in Bezug auf die Luegbrücke gegeben. Gesprächsbereitschaft habe es bei den technischen Belangen wie beispielsweise beim Konzept der Fahrspurwechsel gegeben, beim Thema Aufhebung des Nachtfahrtverbots, wenn auch nur zeitweise – gebe es hingegen kein Vorankommen. Es zeichne sich ein Verkehrskollaps ab, den eigentlich niemand wolle. „Wir stehen vor einer Notsituation“, so Ebner. Daher brauche es entsprechende Entscheidungen, wie eben eine temporäre Aufhebung des Nachtfahrverbots. In die gleiche Kerbe schlug Ebners Amtskollege von der Handelskammer Trient, Andrea De Zordo, der von einer dramatischen und gefährlichen Situation sprach. Und auch die beiden Landesräte für Mobilität und Tourismus, Daniel Alfreider und Luis Walcher, übten Kritik an den unilateralen Verkehrsbeschränkungen der Republik Österreich. Letzterer betonte, dass die Situation nicht mehr tragbar sei – weder für die Touristen noch für die Einheimischen. Bis dato habe die ASFINAG noch nichts Brauchbares vorgelegt und auch das Bundesland Tirol müsse „herwärts schauen“, denn für den 1. Januar 2025 brauche es eine Lösung.

  • ASFINAG-Plan

    Wie berichtet wird die Luegbrücke ab 1. Januar 2025 für voraussichtlich drei Jahre nur mehr einspurig befahrbar sein. Die ASFINAG hat nach einer Testphase einen Verkehrsmanagementplan vorgelegt, demzufolge die Brücke an rund 170 Tagen pro Jahr in Fahrtrichtung Süden und 160 Tagen pro Jahr in Fahrtrichtung Norden zweispurig befahren werden kann. 

  • Worst Case-Szenarien

    Unioncamere, eine In-House-Gesellschaft der italienischen Handelskammern, hat eine Studie ausgearbeitet, welche die Auswirkungen der aktuellen und zukünftigen Einschränkungen auf die Wirtschaft und den Personen- und Warenverkehr genauer untersucht. Dazu wurden verschiedene Szenarien bis hin zum Worst-Case-Szenario mit Totalsperre oder massiven Verkehrseinschränkungen entlang der Brenner-Achse beleuchtet. 

  • Auswirkungen der verschiedenen Szenarien: Bei einer Kapazitätsreduzierung kommt es zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen, was wiederum finanzielle Einbußen nach sich zieht. Bei einer Totalsperre käme es zu einem großräumigen Ausweichen des Schwerverkehrs auf andere Routen. Foto: Uniontrasporti
  • Die Auswirkungen dabei sind gravierend: Im Falle einer Kapazitätsreduzierung von 50 Prozent, welche mit der Reduzierung von einer Fahrspur pro Fahrtrichtung einhergeht (bei großem Verkehrsaufkommen Freigabe beider Fahrspuren, allerdings nur für den Leichtverkehr), drohen Einbußen für die Wirtschaft in Höhe von rund 174 Millionen Euro pro Jahr. Bei einer Totalsperre der Luegbrücke und gleichzeitigem Fahrverbot für Schwerfahrzeuge auf der B182 (Brennerstraße) würden sich diese auf 640 Millionen Euro pro Jahr erhöhen. Weiters würde sich der Schwerverkehr bei diesem Szenario auf Tarvis, den Gotthardpass und den San-Bernardino-Pass sowie den Reschenpass verlagern. Der Leichtverkehr respektive Urlauberverkehr hingegen würde auf die B182 ausweichen und zu einer (im Vergleich) Verfünffachung des Verkehrsaufkommens führen sowie zu einer Verdoppelung über den Reschenpass. Wie es in der abschließenden Bewertung heißt, laufe der für den Außenhandel mit Europa wichtigste europäische Korridor Gefahr, aufgrund der Arbeiten an der Luegbrücke weiteren Einschränkungen ausgesetzt zu sein. „Diese werden zahlreiche Handelspartner dazu verleiten, sich nach anderen Lösungen und Partnern umzusehen und Verträge und Beziehungen zu italienischen Unternehmen zu beenden. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass diese auch nach Beendigung der Arbeiten nicht mehr zurückkehren werden. Ebenso werden viele Gäste andere Urlaubsziele vorziehen, die leichter zu erreichen sind.“ Um die Folgen dieser Maßnahmen einzudämmen, müsse die Transitkapazität auf der Brenner-Achse gewährleistet werden. Zu den Forderungen zählt deshalb, die Verfügbarkeit von zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung für den Leicht- und Schwerverkehr an 365 Tagen im Jahr zu gewährleisten, das Nachtfahrverbot für die gesamte Dauer der Arbeiten aufzuheben sowie die RoLa effizienter zu nutzen und die Verbindungen auszudehnen – zumindest bis nach Trient.

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Hartmuth Staffler Mon, 11/04/2024 - 20:56

Seltsam finde ich, dass sich Salto anscheinend der von der Athesia-Presse und von der Handelskammer (das ist wohl das Gleiche) systematisch betriebenen Panikmache bezüglich Luegbrücke anschließt. Der einzige Zweck dieser Panikmache ist ja nur, das Nachtfahrverbot in Nordtirol auszuhebeln, zum Schaden für Nord- und Südtirol. Dass die Baustellen auf der Südtiroler Seite der Brennerautobahn nicht weniger Stau verursachen als die Luegbrücke,, und dass die eigentliche Ursache des Problems ein unsinniger und umweltschädigender Warentransport auf der Straße ist, wird schamhaft verschwiegen.

Mon, 11/04/2024 - 20:56 Permalink
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Johannes Engl Mon, 11/04/2024 - 21:25

Die Szenarien gehen anscheinend davon aus, dass mit dem Verkehr alles gleich weiterlaufen sollte, wie bisher. Das ist ein fataler Irrtum.
In Zukunft
a) müssen die Transporte teurer werden, da der CO2 Ausstoß in Form von einer CO2-Abgabe entrichtet werden müsste
b) muss der Verkehr auf die Schiene verlagert werden (wo sind die verpflichtenden Verträge für die Verlagerung eines Telies des Schwerverkehrs in den Brennerbasistunnel? Soll das alles nur freiwillig erfolgen?)
c) werden weitere Brücken zu sanieren sein oder schlimmer noch: eines der vielen Viadukte könnte von einen Tag auf den anderen unbenutzbar werden. Das ist das Worst-Szenario, das mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreffen wird, wenn der Verkehr in dieser Intensität weiter über die A22 rollt.

Mon, 11/04/2024 - 21:25 Permalink
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Fritz Gurgiser Mon, 11/04/2024 - 22:04

In reply to by Johannes Engl

Korrekt - aber "Faktenverdrängung" war immer schon Leitmotiv der "Worst-Caser-Funktionäre", während die Betriebe aller Branchen schauen müssen, wie sie im wettbewerbswidrigen Umfeld überleben können - ob in Nord- oder Südtirol. Transitforum Austria-Tirol

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Fritz Gurgiser Mon, 11/04/2024 - 21:37

Dass sich die Handelskammern blind und taub vor die Karren der 40-Tonner mit vornehmlich Kennzeichen aus EU-Oststaaten spannen lassen, ist schon eigenartig genug; dass sie verschweigen, dass rund 1 Million der 2,5 Millionen Transitlaster als Umwegverkehr von den unattraktiven kürzeren Wegen durch die Schweiz den Brenner massiv belasten, ohne mit der Brennerregion etwas zu tun zu haben, passt dazu. Ebenso der Grundirrtum, dass an der Alpenkonventionsstrecke Rosenheim-Verona die internationalen Transitlaster weit mehr "geschützt" werden sollen, als die private und betriebliche Anrainerschaft. Beide Kammern sind sozusagen aus der Zeit gefallen, sind mit ihren rücksichtslosen Forderungen weit weg von ihrem eigentlichen Auftrag: Dafür zu sorgen, dass die regionalen Wirtschaftskreisläufe gestärkt, die Betriebe samt Beschäftigten in einem fairen Wettbewerb bestehen können, anstatt mit Dumping aus dem Markt verdrängt werden. Ganz abgesehen davon, dass a) der Grenztunnel auch das halbe Jahr nur einspurig befahrbar ist und b) die Schäden an den Brücken der A13 und A22 von genau den 2,5 Millionen Transitlastern vorzeitig verursacht wurden. Fazit: Die Misere am Brenner haben sie selbst maßgeblich durch ihr rücksichtsloses Bestreben, wonach der Transit wichtiger gestellt werden muss, als unser geerbter Lebens-, Regionalwirtschafts- und Naturraum, verursacht - 95 % der Schäden an den Autobahnen kommen von schweren 40- bis 50-Tonnern (Ausnahmen). Wenn sie nun meinen, dass diese Dauerbelastungen weiter aufrecht gehalten werden müssen, geht die Spirale der Zerstörung auch der anderen Brücken noch schneller weiter. Die Bundes- bzw. Staatsstraßen sind keine Ausweichstrecken. Transitforum Austria-Tirol

Mon, 11/04/2024 - 21:37 Permalink
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Josef Fulterer Mon, 11/04/2024 - 22:05

Verfügbarkeit von 2 Fahrspuren pro Fahrtrichtung - "bis die Brücke bricht ...?" oder Schwerlastverkehr auf die linke Fahrspuhr - "wer übernimmt die Verantwortung für die sicher viel zu häufigen Unfälle beim Fahrspuhr-Wechsel ...?"
LKW-Nachtfahrverbot aufheben - "was müssen die Bürger entlang der Straßen >noch< aushalten ...?"
ROLA ...? - "LKW spazieren fahren ... "
Wofür haben die Verantwortlichen "ihre generösen Besoldung bezogen ...?"

Mon, 11/04/2024 - 22:05 Permalink