Environment | Biodiversität

Den Heuschrecken auf der Spur

Das Institut für Alpine Umwelt der Eurac hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Biodiversität in Südtirol zu erforschen. Mit Andreas Hilpold auf den Spuren der Heuschrecken
Seiser Alm
Foto: (Foto: salto.bz)
Besonders interessant sind für die Forscher*innen Moore und Böden, da sie einen entscheidenden Beitrag zur Umwelt und dem Klima leisten. Im Zuge des Biodiversitätsmonitoring begab sich Salto.bz auf Spurensuche.
Das Biodiversitätsmonitoring Südtirol wurde vor etwa 5 Jahren ins Leben gerufen und trägt dazu bei, die Artenvielfalt der Region zu erfassen. Der Naturschutz wird dann von den Ämtern übernommen. Es ist ein, von der Südtiroler Landesregierung finanziertes Projekt, welches darauf abzielt, die Klima- und Landnutzungsveränderungen zu überwachen. Überwacht werden Vögel, Fledermäuse, Tagfalter, Heuschrecken, Moose und Flechten, verschiedene Bodenorganismen sowie die Süßwasserfauna. Das Forschungsteam der Eurac Research hat in den letzten Jahren 320 Standorte und 120 Fließgewässer in ganz Südtirol systematisch erfasst.
 
Über 400 Standorte
Biodiversitätsmonitoring Südtirol: Über 400 Standorte (Foto: Eurac) 
 
 
Einer der über 400 Standorte in Südtirol, die überwacht werden ist die Seiser Alm. Auf der Seiser Alm befindet sich nämlich ein uraltes Moor. Julia Seeber, Senior Researcher am Institut für Alpine Umwelt und Expertin für Böden, erhebt Bodenproben um das Moor zu analysieren.
 
 
Bodenprobe
Bodenprobe: 1 Millimeter entspricht einem Jahr (Foto: salto.bz)
 
Im Bild zeigt sich ein beeindruckendes Phänomen: das Moor wächst pro Jahr nur um einen 1 Millimeter. Diese Probe ist somit ein wichtiger Zeuge der Vergangenheit. Seeber erklärt, dass der Boden von oben bis unten fast ausschließlich organische Substanz, unter anaeroben Bedingungen (ohne Luft) aufweist, im Gegensatz zu klassischen Mineralböden.
Seeber erörtert im Folgenden, dass Moore ein essentieller Kohlenstoffspeicher sind und eine sehr wichtige Rolle im Klimaschutz spielen. Wenn Moore gestört werden, etwa durch intensive Landnutzung wie Viehwirtschaft, kommt Sauerstoff hinzu und der Zersetzungsprozess setzt ein, wodurch der gespeicherte Kohlenstoff in Form von CO2 freigesetzt wird. Die Erhaltung der Moore ist daher von entscheidender Bedeutung, da sie als natürlicher Kohlenstoffspeicher dienen.
 
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Seiser Alm: Auf dem Weg zu dem Seiser Moor (Foto: salto.bz)
 
 
Des Weiteren kann man Mooren eine hohe Bedeutung zusprechen, da sie als Lebensraum für spezialisierte Mikroorganismen dienen. Der Abbau würde unter aeroben („normalen“ Bedingungen viel schneller verlaufen. Da die Bedingungen für die Mikroorganismen aber anaerob sind, ist der Abbau der Substanz kaum bzw. langsamer als die Ablagerung. Dadurch wächst der Moorboden äußerst langsam. Als Faustregelt gilt: 1 mm pro Jahr.
Eine weitere wichtige Methode, um die Biodiversität zu überwachen, sind sogenannte Barber-Fallen. Die Barber-Fallen fangen mittels eines Lockduftes Insekten und Kleintiere ein. Mit der sogenannten „Aktivitätsdichte“ kann dann auf die Gesundheit der Tierpopulation geschlossen werden und auch die Gesundheit der ganzen „wazelden“ Bevölkerung. Die Forscher setzen normalerweise auch Bodenproben ein, um die im Boden lebenden Tiere zu untersuchen. Bei Mooren eignet sich diese Art von Proben jedoch nicht, da im anaeroben Boden keine Tiere leben.
Während Julia Seeber die Bodenproben analysiert beschäftigt sich Andreas Hilpold mit der Suche nach Heuschrecken.
 
 
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Die Kleine Knarrschrecke: unscheinbar und erst vor kurzem gesichtet (Foto: Eurac)
 
Diese Art von Heuschrecken wurde erst vor kurzem, in Südtirol gesichtet und hat vermutlich weite Strecken zurückgelegt, um Südtirol zu erreichen. Auch die Kurzflügelige Kleine Knarrschrecke wurde erst in Südtirol gesichtet.
Dr. Andreas Hilpold, Biologe von Eurac Research, erklärt im Folgenden, dass Heuschrecken im Monitoringprogramm besonders interessant sind, da sie laut und zahlreich sind und sich leicht erheben lassen. Zudem besiedeln sie eine Vielzahl von Lebensräumen, darunter Wiesen, Wälder, Weinberge und Obstanlagen. Die Präsenz verschiedener Heuschreckenarten gibt Aufschluss über die Qualität eines Lebensraums. Des Weiteren sind Heuschrecken wichtig für die Nahrungskette von Vögeln, kleinen Nagetieren, Mardern, Füchsen und sogar Wildschweinen.
Hilpold betonte, dass das Monitoring als Frühwarnsystem dient, um die Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Zukunft gewährleisten zu können. Die erhobenen Daten sind von großer Bedeutung für Naturschutz-, Landschafts- und Siedlungspolitik. Beispielsweise kann man auf der Seiser Alm verschiedene Flächen erkennen: bewirtschaftete und nicht bewirtschaftete Flächen. Zu den nicht bewirtschafteten Flächen zählt das Moor. Im Moor befindet sich auch ein sehr wichtiger Teil, das Hochmoor.
Der Name „Hochmoor“ kommt nicht daher, dass es auf dem Berg wächst. Hochmoor nennt sich Hochmoor, da es nach oben wächst und nach unten hin abstirbt. Es wird dann nur noch von Regenwasser versorgt und nicht mehr von Grundwasser. Das Regenwasser ist ziemlich nährstoffarm, somit sind Moore besondere nährstoffarme Gebiete in denen nur spezialisierte Arten überleben können.
 
Ein Problem, dem Moore oft ausgesetzt sind, ist der Konflikt zwischen Nutzung und Erhalt. Hilpold meint, dass in den letzten Jahrhunderten Moore oft entwässert wurden, um Wiesen daraus zu machen. Besonders problematisch ist heute oft die Situation der Moore an der Waldgrenze und es kommt immer wieder vor, dass sie aus Unwissenheit zerstört oder beeinträchtigt werden, so Andreas Hilpold. Zudem werden laut Hilpold viele Wiesen in der Umgebung der Moore regelmäßig mit Gülle gedüngt, was langfristig problematisch sein kann. Hilpold warnte, dass eine übermäßige Belastung durch Gülle, die Moore zerstören könnte. Er betont daher die Notwendigkeit einer Pufferzone zwischen Moor und Wiese. Die Pufferzone kann dabei auch bewirtschaftet werden, sollte nur nicht gedüngt werden. Auch gegen das Mähen gibt es keine Einwände, solang es sanft und nicht zu oft erfolgt. Neben dem Schutz der Natur betonte Hilpold auch die Herausforderungen, die sich aus der touristischen Nutzung ergeben. Generell schlägt Hilpold eine ausgewogene Lösung zwischen Naturschutz, Tourismus und Bewirtschaftung vor.
 
 
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Andreas Hilpold: "Eine übermäßige Belastung durch Gülle kann die Moore zerstören" (Foto: Eurac)
 
Hilpold führt fort, dass sich auch viele Monitoringflächen auf Privatgrundstücken befinden, wie es auch beim Monitoringstandort auf der Seiser Alm der Fall ist. „Nachdem wir eine Fläche vorausgewählt haben, fragen wir die Besitzer an, ob wir sie untersuchen dürfen. Die meisten sind auch sehr interessiert and der Forschung und den Ergebnissen.“
Auf die Frage wie schädlich Gülle für die Umwelt ist, meinte Hilpold, dass sich die Auswirkungen von vielen Faktoren abhängen. Dazu forscht aber aktuell die Laimburg. Generell ist Gülle aber als sehr belastend anzusehen, da sie sehr viel Stickstoff enthält, es komme natürlich aber auch auf die Verdünnung an. Deswegen gilt die Menge stellt das Problem dar.
Die nächsten Stopps beinhalteten eine Wiese in Kastelruth und den Völser Weiher. Alle Monitoringspots wurden aufgrund verschiedener Kriterien ausgesucht, um viele unterschiedliche Landschaften mit einzubeziehen eine nicht unwesentliche Rolle spielt auch die Erreichbarkeit.
Hilpold äußerte seine Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels auf die Tier- und Pflanzenwelt. Er prognostiziert, dass Arten, die wärmere Bedingungen bevorzugen, sich ausbreiten werden. Jene Arten welche kältere Regionen bevorzugen, werden sich in höhere Lagen verschieben. Allerdings warnt Hilpold, dass dies nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich ist, da Lebensraum und Nahrung irgendwann knapp werden, da die Arten nicht weiter nach oben ausweichen können.
 
 
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Zunehmende Monokulturen gefährden die Biodiversität. Bild: Unsplash.
 
 
Im Folgenden wurde Hilpold auch auf die Auswirkungen von Pestiziden und Insektiziden auf die Biodiversität befragt. Hilpold merkt an, dass dies eine schwierige Frage ist und sie sich nicht eindeutig beantworten lässt. Ihm zufolge fehlen eindeutige Studien und untersuchte Standorte. Zudem besteht Unsicherheit darüber, ob der Rückgang der Biodiversität auf die Monokulturen und den damit verbundenen Lebensraumverlust oder auf die Pestizide zurückzuführen ist. Hilpold erwähnt außerdem, dass detaillierte und spezifische Studien notwendig sind.
Was sich aber bestätigen lässt sind die negativen Auswirkungen von Pestiziden auf einzelne Organismen.
Untersuchungen zu einzelnen Arten können durchgeführt werden, die Erforschung der Gesamten Biodiversität sei jedoch eine Herausforderung, die uns noch bevorsteht. Das Etschtal wird durch einen einzigen Lebensraum dominiert, den Obstanlagen, in denen es nur eine sehr eingeschränkte Artenvielfalt gibt.
Die Untersuchung der Biodiversität steht vor einigen Herausforderungen, Hilpold meint jedoch, dass die Forschungen in den kommenden Jahren fortgeführt werden und mehr Aufschluss geben werden.

Interessante Erkenntnis dass die Artenvielfalt durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung von Hochmooren wie hier das Biotop grosses Moos nicht beeinträchtigt wird. Dabei spielt die Ausbringung der Gülle im Moos wegen der Unbefahrbarkeit mit schweren Gülletanks de facto nicht vorkommt. Solche öffentlich finanzierten Forschungen fördern nur die landwirtschaftliche Intensivierung auf diesen als Biotop geschützten Mooren und sind daher kontraproduktiv.

Sat, 08/05/2023 - 22:45 Permalink