Arts | Künstlerinnen

„Kunstgeschichte reloaded“

17 Künstlerinnen, die einen größeren oder kleineren Teil des 19. und 20. Jahrhunderts in Meran verbracht haben, stehen in einer Schau im Palais Mamming im Mittelpunkt.
Women in art - Künstlerinnen in Meran im 19. und 20. Jahrhundert, Palais Mamming
Foto: SALTO
  • Die Ausstellung „Women in art - Künstlerinnen in Meran im 19. und 20. Jahrhundert“, die offiziell zum morgigen Weltfrauentag eröffnet, wurde heute in einer Preview Vertreter:innen der Presse, sowie den Leihgeber:innen ausgestellter Werke vorgestellt. Die Kuratorinnen Eva Gratl und Rosanna Pruccoli haben, in mühevoller Recherchearbeit, die von einer Mitgliederliste des Meraner Künstlerbundes ausging, die eine oder andere Neuentdeckung gemacht. Genau wie bei Elisabeth Hölzl, die Grafik und Ausstellungsgestaltung übernimmt, merkt man dass hier in zwei Räumen viel Herzblut eingeflossen ist.

    Blickt man in das hintere Zimmer - in der Hauptsache und mit Ausnahmen - so blickt man auf Werke und Biographien von Frauen, die Meran enger verbunden waren, wogegen im schmalen, nach oben offenen Korridor Experimentation und der Blick nach außen den Ton vorgeben. Innerhalb dieser größeren Gruppen betrachtet die Ausstellung auch drei aufgefundene jüdische Schicksale differenziert. Gerade aus den Biographien lassen sich nicht bloß die Verdienste, sondern auch die ungleich höheren Barrieren, die es für die Künstlerinnen zu überwinden galt. Dadurch ist die Ausstellung für Eva Gratl, in gewisser Weise „wenn sie mir das Englisch erlauben, Kunstgeschichte reloaded“. Auf die Frage, warum einige der Künstlerinnen öfter vergessen werden, antwortet Gratl mit den Worten der Künstlerin Gabriele Münter: „Ich komme mir leicht ‚weniger‘ vor, war uneitel, betrieb kein Ego-Marketing.“ Nun könnte dieses Zitat der oft im Schatten ihres zeitweiligen Partners Wassily Kandinsky leicht als fehlendes Selbstvertrauen gelesen werden, Gratl kann aber auch mit ihrem Finger in den Raum auf viele Beispiele weiblichen Selbstbewusstseins finden.

  • Erinnerung an Mittelberg: Wie ihren Mann interessieren auch Emilie Mediz Pelikan „Baumindividuen“, die nicht unbedingt besonders schön, aber besonders sprechend sind. Foto: SALTO

    Allein schon im Format (1,2 x 2 Meter) ist etwa die „Erinnerung an Mittelberg“ von Emilie Mediz Pelikan, die zentral gesetzt ist, ein Zeugnis von Vertrauen in die eigenen künstlerischen Fähigkeiten. Die Partnerin Karl Medizs, die trotz erschwerten Zugang zu Kunstakademien über eine ausgesprochen fundiertes Kunstwissen verfügte, fand in der Malerei eine gemeinsame Sprache mit ihrem Mann, die mit Hölzls Achtsamkeit in der farblichen Gestaltung der Wände an Strahlkraft gewinnt. Direkt gegenüber des bunten „Wimmelbildes“ aus unruhigen Farbtupfern, die das Bild in Bewegung bringen, stehen Holz- und Linolschnitte von Liselotte Plangger Popp und bilden einen reizvollen Kontrast.

    Nicht nur im Dialog miteinander, sondern auch für sich beweisen einige der Künstlerinnen bemerkenswerte Interdisziplinarität in ihrem Schaffen, die mehr als passend für den gesetzten Akzent der Öffnung in der Ausstellung ist. So etwa die Werke der Gina Klaber Thusek (auch zu sehen gewesen in: Lichtpausen, lückenhaft bei Kunst Meran), oder von Rina Riva, 1982 Mitbegründerin und zeitlebens Leiterin des Instituts für Kunstgrafik in Meran. In einer Reihe von verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten sucht Riva Möglichkeiten, aus den Restriktionen der technischen Druckverfahren auszubrechen und diese zu erweitern. Ein spannendes Beispiel dafür, dass künstlerische Pionierarbeit - auch wenn sie nicht die gleiche Anerkennung wie jene männlicher Kollegen fand - auch von Frauen betrieben wurde. Gegenüber Rivas Werken finden sich übrigens jene von Dorothy Shakespear, der ersten Frau Ezra Pounds, den sie mit der gegenwärtigen Ausstellung im Palais Mamming überdauert. Bereits bei der großen Pound Ausstellung „Make it new“ von 2022/23 waren die Versalien der Fluxus-Künstlerin, welche die „Cantos“ verzieren ausgestellt.

  • Internationalität und Öffnung: Bei der gegenwärtigen Ausstellung empfiehlt es sich im Hauptraum, der größere Nähe zu Meran aufweist, zu beginnen um sich dann den jüngeren, weniger strikt ortsgebundenen Werken zuzuwenden. Foto: SALTO

    Von Pound und Shakespear, wie auch von Meran selbst aus, ist es nicht weit bis zur Brunnenburg, die im Leben mehrerer Künstlerinnen eine Rolle spielte, so etwa auch in jenem der objektbezogenen Franca Ghitti, die dort auch das sogenannte „Ghitti-Gate“ gestaltete. Zu ihren  bevorzugten Materialien gehören Fundstücke, Nägel, Holz, Eisenreste und Glasscherben, die auch auf ihre Herkunft in der Valcamonica verweisen, der sie zeitlebens verbunden blieb.

    Prägend für unsere Sicht auf mehr als nur eine Burg dürfte auch Johanna von Isser Großrubatscher gewesen sein, die nach ihrem Ableben 1880 einen historisch wichtigen Fundus von rund 340 Schlossansichten hinterließ und die zum Teil auch als Stiche koloriert in größeren Auflagen erschienen sind, etwa mit Unterstützung des Briten Thomas Allom. Auch an dieser durch die Weltkriege gebrochenen, aus heutiger Sicht nur noch schwer vorstellbaren Internationalität ist es den Kuratorinnen ein Anliegen festzuhalten.

    Im Raum vertreten ist auch die jüngste Entdeckung der Ausstellung: Bei den Nachforschungen stellte man fest, dass die ungarische Fotografin Ilka Révai, die es wohl aufgrund eines medizinischen Leidens nach Meran zog und die ihre Dienste als Fotografin auch in der Zeitung anbot, als ihr „Photographisches Atelier für bildmäßige Porträt-Fotographie“ am Meraner Mühlgraben hatte. Vertreten ist sie leider nicht durch Ansichten von Landschaft und Leuten der Passerstadt, sondern durch Abzüge einer Porträtreihe eines Landsmannes, des Schriftstellers und Malers Lajos Kassák, den sie 1917 vor der Linse hatte. In den auch mit Schatten arbeitenden, die Persönlichkeit der abgelichteten Person hervorstreichenden Fotokunst von Révai lässt sich klar ablesen, dass diese Bilder, die ohne Retuschen auskamen und in der Aufbereitung der Fotoplatten minuziös dieses besondere Licht ausarbeiteten, ihrer Zeit voraus waren. Dass sich nun Spuren dieser spannenden Fotografin in Meran finden, darf auch ein bisschen Hoffnung machen, darauf dass wir die Kunstgeschichte hoffentlich noch einige Male „neu“ laden dürfen.

  • Der Eintritt ist mogen, anlässlich des Tags der Frau, von 10.30 Uhr bis 17 Uhr frei. Um 10.30 und 15 Uhr finden kostenlose Führungen mit Kuratorin Eva Gratl statt. Die vom Referat für Chancengleichheit und Palais Mamming organisierte Ausstellung bleibt bis zum 30. September zugänglich, und zwar von Dienstag bis Samstag von 10.30 bis 17 Uhr, sowie von 10.30 Uhr bis 13 Uhr an Sonn- und Feiertagen.