Economy | Perspektiven

Wie der Gärtner, so der Garten

In Südtirol fehlen Gärtner. Warum? Und was hält der Beruf bereit? Sehr viel mehr als Pflanzen gießen, wie auch ein Rückkehrer berichtet.
Gartenhandschuhe
Foto: Unsplash/Jonathan Kemper

Selbst sind sie oft unsichtbar. Ihre Arbeit und ihr Wissen jedoch kost-, ja unverzichtbar. Es mag daher kaum verwundern, dass derzeit in Südtirol händeringend Gärtner gesucht werden. Seit einigen Wochen schießen die Stellenanzeigen wie Pilze aus dem Boden: Private Gärtnereibetriebe suchen genauso nach Personal wie Stadtgärtnereien oder Hotels. Warum aber fehlen Gärtner? Und was erwartet junge Menschen, die sich für diesen Beruf entscheiden?

 

Viel mehr als gießen und jäten

 

Beete umstechen, Unkraut jäten, Blumen gießen, Pflanzen zuschneiden: So kennt man Gartenarbeit meist von zuhause. Viele gärtnern aus Freude an der Natur, zur Entspannung oder zu Therapiezwecken. Des einen Hobby ist des anderen Beruf – und der hat es in sich. Gartenbaubetriebe haben sich längst zu wahren Kreativ- und Versuchszentren entwickelt. Gärtner bewahren alte und züchten neue Pflanzen, sorgen für Saatgut, experimentieren mit neuen Sorten und Techniken, beraten Kunden, gestalten und betreuen Parks, Straßenzüge, private und öffentliche Anlagen – und tragen damit entscheidend zum Erhalt von Biodiversität und zur Landschaftspflege bei. “Gartenbau ist mittlerweile eine hochtechnische Arbeit”, bestätigt Stefan Federer. Als Landessekretär der Fachgewerkschaft für Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie FAI im SGBCISL steuert Federer regelmäßig den Abschnitt zum Gartenbau im Lehrlingskalender des Arbeitsförderungsinstituts AFI bei.

 

Wer Gärtner werden will, hat in Südtirol mehrere Möglichkeiten. Ein Weg führt über das Gartenbaubiennium an der Fachschule für Gartenbau Laimburg, mit zwei weiteren Jahren Lehre in einem Gartenbaubetrieb und Berufsschulbesuch. In diesem Fall kann ein weiteres Jahr drangehängt und die Matura absolviert werden. Eine zweite Möglichkeit ist eine dreijährige Lehre in einem Gartenbaubetrieb, bei der zugleich Kurse an der Laimburg besucht werden. Sowohl die Fachschüler als auch die Lehrlinge können sich nach der Ausbildung für ein Spezialisierungsjahr entscheiden – im Zierpflanzenbau/Endverkauf oder im Garten- und Landschaftsbau – und nach zwei Jahren Berufspraxis als Geselle die Meisterprüfung ablegen.

 

Erfolg und eine Forderung

 

Laut Auskunft des Amtes für Lehrlingswesen und Meisterausbildung an der deutschen Bildungsdirektion besuchen im laufenden Schuljahr 2021/22 56 Schüler das Vollzeitbiennium an der Laimburg, 45 Lehrlinge die Lehre nach dem Biennium und 55 Lehrlinge die reinen Lehrlingsklassen. Elf absolvieren gerade ihr Spezialisierungsjahr. Die Zahlen sind seit Jahren stabil. “Das Berufsbild des Gärtners ist ohne Zweifel attraktiv”, nickt der Obmann der Südtiroler Gärtnereivereinigung Valtl Raffeiner. Und Südtirol züchtet äußerst erfolgreich Nachwuchs heran. Das zeigt sich bei den alle zwei Jahre stattfindenden Berufs-Weltmeisterschaften, den World Skills. Seit 2009 nehmen Südtiroler Landschaftsgärtner daran teil. Nach drei vierten Plätzen 2009, 2011 und 2013 “ergärtnerten” sich die Südtiroler Teams 2015 und 2017 jeweils eine Goldmedaille, 2019 gab es eine Silbermedaille. “Wir sind immer unter den Besten”, sagt der Obmann, der 65 Mitgliedsbetriebe mit 60 Hektar Produktionsfläche in Südtirol vertritt, nicht ohne Stolz.

 

Gründe, weshalb Gärtnereien sich mit der Personalsuche trotz allem schwer tun, findet Raffeiner zwei: “Einerseits bleiben viele Lehrlinge länger in Ausbildung, etwa um die Matura zu machen, andererseits wandern viele nach der Ausbildung in andere Berufe ab.” Während die Abwanderung für Raffeiner eine Entwicklung ist, “die wir bei vielen Lehrberufen schon seit längerem beobachten”, führt Stefan Federer eine andere Erklärung ins Feld: Im Gartenbau verdiene man, wie im Landwirtschaftssektor insgesamt, als Berufseinsteiger vergleichsweise wenig, sagt der Gewerkschafter. Zuletzt konnte eine Gehaltserhöhung um 1,7 Prozent erzielt werden. Seit 1. Jänner 2021 beträgt der Bruttolohn im Gartenbau 1.525,24 Euro im Monat. Lehrlinge erhalten 610,22 Euro monatlich im ersten Lehrjahr, 762,77 Euro im zweiten und 1.067,88 Euro im dritten. “Die Gehaltsverhandlungen gestalten sich stets sehr zäh”, sagt Federer. Er fordert mehr Geld von Beginn des Berufslebens an und dadurch eine Aufwertung des Berufsbildes Gärtner. Ob ein höherer Grundlohn auch unmittelbar zu einer höheren Zahl von Lehrlingen führen würde, sei zwar schwer zu beurteilen, sagt Federer. “Aber wenn man jungen Menschen von Anfang an eine Perspektive gibt, würde sich der Sektor sicher leichter tun.”

 

Zurück zu den Wurzeln

 

Sich selbst eine Perspektive geschaffen hat Peter Rier. Er ist durch Zufall beim Gärtnern gelandet. Nachdem er die Oberschule abgebrochen hat – “es interessierte und inspirierte mich nicht” –, nimmt der Kastelruther einen Sommerjob in einer Gärtnerei in Bozen an. Er findet Gefallen am Handwerk und entscheidet sich für eine Lehre als Landschaftsgärtner. Die beginnt er 2005. 2009 darf er an den World Skills im kanadischen Calgary teilnehmen. Gemeinsam mit Teamkollege Manuel Kostner aus St. Paul landet Rier auf dem vierten Platz. “Es war eine sehr bereichernde Erfahrung und ich denke gerne an die Zeit zurück”, sagt der heute 32-Jährige. Nach seinem Spezialisierungsjahr an der Laimburg macht er die Berufsmatura. Damals noch in Innsbruck. Dann geht er in die Schweiz, studiert Landschaftsarchitektur und arbeitet in verschiedenen Planungsbüros in der Schweiz, den USA und den Niederlanden. Die Entscheidung fürs Ausland erklärt Rier so: “Insgesamt sind die beruflichen Möglichkeiten in Südtirol riesig, doch mir war schon während der Lehrzeit klar, dass das für mich erst der Anfang war und ich mich weiterentwickeln möchte. Das Ausland hat mir Entfaltungsmöglichkeiten geboten, die so in Südtirol nicht möglich gewesen wären.” Dann besinnt sich Rier auf seine Wurzeln. Nach acht Jahren beschließt er, nach Südtirol zurückzukehren. Vor Kurzem hat er mit seinem Bruder ein interdisziplinäres Planungsstudio eröffnet. Die beiden sind in den Bereichen Landschaftsarchitektur und Raumplanung/Städtebau tätig.

 

Ohne Teamarbeit läuft im Gartenbau nichts, sagt Rier: “Um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen, muss man individuell viel leisten, aber auch auf ein gutes Team zählen können. Jedes Projekt, im kleinen und im großen Maßstab, geht durch unterschiedliche Phasen, von der Planung bis zur Ausführung und zur späteren Pflege. Und überhaupt wird Interdisziplinarität und somit ein gemeinsames Schaffen in Zukunft sicherlich noch wichtiger.” Beim Gärtnern gehe längst nicht (mehr) nur um die Gestaltung schöner Außenräume, erklärt auch Rier. “Sondern um technische Planung, die Schaffung ökologischer Kreisläufe, das Einbringen von vielseitigen Pflanzenkenntnissen und auch die Verbindung zu architektonischen, urbanistischen oder sozialen Elementen.” 

Für ihn steht fest: “Der Umgang mit Natur und Freiraum wird eines der zentralen Themen sein, auf einer globalen Suche nach Lösungen, wie wir unseren Planeten vor der Klimakrise retten können.” Insofern sei jeder einzelne Gärtner eine Bereicherung für die Welt, findet Rier am Ende motivierende Worte für junge Menschen, die mit dem Gedanken spielen, einen Weg im Gartenbau einzuschlagen oder bereits darauf unterwegs sind. Zentral in der Nachwuchsfrage bleiben wird, dass neben der ideellen Wertschätzung auch die finanzielle gehegt und gepflegt wird. Gemäß dem hebräischen Sprichwort: Wie der Gärtner, so der Garten.