Society | Gastbeitrag

Jugendgewalt ohne Jugend?

Nach – offenbar wochenlangen – Konsultationen fand Ende voriger Woche erneut ein Sicherheitsgipfel mit Vertretern aller gesellschaftlichen Kräfte statt. Nur die Jugend war nicht eingeladen, beobachtet Monika Weissensteiner.

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Foto: Salto.bz

Landeshauptmann Luis Durnwalder brachte die Sicherheit auf den Punkt: „Südtirol war und ist ein sicheres Land, in dem Frauen und Kinder sich auch nachts frei bewegen können, ohne dabei Angst haben zu müssen. Das soll auch weiterhin so bleiben." Und auf der Präsentation nach dem ersten Treffen der „Koordinierungsrunde zur Sicherheit und Gewaltprävention“ sagte er zudem, „die Vorfälle der vergangenen Wochen sollen eingehend unter Einbeziehung aller analysiert werden. Wir wollen jeglicher Gewalt vorbeugen und die Sicherheit garantieren."

Neben Exponenten der Sicherheit, der Wirtschaft, der Politik und der Sozialarbeit war neulich bei der Präsentation der ersten Ergebnisse in der Handelskammer in Bozen die Jugend durch das italienische und deutschsprachige Jugendamt vertreten. Der Landeshauptmann aber versprach: „…unter Einbeziehung aller“? Wo waren die Jugendlichen selbst, ihre Vertreter in den Jugendgremien, der Jugendtreffs, der Landesbeiräte der Schüler und Schülerinnen, der Studenten- und anderer Jugendorganisationen?

Welche Stimmen zählen? 

Immerhin war doch Gewalt unter Jugendlichen DAS Thema. Zählen ihre Stimmen nicht? „Die Kinder“ (Zitat oben), dazu zählen auch junge Erwachsene, die durchaus selbst in der Lage sind, bei Themen, die sie und die Öffentlichkeit betreffen, mitzureden. Was hätten sie, die sich an den angeklagten Schauplätzen vergnügen und miterleben, über Sicherheit, Kameras und Securities zu sagen?

Sie gehören mit in diese Diskussionsrunde, und zwar nicht einfach als Adressaten einer  „Sensibilisierung über Gewalt“, die nun auf höchster Ebene gestartet wird. Die Jugendlichen wissen, an welchen Orten sie sich (un)sicher fühlen, warum manche Gegenden unsicher sind, in welchem Kontext und in Zuge welcher Konfliktdynamik der eine oder andere Schlag abgeht.

Die Frage: Wie nehmen die Jugendlichen selbst das Phänomen wahr, wie bringen sie es zur Sprache, was brauchen und fordern sie? Und, was haben sie der laufenden Diskussion sonst noch hinzuzufügen?

Jugendliche müssen für sich selbst sprechen können. Wie  die Gesellschaft mit mehrstimmigen Wahrnehmungen und Darstellungen umgeht, ist eine andere Frage. Ein „Sicherheitsgipfel“ war ursprünglich von den Freiheitlichen beantragt worden, am Koordinierungstisch war mit dem Landeshauptmann aber nur die SVP vertreten. Was sagt das über die lokale und politische Konflikt-Kultur aus?

Kultur = Sicherheitsproblem?

Wie ein “Phänomen” zur Sprache kommt, problematisiert wird und unter Kontrolle gebracht werden soll, sagt einiges über den sozialen, politischen, kulturellen Kontext aus. Als primärer Grund für „Gewalt unter Jugendlichen“ wurde kurz Alkohol- bzw. Drogen-Missbrauch genannt, der Zusammenhang zwischen Analysen und Maßnahmen aber nicht sonderlich erläutert. Beim Thema Prävention kam die „Kultur“ als Problemfaktor dazu.

Wenn Aussagen kausal in Zusammenhang gebracht werden, wie etwa „…von der Tradition her…“, “kulturelles Verhalten” und “Gewalt(bereitschaft)”, dann werde ich prinzipiell stutzig. Das umso mehr, wenn das einem Kollektiv – welcher „Gruppe“ auch immer – zugeschrieben wird, wie etwa, dass für Migranten einer anderen Kultur „gewisse Verhalten normal“ seien.

In die Prävention wurden „Ausländer“ durch eine Ausschließung einbezogen, als wären unsere (neuen) Mitbürger nicht ebenfalls über Familie, Schule, Freizeit und Religion erreichbar – aber dann müsste man diese Institutionen plural denken. Und, es wurde über die Sicherheit “unserer Kinder” – um korrekt zu zitieren – gesprochen.

Wer ist dieses „wir“?

Beim Alkoholkonsum wurde nichts von “Kultur” gesagt. “Normal” eben. Und häusliche Gewalt? Die öffentlichen Straßen sind für viele Frauen sicherer als die eigenen-vier-Mauern, in Europa, in Italien und auch in Südtirol. Spricht man hier auch von “kultureller Tradition der Gewaltbereitschaft” (siehe Landtagsdiskussion, 9.7.2013)?

Gewalt – Jugendkultur - Sicherheit

Unter “Analyse von Gewalt” (analysieren = auf einzelne Merkmale untersuchen, zergliedern und dadurch klarlegen; Duden) verstehe ich etwas anderes. Kultur ist bedeutungstragend und spielt im persönlichen Handeln aller eine Rolle, aber kulturelles Handeln verkörpert strukturelle, soziale und wirtschaftliche Faktoren. Gewaltprozesse sind komplex, Konfliktverhalten ist nur der Eisberg einer Dynamik, das Sichtbare: Ja, eine Kamera kann es festhalten. Darunter liegen menschliche Bedürfnisse, Gefühle, Werte, Identitätskonstruktionen; neben direkter/sichtbarer Gewalt: symbolische und strukturelle.

Was bedeutet es, sich in einer unsicheren Zeit seine Identität zu schaffen? 

Darum gilt es, gewaltfreie Konflikt-Kultur und Zivilcourage aller zu fördern – anstatt primär in Technologien zu investieren –, nicht ohne gleichzeitig auf die strukturellen Umstände einzugehen: Garantie für die soziale, politische und wirtschaftliche Sicherheit der Bevölkerung.

Doch: Will „man“ überhaupt Dynamik und Formen von Gewalt analysieren und die Bedürfnisse, Ängste, Ärger, Hoffnungen und Träume “der Jugend” verstehen?

Es ging in der Handelskammer um Kontrolle, um Gelder, um politische Kompetenzen. Eine vertane Möglichkeit für die Gesellschaft, die Jugend(-Kultur) in Südtirol aufzuwerten, sie ernst zu nehmen und sie zu sichern.

Gäbe es andere Möglichkeiten? Den Sprachen und differenzierten Stimmen der Jugendlichen Raum und Resonanz geben.

 

Monika Weissensteiner (geb. 1983) ist Kultur- und Sozial-Anthropologin und ehemalige Koordinatorin von Operation Daywork.

 

 

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Alessandro Huber Thu, 07/18/2013 - 13:38

A quanto mi risulta non è stata coinvolta nessuna consulta, nè quella degli studenti nè quella giovani. La campagna xenofoba del Dolomiten e questo vertice mi fanno pensare ad una questione tutt'altro che giovanile..

Thu, 07/18/2013 - 13:38 Permalink
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Monika Weissen… Fri, 07/19/2013 - 09:09

In reply to by Alessandro Huber

grazie alessando per la conferma. avevo chiamato in presidenza l 11 luglio mattina, e mi é stato detto, appunto, che per questo primo incontro della "tavola di coordinamento" non sono stati invitati rappresentanti degli enti/organizzazioni giovanili - ma che una loro partecipazione sarebbe ben possibile nei prossimi incontri: organizzazioni/consulte potrebbero esprimere il loro interesse di partecipare, mandando una mail al presidente durnwalder. Ecco - aparte della modalitá di un necessario autoinvito , che indica che il parere dei giovani non era contemplato a priori ! - a mio parere personale, qualora "i giovani" avessero interesse di partecipare attivamente alla discussione su questo tema, converebbe prima coordinarsi tra di loro e poi presentare la richiesta. E, innanzi tutto si bisognerebbe capire, se gli incontri futuri servono solo per formulare e mettere in atto programmi per decisioni gia prese, o se ci sia un serio interesse di allargare la discussione per includere altri punti di vista o "misure", a partire anche dal contributo dei giovani. altrimenti, come dici tu, se la questione forse é "tutt altro che giovanile", una presenza giovanile senza potere di partecipare veramente nel formulare i termini della questione, finisce ad essere facilmente strumentabile.

Fri, 07/19/2013 - 09:09 Permalink