“Theiner darf sich nicht wundern”
“Freitag, der Dreizehnte für Südtirols Gewässer.” Der Titel der Aussendung bringt die Dramatik, die der Landesfischereiverband der Neuregelung für die Errichtung von kleinen Wasserkraftwerken beimisst, auf den Punkt. Seit Freitag, 13. Juli, gilt für unzählige Bergbauernhöfe ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für die Ausstellung von Konzessionen für die Wasserableitung, wobei der Strom, der über den Eigenbedarf produziert wird, in das Netz eingespeist werden darf.
Eingeführt wurde die Ausweitung der Ausnahmefälle, in denen auch in sensiblen Gewässern vergeben werden können mit Art. 25 des Sammelgesetzes, das seit Freitag in Kraft ist. Die Kritik an der Neuregelung weist der zuständige Landesrat scharf zurück. Auf die Vorwürfe des Fischereiverbandes Eisacktal kontert Richard Theiner: “Offensichtlich wurde die Änderung nicht vollständig gelesen.”
Doch die Kritik kommt nicht nur von den Fischern. Auch der Dachverband für Natur- und Umweltschutz hat im Vorfeld Lobbyarbeit für den Gewässerschutz betrieben, Kritik an der Neuregelung geübt – durchaus erfolglos, wie Geschäftsführer Andreas Riedl feststellen muss.
salto.bz: Herr Riedl, haben Sie Art. 25 des Sammelgesetzes auch nicht richtig gelesen?
Andreas Riedl: Theiner behauptet nun, niemand habe genau verstanden, was in dem Gesetz drinsteht. Seine Botschaft: Die Leute, die es jetzt kritisieren, lügen, sie verstehen nichts, wissen nicht, was sie sagen. Den Durchblick hat anscheinend nur der Landesrat selbst. Lustig aber finde ich, dass es relativ viele sind, die die neue Regelung nicht verstanden haben sollen – verteidigt hat sie hingegen bislang nur Theiner selbst. Weder vom Landwirtschaftslandesrat noch vom Bauernbund habe ich etwas gehört. Das finde ich doch etwas komisch. Für mich passt in dieser Story ziemlich vieles nicht zusammen.
Kommt Ihre Kritik nicht etwas spät?
Wir haben die Geschichte erst wenige Tage bevor das Sammelgesetz vom Landtagsplenum am 15. Juni behandelt wurde, mitbekommen – Artikel 25 war gut im Omnibusgesetz verpackt. Ich habe ihn mir angeschaut und am 13. Juni allen 35 Landtagsabgeordneten ein Schreiben geschickt. Groß die Trommel rühren, wollten wir bewusst nicht – um im Landtag eine bessere Lösung zu erwirken. Es hätte noch die Möglichkeit bestanden, den Artikel abzuändern bzw. zu streichen. Interessanterweise hat Veronika Stirner in der Landtagsdebatte auf das Schreiben des Dachverbandes hingewiesen. Auch die Grünen haben Bedenken vorgebracht. Woraufhin Theiner angekündigt hat, dass der Passus noch abgeändert werde. Da habe ich mir gedacht “gut gelaufen”.
Dem war nicht so?
Ich muss etwas vorausschicken: Nichts spricht dagegen, ein kleines Wasserkraftwerk für den Eigenbedarf und wenn eine objektive Notwendigkeit besteht, zu errichten. Das hat auch der Präsident des Fischereivereins Eisacktal, Markus Heiss, betont.
Aber?
Diese Möglichkeit besteht heute bereits! Im Wassernutzungsplan von 2016 ist geregelt, dass Schutzhütten, Almen, Bergbauernhöfe und Wohnstrukturen, die nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind, kleine E-Werke errichten dürfen. Das macht durchaus Sinn – anstatt Dieselaggregate für die Stromerzeugung zu nutzen.
Die Ausnahmen pauschal auch auf den Großteil der Grünlandbetriebe auszudehnen, ist gerade im Wahljahr sehr durchsichtig. Dabei die negativen Auswirkungen auf den Gewässerschutz nicht zu berücksichtigen ist fahrlässig.
(Andreas Riedl im Schreiben vom 13. Juni)
Nun wird diese Ausnahmeregelung aufgeweicht?
Problematisch ist die Neuregelung meines Erachtens aus zwei Gründen. Erstens wird die derzeitige Regelung im Wassernutzungsplan auf Bergbauernhöfe und Almwirtschaften ausgeweitet, die schon an das Stromnetz angeschlossen sind. Und zweitens kann die so produzierte Energie in das Netz eingespeist werden. Das ist der Aufhänger, an dem sich die Kritik entzündet.
Wird der Bauer tatsächlich zum Energieproduzenten gemacht? Landesrat Theiner bestreitet das heftigst und betont, dass die Stromproduktion nur zur Deckung des Eigenbedarfs stattfinden darf.
Wir haben ihn darauf hingewiesen, dass in seinem eigenen Gesetz steht, der Strom darf eingespeist werden. Ja, aber die Betriebe dürfen nur so viel produzieren, wie sie in den zwei Jahren zuvor im Durchschnitt verbraucht haben, hat es dann vom Landesrat geheißen. In diesem Sinne ist er etwas zurückgerudert. Zu sagen, du darfst nicht mehr produzieren als du in den vergangenen zwei Jahren verbraucht hast, ist zwar gut gemeint. Aber an der reellen Umsetzung hapert es.
Inwiefern?
Nehmen wir an, ein Hof hat einen Jahresverbrauch von 10.000 Kilowattstunden. Um diese 10.000 Kilowattstunden zu erzeugen, darf er jetzt ein E-Werk errichten. Nun frage ich mich aber: Wie wird das E-Werk dimensioniert, um exakt 10.000 Kilowattstunden zu produzieren? Das ist nicht möglich!
Warum nicht?
Es handelt sich hier ja um Ausleitungswerke, ohne Speicher. Nun fällt der Niederschlag aber nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt. Entsprechend diskontinuierlich ist der Abfluss in den kleinen Bergbächen. Ich aber muss mein E-Werk so auslegen, dass ich ungefähr auf 10.000 Kilowattstunden im Jahr komme. Allerdings weiß ich nicht, wie viel Wasser im Jahr meinen Bach hinunter rinnt, wie viel ich ableiten kann und wie groß ich es demzufolge dimensioniere. Und noch etwas kommt dazu: Aktuell geht auf nationaler Ebene das Gespenst der Grünzertifikate wieder um. Vielleicht kommt es zu einem Revival.
Wenn der Bauer die erlaubte Jahresmenge schon vorzeitig produziert hat – muss er dann im Oktober schon das Werk ausschalten? Das wird nie passieren!
Mit Grünzertifikaten unterstützte die staatliche Strombehörde bis 2010 großzügig die Produktion aus erneuerbaren Energiequellen – was die Rentabilität von Wasserkraftwerken stark steigerte. Was würde ein Comeback dieser Förderung mit sich bringen?
Als Bauer, der 10.000 Kilowattstunden Strom im Jahr braucht, zahle ich dafür, sagen wir, 10 Cent pro Kilowattstunde. Jetzt darf ich 10.000 Kilowattstunden produzieren und den Überschuss, der meinen Eigenbedarf übersteigt, in das Stromnetz einspeisen. Für den eingespeisten Strom würde ich dank Grünzertifikate auf 20 Cent pro Kilowattstunde kommen.
Ein potentiell lukratives Geschäft?
Also wenn das kein Energieproduzent ist!? Theiner streitet ja vehement ab, dass nun Bauern zu Energieproduzenten gemacht werden. Dem wäre aber so, vor allem wenn es tatsächlich zu einem Revival der Grünzertifikate oder einem anderen Förderungssystem kommen sollte. Abgesehen davon ist es mit dieser gesetzlichen Regelung jedem Bergbauernhof freigestellt, potentiell um die Errichtung eines E-Werkes anzusuchen.
“Ein Freibrief für Schummelei und Geschäftemacherei.”
(Landesfischereiverband zu Art. 25 des Omnibusgesetzes)
Was im Umkehrschluss nicht automatisch bedeutet, dass tausende Kleinkraftwerke nun wie Pilze aus dem Boden schießen werden.
Nein, aber grundsätzlich besteht die Möglichkeit dazu. Dass alle ansuchen werden, glaube ich auch nicht, ebenso steht in den Sternen, ob ein Projekt genehmigt wird. Aber wenn das einzige Kriterium die 40 Erschwernispunkte sind – und so ist es nach meiner Lesart –, ist die rechtliche Grundlage geschaffen, dass all jene, die es erfüllen, ansuchen.
Der Landesrat selbst rechnet nur mit einigen wenigen Ansuchen.
Wenn es wirklich nur eine Handvoll Ansuchen sein werden, wie der Landesrat sagt, frage ich mich: Warum hat man dann überhaupt das Gesetz geändert? Denn ich wiederhole: Der Wassernutzungsplan, Teil 3 erlaubt laut Artikel 16, Absatz 2, Buchstabe a bereits heute, in bestimmten Fällen von den Verboten, hydroelektrische Anlagen in sensiblen Gewässern zu errichten, abzuweichen. Und Ausnahmen gibt es in Extremfällen nach Einzelfallprüfung auch in der Berglandwirtschaft. Das ist heute schon gesetzlich möglich! Im Übrigen ist das Landesgesetz, das abgeändert wurde, von 2015 – gerade einmal drei Jahre alt – und warum muss man es 2018 schon wieder abändern?
Haben Sie eine Antwort gefunden?
Für das, wofür diese Neuregelung laut Landesrat notwendig ist – Einzelfälle –, reicht die bestehende Regelung meines Erachtens aus: Einzelfälle kann ich auf Grundlage des Wassernutzungsplans locker abhandeln – und dann gibt es immer noch die Einzelfallprüfung für die Bergbauernhöfe. Tut mir Leid, ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen. Denn egal ob jetzt 10, 100 oder 1.000 Ansuchen kommen – die Optik ist immer schief.
Glauben Sie, dass Landwirtschaftslandesrat und Bauernbund das wissen und sich deshalb bedeckt halten?
Ich persönlich glaube, dass sie die schiefe Optik – gerade jetzt vor den Landtagswahlen – schon verstanden haben. Aber der Umweltlandesrat darf sich eigentlich nicht wundern, wenn man solche Manöver skeptisch oder kritisch bewertet.
Wieso nicht?
Gewässerschutz und die Kritik, wie er gehandhabt wird, sind nichts, was erst jetzt zutage tritt. In den vergangenen 10, 15 Jahren hat man gesehen, dass Wassernutzung und Gewässerschutz in Südtirol mit völlig unterschiedlicher Priorisierung gehandhabt werden. Jedes Jahr mache ich anlässlich des Weltwassertags am 22. März eine Aussendung für den Dachverband. Es ist immer mehr oder weniger immer dieselbe, um darauf hinzuweisen, dass wir immer noch keinen Gewässerschutzplan haben. Wir warten inzwischen seit 15 Jahren darauf. Im Gewässerschutzgesetz von 2002 ist die Ausarbeitung des Plans bis zum 31. Dezember 2003 vorgesehen. Aber es gibt ihn nicht.
Um die Wassernutzung kümmert man sich hingegen intensiv?
Der Plan, um die Nutzung des Wassers zu regeln, wurde 2010 rasch erstellt als die Konzessionen für die Großkraftwerke neu vergeben wurden. Beim Gewässerschutzplan andererseits lässt man sich Zeit. Das neue Gesetz für Raum und Landschaft – ein Riesenwerk, das zwei bestehende Gesetze zusammenfasst – macht man in drei Jahren während vom Gewässerschutzplan nach 15 Jahren offiziell nach wie vor keine einzige Zeile da ist. Die Skepsis gegenüber der Wasserkraftnutzung, der einseitigen Bevorteilung und komischen Abänderungen, verpackt in einem Omnibusgesetz, ist begründet. Denn was passiert jetzt? Wir haben ein Landesgesetz, das eines sagt – und wir haben einen Wassernutzungsplan, der nach Jahren offiziell 2016 per Dekret des Staatspräsidenten in Kraft getreten ist, und etwas anderes sagt. Die beiden Gesetze widersprechen sich.
Sprechen wir doch über das Thema und nicht darüber, ob die Leute lesen können oder nicht!
Beim Fischereiverein Eisacktal sieht man die Tür nun offen, um rechtlich gegen das Landesgesetz vorzugehen. Der Landesfischereiverband hat angekündigt, alle Möglichkeiten in diese Richtung prüfen zu wollen. Wird sich der Dachverband anschließen?
Gegen ein Landesgesetz kann nur der Staat vorgehen. Inwieweit dafür Möglichkeiten bestehen, weiß ich nicht, ich bin kein Jurist. Fakt aber ist, das heute wie heute – so zumindest meine Einschätzung als Laie – dieser neue Passus und der Wassernutzungsplan nicht mehr kompatibel sind. Die Frage ist nun: Was wende ich an? Den Wassernutzungsplan, der mit Dekret des Staatspräsidenten in Kraft getreten ist? Oder das Landesgesetz? Diese Frage bei den zuständigen Stellen zu deponieren ist schon allein deshalb notwendig, um Rechtssicherheit zu schaffen. Auch für denjenigen, der das erste Gesuch für die Errichtung eines Kraftwerkes stellt. Der müsste schon wissen, ob er jetzt darf oder nicht. Anschauen werden wir uns das Ganze aber auf jeden Fall.
Ihr Fazit?
Alles in allem ist diese Geschichte für Landesrat Theiner schon unglücklich verlaufen. Trotz bester und ehrbarer Absichten ist die Optik eben jene, die sie ist. Und sagen, niemand außer mir versteht etwas, ist eine etwas schwache Reaktion vom Landesrat. Der Teil, wie dieser Durchschnittswert der vergangenen zwei Jahre berechnet wird, ist tatsächlich super kompliziert geschrieben. Aber wer anspruchsberechtigt ist – “Bergbauernhöfe mit mehr als 40 Erschwernispunkten und selbstbearbeitete Almen, auch wenn an das öffentliche Stromnetz angeschlossen” – und dass eingespeist werden darf, ist relativ klar. Da braucht man jetzt nicht drumherum reden und sagen, das habe nur ich verstanden. Sprechen wir doch über das Thema und nicht darüber, ob die Leute lesen können oder nicht! Hätte man wirklich gute Argumente für diesen Omnibus-Artikel, könnte man sie doch darlegen und versuchen können, sachlich und fachlich zu überzeugen. Die Aussage “Ihr habt nicht verstanden” nehme ich halt zur Kenntnis und denke mir meinen Teil.
Dass man Theiner nicht
Dass man Theiner nicht versteht ist jetzt nichts neues.
Eine weitere Idee für die armen Bergbauern wäre das Restwasser als Mineralwasser den dummen Städtern und Touristen zu verkaufen. Kostet ja auch nichts.
Weiß denn jemand, wieviele
Weiß denn jemand, wieviele Bauernhöfe mit mindestens 40 Erschwernispunkten sowie selbstbearbeitete Almen es im Lande gibt ?
Mich würde mal die
Mich würde mal die Wirtschaftlichkeit der ganzen Sache interessieren, vorausgesetzt der Hof ist schon am Stromnetz angeschlossen.
Was kostet ein Miniwasserkraftwerk?
Wer bezahlt es?
Was spart der Hof?
Was verdient er mit dem Verkauf der überschüssigen kwh?
Wäre es am Ende nicht einfacher bzw. umweltfreundlicher wenn der Bergbauer den Strom einfach billiger bekommt?
In reply to Mich würde mal die by Mensch Ärgerdi…
Und wie sollen dann
Und wie sollen dann Ingenieurbüros und Baufirmen vom Kuchen mitnaschen?
In reply to Und wie sollen dann by Pietro Fischer
ja das sowieso! Im Nachhinein
ja das sowieso! Im Nachhinein heißt es dann immer man unterstütze so nicht nur die armen armen Bauern, sondern die gesamte Wirtschaft.