Im Ministerium für Glück
salto.bz: Der Schriftsteller Joseph Zoderer hat gestern in Meran seinen neuen Roman „Der Irrtum des Glücks“ vorgestellt. Ohne nun auf den Autor und den Inhalt des Buches eingehen zu wollen, weckt ein solcher Buchtitel Ihre Aufmerksamkeit?
Gina Schöler: Prinzipiell sind meine Fühler generell auf das Wort "Glück" gerichtet. Allein deswegen würde mich das Buch auf jeden Fall interessieren. Aber auch weil ich es spannend finde, gerade dieses Thema Glück etwas zu entzaubern. Ich glaube dass viele falsche Vorstellungen und Erwartungshaltungen kursieren. Und ich kann mir auch ein bisschen vorstellen, worüber der Autor schreibt...
Worin wurzeln unsere Glücksvorstellungen?
Wir streben ja alle nach einem gesunden und glücklichen, einem gelingenden Leben. Wir streben dann aber zu sehr nach Perfektion, alles muss immer rund laufen, wir müssen gesund sein, sportlich, schön – und glücklich. Das führt zu viel Leistungsdruck. Ich werde sehr oft gefragt: "Was ist denn ein glückliches Leben? Was bedeutet das denn?" Ich antworte dann immer: "Glückliches Leben heiß nicht die Summe von perfekten Momenten, sondern es bedeutet, dass man das Leben in all seinen Facetten – Höhen und Tiefen – wahrnimmt und anerkennt. Und eben lebendig lebt."
Es heißt „Geld macht nicht glücklich“. Warum strebt dennoch ein Großteil der Menschheit nach Reichtum – um unglücklich zu werden?
Geld macht bis zu einem gewissen Grad durchaus glücklich. Man braucht ein gewisses Grundeinkommen, man braucht eine gewisse Sicherheit – damit man sich fallenlassen und genießen kann. Ansonsten ist man mit Überleben beschäftigt.
Die Aussage Geld macht nicht glücklich würde ich gar nicht unterschreiben, weil es eben auf die Menge ankommt. Man muss sich meiner Meinung nach aber die Kernfrage stellen: Welche Werte sind mir wichtig? Materieller oder finanzieller Reichtum? Sozialer Reichtum? Zeitwohlstand?
Konkurrenzverhalten und Ellenbogentaktik – das geht mir ganz schön auf den Keks.
Glück kann bei Mitmenschen mitunter zu Neid oder Missgunst führen…
Das liebe Vergleichen ist ja des Glückes Tod. Das Schielen nach links und rechts, das ständige Fragen: Was haben die anderen? Was hab ich nicht? Was hat der Nachbar? Was hat der Kollege? Das ist Gift!
Anstatt zu vergleichen sollten wir eine Empathie entwickeln, um uns aus ganzem Herzen für andere zu freuen. Das ist eine große Kunst.
Wie wurden Sie Glücksministerin? Wie viele Menschen haben Sie gewählt?
Ich habe Kommunikationsdesign in Mannheim studiert. Dort startete dieses Glücks-Projekt am Anfang quasi als Werbekampagne und wir gingen der Frage nach, wie kann man Werbung für Menschlichkeit machen. Plötzlich sagten die Leute ich solle die Glücksministerin machen, da ich die passende Leidenschaft für diese Tätigkeit mitbringe. Ich hab dann gesagt: Ok. Ich nehme mein Amt an! Ich bin also – so halb – demokratisch gewählt.
Die Bezeichnung "Glücksministerin" suggeriert politischen Anspruch. Warum wagen Sie sich, bei dem schlechten Ruf den gegenwärtig Politiker und Politikerinnen – verdientermaßen – haben, mit der Thematik Glück auf dieses schmutzige Parkett?
Ich finde es interessant, was diese Berufsbezeichnung bei den Leuten auslöst. Sie haben durchaus recht, dass das Image von Politik generell durchaus besser sein könnte, aber vielleicht deswegen ist gerade die Begeisterung dieser Initiative gegenüber auch so groß, weil die Menschen plötzlich merken: Das ist ja endlich eine echte, nahbare Person, die sich in all ihren Facetten zeigt, auch in ihrer Verletzlichkeit. Als Mensch bin ich eben völlig authentisch und gebe meine Empfindungen kund.
Auch wenn Statistiken Menschen tendenziell unglücklich machen. Was sagen Statistiken über das Glück aus. Wer ist weshalb am glücklichsten?
Es gibt viele Statistiken und Studien zum Thema Glück. "Es braucht ein gutes soziales Netzwerk" sagt die eine Studie, die andere sagt: "Glück benötigt Zeit und Gesundheit". Ich glaube der meiner Meinung besten Studie – sie besagt, dass man mit Menschen ins Gespräch kommen soll, um viele Meinungen einzuholen.
Im südasiatischen Staat Bhutan dient Glück sogar als Grundlage für Regierungsentscheidungen. Ist das ein guter politischer Gag? Oder eine flotte Idee, die auch für andere Staaten anwendbar sein könnte...
In Buthan ist das kein Gag, dass man bei Regierungsentscheidungen eben ein Veto einlegen kann, ob die getroffene Entscheidung für das Gemeinwohl zuträglich ist oder nicht. Ob man das jetzt in dieser Form auch auf andere Staaten adaptieren kann, wage ich zu bezweifeln, weil es da natürlich viele traditionelle, kulturelle und religiöse Unterschiede gibt.
Aber ich finde diesen Grundgedanken interessant, sich mal zu fragen, ob es wirklich der wirtschaftliche Wachstumsfaktor sein muss der unser Leben bestimmt, oder ob es nicht besser ist, wenn man sich darum kümmert, dass es ein gesundes Miteinander gibt.
Wann sind Sie unglücklich?
Wenn ich mir zu viel vornehme und „rotiere“ und dann meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werde. Das habe ich gerade auch als Mutter mit kleinem Baby lernen müssen, dass man eben Prioritäten und Grenzen setzen muss. Dann klappt es mit dem Glück auch wieder besser. Was mich aber unglaublich unglücklich macht ist, wenn Ungerechtigkeit herrscht, wenn Menschen nicht gut untereinander und mit der Umwelt umgehen. Das macht mich rasend. Und auch manchmal unglaublich traurig.
Was tun Sie dann, um wieder glücklich zu sein?
Ich geh hinaus in die Natur und mache einen Spaziergang im Wald. Es gibt nicht umsonst den gesellschaftlichen Trend des Waldbadens. Das hat großartige Auswirkungen auf die Seele.
Wie würde ein gemeinsamer Urlaub einer "Glücksministerin" und einer "Pechmarie" verlaufen?
Ich müsste die Weltansichten der "Pechmarie" kennenlernen und es gäbe sicher ein paar heiße Diskussionen. Aber ich glaube, dass ich sie rumkriegen würde, und dass ich sie davon überzeugen könnte, dass im Leben nicht alles so pechschwarz ist...