Environment | Pestizid-Prozess
„Wie ein großes Theater“
Foto: oekom verlag
Salto.bz: Herr Radloff für einen Verleger dürfte es nicht alltäglich sein als potentieller Angeklagter in einem Strafprozess vor Gericht zu stehen?
Jacob Radloff: Nein. Für mich ist es das allererste Mal in einer 30-jährigen Geschichte, die wir als Verlag haben. Und es macht mich in einer gewissen Weise auch fassungslos, dass es so weit gekommen ist. Allein, dass wir in der Vorverhandlung stehen, ist für mich unmissverständlich. Aber jetzt wird der Richter entscheiden, ob aus der Anzeige wirklich eine Anklage wird.
Bisher standen im Pestizid-Prozess Alexander Schiebel und Karl Bär als Stars im Vordergrund. Ihnen als Verleger des Buches „Das Wunder von Mals“ soll jetzt aber dieselbe Strafe drohen?
Es ist leider so. Wenn ich auch nicht der Autor bin, sondern nur der, der den Rahmen geliefert hat, damit der Autor sprechen kann, bin ich in der Tat in derselben Weise bedroht, wie Alexander Schiebel und Karl Bär.
Jeder seriöse Verlag lektoriert Bücher bevor er Sie herausgibt. Haben Sie nie daran gedacht, dass es bei diesem Buch rechtliche Problemen geben könnte?
Ich habe bei diesem Buch wirklich nie daran gedacht, dass es rechtliche Probleme geben könnte. Einfach auch aus unserer Erfahrung heraus. Wir haben im Verlag eine ganze Menge an Büchern gemacht, wo mit weit schärferem Schwert der Meinungsäußerung gearbeitet wird, deshalb wäre ich gar nie auf die Idee gekommen, dass es hier ein Problem geben wird.
Hat Autor Alexander Schiebel mit gewissen Aussagen und Sätzen in diesem Buch nicht eindeutig übertrieben und diese Reaktion damit provoziert?
Man kann vielleicht sagen, dass er an der einen oder anderen Stelle in diesem Buch sehr meinungsstark ist und manche werden auch sagen, polemisch. Ich denke aber, insgesamt ist das als sein Gedankengang gut nachvollziehbar. Er hat in diesem Buch eine Art Reportage geschrieben und dabei seine Gedanken wiedergegeben.
Wir haben im Verlag eine ganze Menge an Büchern gemacht, wo mit weit schärferem Schwert der Meinungsäußerung gearbeitet wird, deshalb wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es hier ein Problem geben wird.
Das Verfahren vom dem Bozner Landesgericht macht auch einen klaren Unterschied zwischen der Rechtskultur in Deutschland und jener in Italien sichtbar?
In der Tat. Dann in Deutschland hätte keine Staatsanwaltschaft diese Anzeige angenommen. Dort wäre der Fall erst gar nicht in die Vorermittlungsphase gegangen. Wir haben derzeit in Deutschland Fälle, die sehr viel extremer sind, die aber nie wirklich justiziabel geworden sind.
Heißt das für Sie, dass die Meinungsfreiheit in Italien weit eingeschränkter ist, als in Deutschland?
Wenn es wirklich zur Anklageerhebung und zur Verfolgung dieser angeblichen Straftat kommt, dann würde ich das behaupten. Ja.
Würden Sie das nutzen, um in der deutschen Öffentlichkeit diese Zustände anzuprangern?
Es ist natürlich so, dass ich längst Dutzende Solidaritätsbekundungen erhalten haben. Die Kollegen vom Börsenverein oder vom PEN-Club, die sind alle fassungslos, was da mitten in Europa passiert. Allein die Tatsache, dass es überhaupt zu einer Annahme dieser Anzeigen und zu einer Weiterbearbeitung gekommen ist, wäre in Deutschland unvorstellbar. Ich habe von sehr vielen Kollegen jetzt schon die Zusicherung bekommen, dass sie mich, sollte es wirklich zu einer Anklage kommen, dass sie mich dann unterstützen werden.
In Deutschland hätte keine Staatsanwaltschaft diese Anzeige angenommen.
Die Staatsanwaltschaft Bozen hat die Einstellung des Verfahrens gegen Sie gefordert. Die Anwälte von Arnold Schuler und der 1.400 Bauern haben gegen diese Archivierung aber berufen. Damit dürften die Kläger Südtirol und der Obstwirtschaft einen zweifachen Bärendienst erwiesen haben?
Natürlich. Für mich ist das völlig unverständlich. Denn die Affäre hätte auf diese Art und Weise recht einfach beigelegt und beendet werden können.
Man wird jetzt sagen, Alexander Schiebel und der „oekom“-Verlag haben mit dem Buch Millionen verdient….
(Jacob Radloff lacht laut und lang)
…und jetzt sollen Sie auch einen Schadenersatz zahlen?
Diese Meinung ist völlig absurd und daneben. Da kennt man die Zusammenhänge nicht. Wie teuer es ist, ein solches Buch zu machen und wie wenig am Ende sowohl beim Verlag, als auch beim Autor bleibt. Mit einem solchen Buch wird weder der Verlag noch der Autor reich. Vor allem aber haben bereits jetzt die Rechtskosten für diesen Prozess einen großen Teil dessen aufgefressen, was wir mit dem Buch verdient haben.
Die Kollegen vom Börsenverein oder vom PEN-Club, die sind alle fassungslos, was da mitten in Europa passiert.
Alexander Schiebel hat bereits ein neues Buch über den Prozess angekündigt. Werden Sie und Ihr Verlag dabei wieder mit von der Partie sein?
Ich kann mir das gut vorstellen. Er will da ein weiteres Feld aufmachen und ich kann es durchaus nachvollziehen und finde es auch sehr spannend. Denn das Ganze ist wirklich wie ein großes Theater.
Herr Radloff, das heißt wir werden Sie vom dem Bozner Landesgericht wiedersehen?
(lacht). Das hoffe ich nicht. Aber wer weiß.
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Als Südtiroler muss man sich
Als Südtiroler muss man sich in der Tat schämen für diese irrwitzige Klage. Tut mir persönlich sehr leid Herr Radloff! Dasselbe gilt für Herrn Schiebel und Karl Bär.
In reply to Als Südtiroler muss man sich by m s
Vielen Dank für diese
Vielen Dank für diese Wortmeldung. Am meisten staune ich aus der Distanz, ich lebe zur Zeit in Südfrankreich, dass es so wenige Wortmeldungen dieser Art gibt.
Dieser Prozess ist ein
Dieser Prozess ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit, zu vergleichen mit dem Anschlag Charlie Hebdo.
In reply to Dieser Prozess ist ein by Christoph Gatscher
ach kommen Sie, das ist doch
ach kommen Sie, das ist doch Unsinn... ich sehe in diesem Prozess - leider - auch mehr Schaden als Nutzen... aber diesen mit einem Terroranschlag, mit Mord zu vergleichen, sehe ich als unsittlich.
(Und die Meinungsfreiheit hat natürlich dort ihre Grenze, wo ich andere verunglimpfe - so ist auch dieser Ihr Post nicht mehr "Meinung", sondern - bei allem Verständnis für Ihre persönliche Situation - eine schwerwiegende Beschuldigung; etwas bedachter wäre wirksamer).
In reply to Dieser Prozess ist ein by Christoph Gatscher
Dieser Angriff richtet in der
Dieser Angriff richtet in der Tat mehr Schaden an, als sich die meisten Beobachter bewusst machen. Was in den Medien geschieht, würde ich Rufmord nennen. Und das Verfahren selbst soll meine wirtschaftliches Überleben beenden. Physische Gewalt jedoch wurde zum Glück lediglich in den Asozialen Medien angekündigt.
In reply to Dieser Angriff richtet in der by Alexander Schiebel
Sie sollten sich doch bitte
Sie sollten sich doch bitte von einem Vergleich mit Charlie Hebdo distanzieren - das kann man von Ihnen doch erwarten.
Ich verstehe nicht ganz, von welchem "Angriff" Sie sprechen... im Prinzip ist auch Ihr Buch ein "Angriff" und soll das "wirtschaftliche Überleben" von Landwirten "beenden"... nun gibt es also Angriffe von beiden Seiten - das müssen sie dann schon aushalten, würde ich meinen.
In reply to Sie sollten sich doch bitte by Peter Gasser
Sie haben dieses Buch nie
Sie haben dieses Buch nie gelesen. Sonst könnten Sie nicht so ein verzerrtes Bild davon haben.
Und Sie wissen auch nicht wie es ist, wegen nichts vor Gericht zu stehen. Und ich wünsche es ihnen auch nicht.
In reply to Sie haben dieses Buch nie by Alexander Schiebel
“wegen nichts“, schreiben Sie
“wegen nichts“, schreiben Sie?
Dann kennen Sie das Buch ja selbst nicht...
.
Sie sind auf meinen Einwand nicht eingegangen, ich versuche es nochmal:
“Sie sollten sich doch bitte von einem Vergleich mit Charlie Hebdo distanzieren - das kann man von Ihnen doch erwarten”.
Ich möchte dies noch immer von Ihnen erwarten...
In reply to “wegen nichts“, schreiben Sie by Peter Gasser
Sie machen mir Spaß. Statt
Sie machen mir Spaß. Statt einfach zuzugeben, dass Sie das Buch nie gelesen haben, flüchten sie sich in billige Rhetorik ...
Und ja, selbstverständlich "wegen nichts". Das wird sich spätestens vor einem europäischen Gericht herausstellen, vermutlich aber bereits schon viel früher.
Und nun zu ihrem kindischen Anliegen, dass ich mich von etwas distanzieren soll, das ich gar nicht gesagt habe. Ich nehme dieses Anliegen zum Anlass eine Beobachtung mit Ihnen zu teilen: Vor der physischen Gewalt kommt regelmäßig, gerade eben war es in Frankreich wieder gut zu beobachten, die Empörung, die Hetze, der Aufschrei, dass die Meinungsfreiheit zu weit gehe und die zarten Gefühle radikaler Moslems verletzt wurden.
In reply to Sie machen mir Spaß. Statt by Alexander Schiebel
Anstatt inhaltlich zu
Anstatt inhaltlich zu antworten, weichen Sie erneut aus und “beißen” ad personam: es geht nicht um Sie oder mich, es ging um den Charlie-Hebdo-Vergleich, auch nicht um Ihr Buch, das haben Sie (warum?) eingebracht; auch sagte ich nirgends, dass Sie sich von etwas distanzieren sollen, das Sie gesagt hätten; ich bat Sie - und ich dachte, Sie bringen das - sich von diesem Vergleich oben zu distanzieren, das war alles, aber mir scheint nun, der Vergleich schmeichle Ihnen gar...
Ihr Vergleich aber, in dem Sie auf “radikale Moslems” anspielen, erscheint maßlos und unangebracht.
Ihre eigentliche Antwort fehlt.
.
ps: man kann sich auch von etwas distanzieren, das wer anderer gesagt hat, und nur dies war mein Anliegen;
und ja: “vor der der physischen Gewalt kommt regelmäßig ... die Empörung, die Hetze, der Aufschrei...”: das ist richtig, auch bei Ihre Empörung, Ihre Hetze.
In reply to Anstatt inhaltlich zu by Peter Gasser
Das Buch habe nicht ich in's
Das Buch habe nicht ich in's Spiel gebracht ...
... im Prinzip ist auch Ihr Buch ein "Angriff" und soll das "wirtschaftliche Überleben" von Landwirten "beenden" ...
Deshalb habe ich Sie darauf hingewiesen, dass Sie so etwas nur behaupten können, weil sie das Buch gar nicht kennen. Und das war überhaupt nicht polemisch gemeint. Auch der Biobauer, der hier vor einiger Zeit über mich und mein böses Werk referierte, hat sich im privaten Gespräch bei mir dafür entschuldigt, dass er das Buch gar nicht gelesen hatte. Und jene, die es schließlich lasen, zum Beispiel (kürzlich) ein naher Verbündeter des Ebner-Clans äußern sich nach der Lektüre verwundert: "Ich kann überhaupt nichts negatives an diesem Buch finden. Im Gegenteil: es ist sehr gut geschrieben und sehr interessant."
In reply to Das Buch habe nicht ich in's by Alexander Schiebel
Gerne lese ich die
Gerne lese ich die Eigenwerbung Ihres Buches und Ihr eigenes Lob dazu.
Sie lenken damit wohl abermals - sicher dahingehend professionell geschult - von meinem ursprünglichen Anliegen ab, und mögen wohl nicht Stellung beziehen:
“ Sie sollten sich doch bitte von einem Vergleich mit Charlie Hebdo distanzieren - das kann man von Ihnen doch erwarten” (gestern, 18:53 Uhr)”:
kann man?
In reply to Das Buch habe nicht ich in's by Alexander Schiebel
Herr Schiebel, lassen Sie
Herr Schiebel, lassen Sie sich von den beleidigten Südtiroler Obstbauern und deren Gefolge nicht einschüchtern und gehen Sie Ihren Weg. Es gibt genügend Südtiroler, die auf Ihrer Seite sind. Aber Sie wissen mittlerweile ja, wer im (schein-)heiligen Land das Sagen hat. So viel zur Meinungsfreiheit.
In reply to Herr Schiebel, lassen Sie by S. Bernhard
... dann bin ich sehr froh
... dann bin ich sehr froh darüber, dass Sie die Meinungsfreiheit von Mitmenschen genauso respektieren, und Leser und Kommentatoren nicht zu “beleidigten Südtiroler Obstbauern und deren Gefolge“ zählen.
Kommentare und Kritik sind keine “Einschüchterung”, da bin ich ganz bei Ihnen. Es geht nicht um “Seiten”, Polarisierung, Fronten. Es geht um den sachlichen Diskurs und um eine ausgewogene und umfassende Sichtweise im gegenseitigen Respekt.
Wissen Sie Herr Gasser ich
Wissen Sie Herr Gasser ich wurde wegen meiner Meinung zur Pestizidfrage schon mehrmals bedroht.
Mann hat sogar in so manchem Lokal darüber nachgedacht mir auf meinem Nachhauseweg einen Draht zu spannen.
In reply to Wissen Sie Herr Gasser ich by Christoph Gatscher
Das ist beides ausnahmslos
Das ist beides ausnahmslos und ohne wenn&aber zu verurteilen.
Ich wäre Ihnen in jedem Fall bedingungslos beigestanden.
Wenn man von den Bayern sagt,
Wenn man von den Bayern sagt, dass sie konservativ seien, dann muss man von den Südtirolern sagen, dass sie zurückgeblieben sind. Denn ehrlich gesagt wir hinken in allen gesellschaftlichen Entwicklungen dem restlichen deutschen Sprachraum zehn bis zwanzig Jahre hinterher.
Eine demokratische Zivilgesellschaft hat sich in Südtirol nie wirklich gebildet. Es gab keine Arbeiterbewegung und auch kein liberales Denken, das anderswo die Gesellschaft durchdringt hat. Der Südtiroler ist kein selbstbewußter Bürger der auf seine Rechte besteht, sondern ein Untertan der sich ins Amt als Bittsteller begibt. Keine Streitkultur kennt und eine Mentalität besitzt die mehr im Standesdenken als der eines republikanischen Rechtsstaat passen würde.
Südtirol ist ein Biotop das höchstens von außerhalb gerne verklärt wahrgenommen wird und so die Möglichkeit gegeben wird vor sich hindümpeln und seine Moorblüten blühen zu lassen. Nur in diesen seltenen Momenten wie diesen wird einmal ein helleres Licht darauf gerichtet.
Hoffen wir dass die ganze Geschichte in die Länge gezogen wird und in den internationalen Medien lang und breit getreten wird, so dass der Leidensdruck mal wirklich groß genug sein wird, dass sich da mal was ändert.
In reply to Wenn man von den Bayern sagt, by gorgias
Ich teile Ihre Betrachtung in
Ich teile Ihre Betrachtung in fast allen Punkten, möchte jedoch eine seltsame Beobachtung hinzufügen. Die seltsame, beinahe vollständige Diskrepanz, zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung im Bezug auf die von Ihnen aufgezählten Punkte.
Mir tut es leid, dass sich
Ich bedauere, dass sich Arnold Schuler als Agrarlandesrat vor den Karren spannen lässt, und nicht nur als einfacher Bauer. Wahrheitsgetreuer als „Arnold Schuler und die 1600 Bauern“ ist sicherlich „Der SBB und die 1601 Bauern“
Ja Herr Schiebel es tut mir
Ja Herr Schiebel es tut mir wirklich leid für dieses unwürdige Schauspiel! Ich hoffe dass das Theater unserer beleidigten, keinen Widerspruch duldenden, aber doch so zart beseiteten Leberwürste bald beendet wird. Der Einschätzung von Gorgias muss ich leider in vielen Punkten zustimmen. Heinrich Heine lässt grüßen...