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„Niemand streitet sich um Peanuts“

Die SAD-Affäre hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Die Rücktrittsforderungen werden immer lauter. Albert Pürgstaller fordert Achammer auf, sich zu entscheiden.
Albert Pürgstaller
Foto: Foto: Albert Pürgstaller/privat
Albert Pürgstaller, Jahrgang 1954, ist ein Ur-Gestein der Südtiroler Politik. Der gelernte Elektrotechniker saß von 1998 bis 2005 für die SVP im Südtiroler Landtag und übte zwischen 2005 und 2015 das Amt des Brixner Bürgermeisters aus. Seit 2016 befindet sich der ehemalige Arbeitnehmer-Chef und Präsident des Südtiroler Wohnbauinstituts (Wobi) im Ruhestand.
 
Salto.bz.:  Herr Pürgstaller, was sagen Sie zum derzeitigen Zustand der SVP?
 
Albert Pürgstaller: Die derzeitige Situation ist nicht nur für die Mitglieder der Südtiroler Volkspartei ein Problem, sondern für alle Bürger und Bürgerinnen. Ich muss leider feststellen, dass die Partei ein äußerst schlechtes Bild abgibt, und zwar sowohl nach Innen als auch nach Außen. Eine derartige Auseinandersetzung ist kein sehr großer politischer Motivator. Das, was bisher immer die Stärke der Partei war, nämlich geeint aufzutreten, wird momentan mit Füßen getreten. Solche Machtspiele sind zwar nicht neu, das hat es bereits unter Landeshauptmann Silvius Magnago wie auch Luis Durnwalder gegeben und erlebt nun eben eine Fortsetzung – einige Akteure wechseln, während andere bleiben –; dass es aber mit einer solchen Wucht aufbricht, hat den einen oder anderen wohl doch überrascht.
 
Auslöser waren die Veröffentlichungen rund um den SAD-Skandal und die Abhörprotokolle …
 
Natürlich sind die Veröffentlichungen ein riesiges Problem für die Partei. Die Vorfälle wären leichter zu händeln, wenn sie nicht an die Öffentlichkeit geraten wären. Es stellt eine große Belastung für die Partei als solche dar, weil es sich nicht nur um bloße Wortmeldungen handelt, sondern weil dahinter bestimmte Haltungen stehen, welche die Menschen draußen ganz einfach schockieren. In einer philosophischen Runde habe ich letztens mit einigen Bekannten über dieses Thema diskutiert: Sie zeigten sich schockiert darüber, wie einige Abgeordnete diese Äußerungen als blödes Gerede abgetan haben. Worte sagen viel über das Gedankengut und die Haltung aus, welche dahintersteht. Und die ist äußerst negativ.
 
 
 
Was muss passieren?
 
Es ist höchst an der Zeit, dass ein Reinigungsprozess stattfindet. Nachdem es sich inzwischen nicht mehr nur um eine parteiinterne Angelegenheit handelt, muss die Aufarbeitung auf Landesebene bzw. öffentlich stattfinden. Ich persönlich bin der Auffassung, dass vorrangig die Inhalte geklärt werden müssen, und erst in einem zweiten Moment die Frage, wie die Informationen nach Außen gelangt sind. Für mich stehen diese beiden Sachverhalte nicht auf der gleichen Stufe. Denn ansonsten bewegen wir uns abseits der eigentlichen Diskussion. Solche Beispiele hatten wir – siehe Österreich und Ibiza-Skandal – in letzter Zeit zur Genüge. Ohne Frage liegt noch vieles im Dunkeln und es bedarf einer tiefgreifenden Aufklärung. Das ist das Gebot der Stunde. Ich hoffe, dass die Führungsebene den Mut hat, das entsprechend anzugehen.
 
Für den 4. April wurde eine Sondersitzung im Landtag einberufen. Was erwarten Sie sich davon?
 
Von der Sitzung selbst erwarte ich mir nicht allzu viel. Die Oppositionsparteien werden versuchen, Kapital daraus zu schlagen – solche Spielchen kennt man bereits.
Aus meiner Sicht ist hier die Landesregierung gefordert, klar Stellung zu beziehen. Sie muss erklären, ob und wie eine Zusammenarbeit noch möglich ist, wenn solche Zustände der Illoyalität herrschen. Es stellt sich schon die Frage, inwieweit unter solchen Bedingungen noch eine Zusammenarbeit möglich ist. Hier sind sowohl Landeshauptmann Arno Kompatscher, die Landtagsfraktion, als auch die Partei gefordert.
 
Es ist höchst an der Zeit, dass ein Reinigungsprozess stattfindet.
 
Streitereien haben in jedem Verein und jedem Unternehmen Auswirkungen auf die Tätigkeit und Arbeit. SVP und Landesregierung wollen die Öffentlichkeit offenbar davon überzeugen, dass das hier nicht der Fall ist.
 
Natürlich hat dies Auswirkungen. So schmerzhaft dieser Prozess auch sein mag, hier muss eine Klärung erfolgen. Andernfalls wird es zu einer unerträglichen Belastungsprobe für die Partei.
 
Zu einer Zerreißprobe?
 
Ja, so ist es.
 
 
 
Was heißt das nun? Über kurz oder lang muss jemand seinen Hut nehmen?
 
Partei-Obmann Philipp Achammer muss hier klar Stellung beziehen. Er ist der Verantwortliche für die Partei und muss letztendlich die Richtung vorgeben. Es wird nicht damit getan sein, auf zehn Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen –  irgendwann kommt auch der gewiefteste Tänzer aus dem Takt. Er wird Farbe bekennen und letztendlich eine Entscheidung darüber treffen müssen, in welche Richtung die Partei und damit die Landespolitik zukünftig gehen wird. Nur so weiter machen, wird hier nicht mehr greifen. Das erwarte ich mir auch von einem Partei-Obmann.
 
Achammer muss sich zwischen einem der beiden SVP-Lager entscheiden?
 
Er wird sich entscheiden müssen, für welche Art von Politik er verantwortlich sein will: für eine Politik, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt, oder eine Privatinteressenvertretung.  Er hat die Voraussetzungen zu schaffen, dass gearbeitet werden kann. Entweder geht er den Weg gemeinsam mit dem Landeshauptmann und führt hier eine Klärung herbei oder er muss sich für einen anderen Weg entscheiden. Letztendlich hat aber auch das Wählervolk ein Wörtchen mitzureden.
 
… welches nach Rücktritt schreit.
 
Rücktritt von wem?
 
Wer soll zurücktreten?
 
Das ist die große Frage. Welches Lager ist das stärkere?
 
Es gibt hier viele Akteure auf dem Feld, demzufolge: Wer soll zurücktreten? Es ist aber sicher nicht mit einem Bauernopfer da oder dort getan. Es geht um die Frage, wie man die Zukunft gestalten will. Für mich als Arbeitnehmervertreter müssen die öffentlichen Interessen immer an erster Stelle stehen. Hier gibt es für mich kein Wenn und Aber. Daran müssen sich die politischen Vertreter halten und wenn sie sich nicht daran halten, müssen sie die Konsequenzen ziehen, oder die Partei muss handeln.
 
Heißt?
 
Dann müssen solche Leute zurücktreten, oder die Partei muss diese Entscheidung treffen. Ich weiß, dass es leider zu viele Interessensvertreter in der Politik gibt. Aber letzten Endes sind die Politiker verpflichtet, einzig und allein das öffentliche Interesse zu wahren; für das haben sie einen Eid geleistet. Wenn die SVP Sammelpartei bleiben will, muss sie eine Kehrtwende machen. Hier ist insbesondere der Partei-Obmann gefordert.
 
Handelt es sich um einen politischen Richtungsstreit oder schlichtweg um persönliche Differenzen?
 
Ich sehe es weniger als Richtungsstreit, weil man ideologisch gesehen nicht so weit auseinander liegt. Ich sehe den Knackpunkt in der Frage, ob eine Politik des öffentlichen Interesses umgesetzt werden soll oder die Interessen einiger weniger.
 
Anhand der Beschlüsse und anhand der parteiinternen Interventionen kann man relativ schnell ausmachen, wer im Interesse von Außenstehenden handelt.
 
Spielball verschiedener Interessensvertreter zu sein, werfen sich beide Lager gegenseitig vor.
 
Anhand der Beschlüsse und anhand der parteiinternen Interventionen kann man relativ schnell ausmachen, wer im Interesse von Außenstehenden handelt. Es ist zwar traurig, aber leider eine Tatsache, dass manche einen sehr starken Einfluss auf die Politik ausüben, um ihre Interessen durchzusetzen. Dies geschieht auf Landes- wie auch auf Ortsebene. Jene, die intern für die Politik verantwortlich sind, wissen das auch …
 
…wie bei der SAD-Geschichte …
 
Das ist nur ein Beispiel. Es geht aber auch um die großen Fragen wie beispielsweise Beiträge, Steuerpolitik, Energie, Kommunikation oder Raumordnung. An diesen großen „Brocken“ merkt man, in welche Richtung die Landespolitik gehen will bzw. wer und in welcher Form Druck ausübt. Niemand streitet sich um Peanuts – wenn dann muss es sich schon auszahlen.
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Robert Hölzl Fri, 03/25/2022 - 19:20

Interessant, dass sich von den anderen Landesräten, die theoretisch zur Kompatscherseite zählen, niemand zu Wort meldet.
Derzeit melden sich nur die zu Wort, die direkt angesprochen sind (der LH hat ja schon vor einiger Zeit Andeutungen gemacht) oder Hinterbänkler à la Lanz bzw. Politpensionäre. Ausnahme Schullian, der aber selbst keine Hausmacht in der SVP hat. Haben Schuler und Deeg nichts zur Sache zu sagen?

Fri, 03/25/2022 - 19:20 Permalink
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Salzer Claudio Fri, 03/25/2022 - 20:22

Achammer sollte sich – wie sein Vorbild Kurz – nicht zu sehr an seinen Posten klammern. Ein eleganter “Schritt zur Seite” ist oft die beste Lösung.
Mit seinen unbestrittenen Kompetenzen findet er – wie Basti – leicht eine Anstellung als “Global Strategist”.
Irgendwo im Großraum Vintl.

Fri, 03/25/2022 - 20:22 Permalink
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Hartmuth Staffler Fri, 03/25/2022 - 22:35

Pürgstaller hat weise Worte gesprochen. Man sollte in Bozen, aber auch in Brixen darauf hören, denn dort ist man ja derzeit froh, dass die hausgemachten Brixner Skandale durch die Landesskandale überdeckt werden. Auf Dauer kann das aber nicht gut gehen.

Fri, 03/25/2022 - 22:35 Permalink
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Stereo Typ Mon, 03/28/2022 - 12:55

Wenn sich jetzt die Altmandatar*innen zu Wort melden, wird das schon a bissl viel. Mich interessieren mehr die gegenwärtigen Politiker*innen, und die trauen sich offensichtlich nicht so recht.

Mon, 03/28/2022 - 12:55 Permalink