Chronicle | Masken-Affäre

Die Gutachten der Amtsdirektorin

Es gibt einige wichtige Details, die nicht an die Öffentlichkeit sollen. Warum der Untersuchungsaussschuss zur Maskenaffäre unbedingt gestoppt werden muss.
Krankenhaus Bozen
Foto: Hannes Prousch
Es ist eigentlich eine logische Frage, die bisher aber noch niemand gestellt hat.
Sowohl im Südtiroler Sanitätsbetrieb als auch in den einzelnen Gesundheitsbezirken gibt es jeweils ein Amt für den Einkauf sanitärer Güter. Diese Stellen sind unter anderem auch für den Ankauf von Schutzkleidung zuständig.
Denn der Ankauf von persönlicher Schutzkleidung (PSA) gehört lange vor der Corona-Krise zum Alltagsgeschäft dieser Ämter. Mit dem Covid-19-Ausbruch ist dieser Bereich im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht zwar explodiert, dennoch sind formal und rechtlich diese Stellen für den Ankauf zuständig.
Diese Ämter haben nicht nur die nötigen Kontakte, sondern vor allem auch eine juridische und verwaltungsrechtliche Expertise um die Ankäufe den schwerfälligen Ausschreibungs- und Ankaufbestimmungen entsprechend durchführen zu können. Immerhin sind die Direktoren de facto für die getätigten Ankäufe rechtlich verantwortlich.
Das war und ist auch in der Corona Krise so. Vor allem das Amt für den Einkauf sanitärer Güter im Südtiroler Sanitätsbetrieb geleitet von der Juristin Sophie Biamino und das gleichnamige Amt im Gesundheitsbezirk Bozen haben den Großteil der Ankäufe auch in der Krisenzeit im Frühjahr dieses Jahres getätigt.
Dieses Amt hat zwischen März und Mai 2020 Dutzende Ankäufe von Atemschutzmasken und Schutzanzügen getätigt und dabei durch Marktrecherchen auch mehrere windige Unternehmen und Briefkastenfirmen aufgedeckt und vom Ankauf ausgeschlossen. Nach Informationen von Salto.bz ist die Amtsdirektorin auch unter jenen 70 Personen, die im Untersuchungsauschusses des Landestages zur sogenannten Maskenaffäre angehört werden sollen.
 

Auftrag entzogen

 
Dass die Landesregierung und die SVP am heutigen Freitag mit einem von Landeshauptmann Arno Kompatscher in Auftrag gegebenen Rechtgutachten den Untersuchungsausschuss des Landesrates unbedingt aussetzen und damit versenken wollen, liegt auch an dieser Funktionärin.
Denn de Amtsdirektorin dürften bei der Anhörung Vorgänge und bisher unbekannte Details darstellen, die ein ganz neues und bezeichnendes Licht auf den 35-Millionen-Euro-Ankauf des sogenannten Oberalp-Schutzmaterials werfen.
In den Ermittlungsakten der Bozner Staatsanwaltschaft liegen Dokumente die deutlich machen, wie energisch die zuständigen Amtsdirektorinnen vor dem Ankauf gewarnt und die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen angemahnt haben, dabei aber von ihren Vorgesetzten zuerst unter Druck gesetzt wurden und dann kurzerhand ausgeschaltet wurden.
 
 
Auch für den Ankauf der Operalp-Lieferung war das Amt für den Einkauf sanitärer Güter im Südtiroler Sanitätsbetrieb formal zuständig. Nach der nächtlichen Bestellung der ersten Lieferung am 17. März 2020 um 9,3 Millionen Euro erhielt das Amt von Sophia Biamino den Auftrag den Vertrag für den Ankauf aufzusetzen. Eigentlich eine Routineangelegenheit.
Doch nicht in diesem Fall. Denn die Juristin und Fachfrau hat mehrmals darauf hingewiesen, dass der Ankauf so wie von der Generaldirektion ausgehandelt, rechtlich und formal nicht durchgeführt werden kann.
Die Beamten der Carabinierisondereinheit NAS haben Biamino bereits vor Wochen angehört und in ihrem Amt mehrere Rechtsgutachten sichergestellt, in denen die Juristin fein säuberlich ihre Einwände festgehalten hat. So etwa gehört es rechtlich zum Standard, dass in diesen Verträgen Strafzahlungen für verspätete oder schadhafte Lieferungen enthalten sind. Auch im ursprünglichen Oberalp-Vertrag sollten diese Klauseln enthalten sein. Weil sich der Finanzdirektor des Sportartikelherstellers aber kategorisch dagegenstellte, sollte diese Bedingung kurzerhand gestrichen werden.
Die zuständige Amtsdirektorin hat mehrmals darauf hingewiesen, dass der Ankauf so wie von der Generaldirektion ausgehandelt, rechtlich und formal nicht durchgeführt werden kann.
Amtsdirektorin Sophie Biamino, formalrechtlich für den Ankauf verantwortlich, spielte hier aber nicht mit. In mehreren schriftlichen Gutachten, die an Generaldirektor Florian Zerzer und Verwaltungsdirektor Enrico Wegher gingen, hielt die Amtdirektorin jene Punke fest die rechtlich im Oberalp-Deal nicht tragbar sind.
Die Folge: Sowohl  Florian Zerzer, als auch Enrico Wegher wurden mehrmals bei der Amtdirektorin vorstellig. „Man hat die Amtdirektorin unter Druck gesetzt“, heißt es aus Ermittlerkreisen.
Weil Biamino sich aber nicht beugte, entzog man kurzerhand der für den Ankauf zuständigen Amtsdirektorin den gesamten Auftrag. Der Oberalp-Ankauf wurde plötzlich von der Generaldirektion und von Verwaltungsdirektor Enrico Wegher betreut und durchgeführt.
Das Ergebnis ist bekannt.
 

Kaufmanns Intervention

 
In den Ermittlungsakten werden noch eine Reihe weiterer Vorgänge im Mittelbau des Sanitätsbetriebes dargestellt, die ein bezeichnendes Licht auf die Zustände in der Südtiroler Sanität werfen.
 
 
So etwa suchte die Chefhygienikerin Dagmar Regele um Schutzmasken für ihren Belegschaft an. Weil es dabei ausschließlich um Ämtern in der Bozner Amba Alagistraße ging in denen Büro- und Verwaltungsarbeit verrichtet wird, lieferte das zuständige Amt des Gesundheitsbezirkes Bozen chirurgischen Mundschutz, der dem Sanitätsbetrieb vom italienischen Zivilschutz übergeben worden war.
Was danach folgte, macht deutlich, wie sich die amtlichen Hierarchien in der Südtiroler Sanität völlig verschoben haben. Dagmar Regele zeigte sich mit den gelieferten Material anscheinend unzufrieden. Denn die zuständigen Stellen erhielten einen erbosten Anruf des Leiters der Covid-19-Taskforce Marc Kaufmann. Kaufmann ordnete kurzerhand an, dass man Regele und ihrer Belegschaft die besten Schutzmasken aushändigen soll, die der Sanitätsbetrieb auf Lager habe. Das Amt musste neue FFP2-Masken liefern.
Und das zu einer Zeit als die Schutzausrüstung für jene, die wirklich an der Coronafront standen, knapp wurde.
Doch all das soll in der Aula des Landtages nicht zur Sprache kommen.
Deshalb brauchte es jetzt das Rechtsgutachten des Landeshauptmannes.
 
Update 26.6.2020: In diesem Artikel wurde ursprünglich auch Elisabetta Dall'Aglio genannt. Das war ein Fehler. Die Direktorin des Amtes für Ankäufe und Inventarverwaltung im Gesundheitsbezirk Bruneck hat mit dieser Sache nicht tun. Ich entschuldige mich bei Frau Dall'Aglio für die Namensverwechslung.
Christoph Franceschini