Politics | Der geschlossene Hof

Der geschlossene Hof II

Mein letzter Beitrag zum geschlossenen Hof hat ein enormes Echo ausgelöst und gezeigt: Eine Reform dieser mittelalterlichen Regelung ist überfällig!
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Suedtirolfoto.com/Othmar Seehauser

Als ich vor einigen Wochen einen kleinen Beitrag zur Problematik des geschlossenen Hofs in Südtirol geschrieben und im „Salto“ veröffentlicht habe, hätte ich mir nie dieses enorme Interesse, diesen unglaublichen Zuspruch erwartet. Auch mit acht bis zehn Kommentaren wäre ich schon froh gewesen und hätte diese Initiative als Erfolg gewertet. Geworden sind es weit über 100 Kommentare und die Zahl der Zugriffe hat meinen Beitrag ganz nach vorne getragen – für einen Leserbeitrag eine völlig ungewöhnliche Situation.

Was bedeutet das nun konkret? Auf jeden Fall bezeugt dieses unglaubliche Interesse, dass es sich hierbei um ein Thema handelt, das den Südtirolern unter den Nägeln brennt, auch wenn sich kaum jemand dazu artikuliert. Und weshalb diese Diskrepanz zwischen offensichtlichem Interesse und allgemeinem Schweigen? Es fehlt sicherlich an Zivilcourage, an Mut, die Stimme zu erheben. Die Entrechteten und Enterbten sollten es doch den Bauern nachmachen, die für ihre Privilegien mit Nachdruck einstehen und diese ohne mit der Wimper zu zucken verteidigen.

Ein Kompliment an die „Gegenseite“, an Herrn Klemens Kössler: Auch wenn da nicht immer alles mit Ausdruck und Syntax stimmt, er traut sich was und er kämpft unerschrocken für die Vorrechte seines Standes. Insgesamt hat die Diskussion aber sehr interessante Erkenntnisse ergeben. Ich habe mich absichtlich nur ganz punktuell und behutsam eingeklinkt, um diese Diskussion nicht zu stören, um ihr volle und freie Entfaltung zu ermöglichen. Vielen Dank an die qualifizierten Beiträge von Erich Frene und insbesondere von Herrn (?) F.T. F.T. hat sich kein Blatt vor den Mund genommen und die Missstände im Lande offen angesprochen. Das nenne ich Zivilcourage, Standfestigkeit, Rückgrat! Auch M.ut And hat einige interessante Betrachtungen angestellt.

Dank auch an Herrn Sigmund Kripp: Er verteidigte zwar grundsätzlich das Althergebrachte, Tradierte, aber es leuchtet bei ihm auch die Erkenntnis durch, dass hier eine manifeste Diskriminierung Platz greift und er verweist auf die Nordtiroler Regelung, wonach die geschlossenen Höfe bis auf die Mindestkultureinheit geteilt werden. Und ich denke: Genau das ist der richtige Lösungsansatz! Dass eine Mindestkultureinheit geschützt wird, darüber lässt sich reden. Dass aber bspw. bei einem 6 ha großen Hof mit drei Häusern der Sohn alles, die Tochter eine lächerliche Auszahlungssumme erhalten (im Verhältnis von 20 : 1) erhalten soll, das ist inakzeptabel! Herr Kripp hat mir geraten, mich „vertrauensvoll“ an die Landesregierung bzw. an die Höfekommission zu wenden: vielen Dank. Ich möchte diesen Ratschlag in abgeänderter Form aufgreifen: Ich wende mich über die Medien, über „salto“, direkt an die Landesregierung und ersuche diese, dieses Relikt aus dem Mittelalter, das in Südtirol in seiner frauenverachtenden, diskriminierenden Ausprägung auf die Spitze getrieben worden ist, zu reformieren.

"Ich wende mich über salto, direkt an die Landesregierung und ersuche diese, dieses Relikt aus dem Mittelalter, das in Südtirol in seiner frauenverachtenden, diskriminierenden Ausprägung auf die Spitze getrieben worden ist, zu reformieren"

Die Verfassung gilt auch in Südtirol, die Grundrechte ebenfalls. Bislang hat der Verfassungsgerichtshof diesen Missstand einfach ignoriert (voller Häme hat ein Kommentar darauf verwiesen, ganz nach dem Motto „gib´s auf, Frau Baur, bringt eh nichts, auch dich kriegen wir auch noch klein, prozessier nur, dann bringen wir dich finanziell zur Strecke“), aber das muss nicht immer so sein, wie ein anderer Kommentator betont hat. Ich denke, das ach so fortschrittliche, sich ach so überlegen fühlende Südtirol sollte selbst imstande sein, diese untragbare Diskriminierungssituation zu beenden. Im Autonomiekonvent wird geredet und geredet, Wochenende um Wochenende, Vollautonomie ja oder nein, was heißt Vollautonomie und überhaupt und wieso. Das Motto lautet: Die Südtirol-Autonomie muss reformiert werden, aber wieso weiß niemand so genau. Beschäftigen wir uns doch mit Handfestem, mit echten Problemen, die den Südtirolerinnen und Südtirolern unter den Nägeln brennen, mit einer wahren Grundrechtsproblematik.

Deshalb schlage ich vor, die Problematik des geschlossenen Hofes in den Autonomiekonvent zu bringen, dort empirisch aufzuarbeiten und dann Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Folgende Fragen könnten dabei geklärt werden: - Wie viele geschlossene Höfe werden von Männern, wie viele von Frauen übernommen? - In welchem Verhältnis stehen Ertragswert zu Marktwert, unterschieden nach Berglage und Tallage und aufdifferenziert auf die verschiedenen Ortschaften? - Ist die jetzige Rechtslage mit dem italienischen Verfassungsrecht und der europäischen Grundrechtsordnung noch vereinbar? - Kann es sein, dass ein Bauer sukzessive zuerst das Geld für den Neubau eines Prunkbaus, dann zwei Häuser und den ganzen Grund von 6 ha in bester Tallage übergibt und die Tochter geht leer aus? Für die Unterstützung der Existenz landwirtschaftlicher Einheiten habe ich (und haben wohl die meisten Südtiroler) vollstes Verständnis. Für die systematische Enterbung der „weichenden Erben“ (in der Regel der Frau), nur damit einzelne Bauern reich und reicher werden und die steuergeldfinanzierten Subventionen in Anspruch nehmen können, habe ich hingegen gar keines!