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Demokratie im Einkaufskorb
Foto: Victor Kössl
Österreich gehört zu den europäischen Ländern mit der höchsten Supermarktdichte bezogen auf die Einwohnerzahl. Besonders eindrücklich zeigt sich dies in der Hauptstadt. Wer durch Wiens Bezirke schlendert, erblickt - neben vereinzelten Gemüsehändlern und Wochenmärkten – nahezu an jeder Ecke einen Supermarkt, zumeist einen der Riesen Spar, Rewe, Hofer oder Lidl. „Das ist beängstigend“, findet Ulla Brodträger. Die Pensionistin ist Vorstandsmitglied und Kassierin des Vereins MILA. Dessen Ziel ist es, mit einem genossenschaftlich organisieren Mitmach-Supermarkt eine Alternative zur Dominanz der Marktführer zu etablieren.
Auf dem Weg zum großen Supermarkt mit einem möglich breiten Sortiment, nicht nur an Lebensmitteln, sondern auch an jeglichen Gütern des täglichen Bedarfs, macht MILA zunächst einen Zwischenschritt. So startete am 13. Mai im 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring der Testbetrieb mit einem Minimarkt auf knapp 45m2 Verkaufs- und Lagerfläche. Das Angebot reicht derzeit von Spargel, Erdbeeren und Eiern, über Milchprodukte, Mehl und Schokolade, bis hin zu Reinigungsutensilien, Brot vom Bäcker oder Schmankerln aus Wien, wie etwa Pilzwürsten.
Vieles ist regional und biologisch erzeugt, nicht aber zwingend alles. „Es wird schon darauf geachtet, dass es regionale und saisonale Produkte. Wir haben aber begonnen, auch alternative Produkte anzubieten, die günstiger sind. Wir wollen auch Leute ansprechen, die keine dicke Geldtasche haben“, sagt Brodträger. Was ins, derzeit noch verhältnismäßig kleine, Sortiment kommt, entscheiden die Mitglieder des Vereins über eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe. Vorschläge werden in einem Büchlein an der Kassa deponiert.
Generell basiert das Grundprinzip von MILA auf demokratischer Entscheidungsfindung und partizipativem Engagement. Vorbilder sind das Pariser La Louve und die New Yorker Park Slope Food Coop, die mit jeweils 5.000 bzw. 17.000 Mitgliedern besonders erfolgreiche Beispiele genossenschaftlicher Einzelhandelsprojekte darstellen. MILA könne derzeit auf etwas mehr als 500 Mitglieder zählen. Ausgeschriebenes Ziel, um ein reichhaltiges Sortiment zu annehmbaren Preisen bieten zu können, sei eine Mitgliederzahl von 2000.
Ich finde die Idee super, dass die Menschen einen Supermarkt besitzen, die Zwischenhändler umgangen werden können und man selbst bestimmten kann, was man essen möchte. (Michaela)
Um Mitglied und somit auch Kunde des MILA-Supermarktes werden zu können, ist, neben der Entrichtung eines jährlichen Mitgliedsbeitrages von 12 bzw. 24 Euro, auch die monatliche Mitarbeit im Umfang von drei Stunden verpflichtend. Dafür, so das Versprechen, soll es möglich sein, sowohl Verbrauchern als auch Produzenten günstige bzw. faire Preise anzubieten. Für Interessierte aber Unentschlossene, bietet MILA Probemitgliedschaften zum Preis von 2 Euro.
Die Mitarbeit an der Kassa, das Einräumen der Regale oder das Umschlichten im Lager, diene nicht nur der Sache, sondern eröffne zudem einen Perspektivenwechsel, so die Fotografin Michaela Stankovsky: “Ich finde es auch mal gut, was vollkommen anderes zu machen und hinter der Kassa zu stehen, so wie es tausende andere tun, jeden Tag, acht Stunden lang.“
Nicht zuletzt der soziale Aspekt der gemeinsamen Mitarbeit, spiele, insbesondere ab einer gewissen Altersklasse, eine wichtige Rolle, bestätigt Ulla Brodträger: „Ich bin seit 5 Jahren in Pension, man ist sehr gut vernetzt und lernt jede Menge neue Leute kennen.“ Dafür nehme sie auch mehr als eine Stunde Fahrt mit den Öffis aus Niederösterreich in Kauf. Heißt im Umkehrschluss aber keineswegs, dass der Minimarkt nur älteren Menschen Platz bietet. Während des Besuchs im Geschäft fällt auf, dass insbesondere auch junge Menschen den Weg zu MILA finden.
Das Ganze hat natürlich auch einen sozialen Aspekt, man lernt Kommunikation untereinander. Es ist ein miteinander, kein gegeneinander. (Franz)
Einer davon ist Philipp, der sich beruflich mit Nahrungstransformationsfragen beschäftige und gerade deshalb das Konzept eines demokratischen Supermarktes sehr spannend finde: „Es ist extrem schwierig, Lebensmittel sowohl nachhaltig als auch günstig anbieten zu können. Dieses Konzept des demokratischen Supermarktes ist eines, das darauf zu antworten versucht und in New York und Paris bereits erfolgreich umgesetzt wird.“
Als durchaus erfolgreich kann auch der Start des Testmarkts bezeichnet werden. Die ersten Öffnungswochenenden seien, begleitet von großer medialer Resonanz, turbulent, der Umsatz und auch die Rückmeldungen, so Brodträger, durchaus erfreulich gewesen. Das nötige Kleingeld für die Anschaffung basaler Einrichtung, wie etwa Kühlung, Kassa und Regalen, wurde schon Monate vorher mittels Crowd-Fundings gesammelt.
Im Hinblick die Eröffnung des großen Supermarktes, bei dem eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Jahren einkalkuliert werde, sei die weitere Finanzierung wegweisend, wie Kassierin Brodträger bekräftigt. „Da muss noch einiges passieren, auch in Richtung Förderungen und Kredite. Das wird sich nicht nur durch Genossenschaftsbeiträge rechnen.“ Die Genossenschaft soll immerhin noch heuer aus der Taufe gehoben werden.
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Man kann es auch übertreiben:
Man kann es auch übertreiben: "Mitglieder und Mitgliederinnen "? Das Mitglied ist weder männlich noch weiblich sondern ein Neutrum. Und Sie, Herr Julian Mayr, wollen das Neutrum vergewaltigen und es weiblich zu machen? Das Mitglied und die Mitgliederin???
In reply to Man kann es auch übertreiben: by Sepp.Bacher
Herr Bacher, Lapsus ist
Herr Bacher, Lapsus ist korrigiert, war nicht beabsichtigt. Kein Grund aber, hier von Vergewaltigung zu sprechen.