Florian Zerzer
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Politica | Fritto Misto

Der talentierte Mr. Zerzer

Die Vorgänge in der Causa Zerzer legen ein Selbstverständnis der Landesregierung offen, vor dem einem grauen muss.
  • Nun ist es also vollbracht, entgegen aller Hoffnungen, dass sich die Landesregierung bis zuletzt doch besinnen und einen Rest an Anstand zusammenkratzen würde: Florian Zerzer ersetzt Virna Bussadori als Direktor der Abteilung für Natur, Landschaft und Raumentwicklung, trotz massiver Proteste von Fachverbänden, der Zivilgesellschaft, der Opposition. Und das nicht einmal ein Jahr nachdem eigens für ihn ein hoch dotierter Sonderauftrag „Digitalisierung“ (Laufzeit zwei Jahre, verlängerbar um zwei weitere) geschaffen worden war, der dann wohl in Rekordzeit erfüllt wurde.

     

    Loyalität vor Kompetenz, Parteitreue vor Sachlichkeit, Willfährigkeit vor Widerstand

     

    Man könnte sich jetzt grün und blau ärgern darüber, wie unverhohlen hier Loyalität vor Kompetenz, Parteitreue vor Sachlichkeit, Willfährigkeit vor Widerstand gereiht wird, aber Ärger macht Bauchweh und handlungsunfähig. Ich bevorzuge das Staunen, und aus diesem kommt man in der Causa nicht mehr heraus.

    Ich staune über die offenbar mannigfaltige Begabung eines Florian Zerzer, der als gelernter Informatiker augenscheinlich mühelos Spitzenpositionen in den unterschiedlichsten Bereichen (Tourismus, Sanität, und jetzt eben wieder Raumordnung) besetzen kann – und das, obwohl man ihm den Aufstieg in die erste Führungsebene zunächst versagt hatte. Über die ihm zugeschriebenen außerordentlichen organisatorischen Fähigkeiten und Management-Skills, die das fundierte Fachwissen einer Spitzenbeamtin mit hervorragenden Bewertungen durch ihren Arbeitgeber (!) anscheinend fraglos ausstechen. „Es geht bei einer Abteilungsdirektion nicht nur um die Fachkenntnisse – dort punktet sicherlich auch Frau Bussadori –, sondern vor allem auch um organisatorische Stärken“, so Landesrat Brunner im Rai-Interview. Lassen Sie es sich auf der Zunge zergehen: „Dort punktet sicherlich auch Frau Bussadori“. Was für ein Affront für die mit langjähriger Erfahrung ausgestattete, von Architektenkammer, AVS und Opposition gleichermaßen hochgelobte Expertin: dem Informatiker an Fachwissen also kaum unterlegen. 

  • „Dort punktet sicherlich auch Frau Bussadori“. Was für ein Affront.

  • Ich staune über die Prioritäten, die die Landesregierung hier setzt: Kooperation statt Expertise, (und das durch einen Beamten, gegen den ein Strafverfahren läuft), als ginge es bloß um die Reform einer Abteilung, und nicht um einen der heikelsten und sensibelsten Bereiche überhaupt: Entscheidungen in der Raumordnung betreffen den Schutz der Landschaft, unseres Lebensraums, sie betreffen jede und jeden von uns, und diese Entscheidungen wollen wir tatsächlich einem Manager statt einer Fachfrau anvertrauen? Lässt Herr Brunner bei Beschwerden denn auch ruhigen Blutes einen Manager an sich herumdoktern statt einer ausgewiesenen Ärztin, nur weil ersterer seine Abteilung auf Zack gebracht hat?

    Ja, ich staune über die Unverfrorenheit eines Peter Brunner, der sich zunächst gar nicht zu Wort meldet, der in der Pressekonferenz zu den Beschlüssen der Landesregierung eine Rosmarie Pamer stammeln lässt, anstatt selbst ans Pult zu treten, der im lauen Rai-Morgengespräch seinem Ressortdirektor („er hat Zerzer vorgeschlagen“) die Verantwortung zuschiebt, der sich allen Ernstes darüber empört, dass die Neue Südtiroler Tageszeitung den Sachverhalt um seine Almhütte (deren Ausbau Bussadori nicht genehmigt hat) offengelegt hat, anstatt selbst für Transparenz zu sorgen. 

     

    Der Stillstand der Abteilung ist auf das von Zerzer verantwortete Raumordnungsgesetz von 2018 zurückzuführen.

     

    Ich staune über die Frauen in der Landesregierung, Pamer und Amhof, die offensichtlich nicht den Mumm hatten, einer Geschlechtsgenossin, der Unrecht getan wird, den Rücken zu stärken, trotz sonstiger Beteuerungen von Frauensolidarität (dass die ehemalige Gleichstellungsrätin Michela Morandini Pamers Ressortdirektorin ist, hat sich jedenfalls nicht bemerkbar gemacht). Die sich gefügt haben, anders als eine Ulli Mair, die sich zumindest enthalten hat und sich nicht scheut, aufzuzeigen, dass der Stillstand der Abteilung auf das von Zerzer verantwortete Raumordnungsgesetz von 2018 zurückzuführen ist.

  • Ich staune über den LH, der sich im sicher wohlverdienten Urlaub befindet, aber nun mal auch in Badehose LH bleibt.

  • Ich staune über den LH, der sich im sicher wohlverdienten Urlaub befindet, aber nun mal auch in Badehose LH bleibt – das Amt lässt sich nicht abstreifen – und den Wirbel, den Zerzers Ernennung hervorruft, mit keinem Pieps bedenkt. Als gelte es, die Sache bloß auszusitzen, als wäre er nicht Vorsitzender der Landesregierung, die hier agiert, als ginge es nur darum, eigene Bequemlichkeiten (eine händelbare Abteilung) umzusetzen und nicht darum, dem Wohl des Landes zu dienen.

    Ich staune weiters über einen Christian Bianchi, der sich zwar ebenso wie Mair bei der Ernennung Zerzers enthalten hat, sich für eine Würdigung von Bussadoris Verdienste stark gemacht hat, aber gleichzeitig zu Protokoll geben ließ, die Raumplanerin könne sich ja um eine Führungsposition in den noch freien Abteilungen für italienische Kultur, Vermögen und Mobilität bewerben  – ganz so, als wäre alles nur ein lustiges „Bäumchen wechsel dich“-Spiel, in dem es nicht darum, geht, zum Wohl der Allgemeinheit die fähigsten Kandidaten an die richtigen Hebel zu bringen, sondern um ein Postenkarussell zur Befriedigung persönlicher Eitelkeiten und ökonomischer Interessen. 

    Ich staune aber auch, und endlich wird es erfreulich in dieser garstigen Geschichte, über die Entrüstung der Zivilgesellschaft, die sich diesen Schachzug nicht gefallen lassen will. Die ihrer Empörung Luft gemacht hat, in Gesprächen und in Kommentaren, die Unterschriften gesammelt hat, die, quer durch das Spektrum politischer Gesinnung, das Bedürfnis hat, ihren Unmut auszudrücken und Konsequenzen fordert. Man hat nicht auf sie gehört; man hat das Ganze durchgezogen, als ginge es nur die Landesregierung alleine etwas an, was mit unserem Land passiert. Möglicherweise hat man mit diesem Akt der Präpotenz den Bogen überspannt – und wird selbst ins Staunen kommen.