Cultura | N.C. Kaserpreis 2025

Poesie als Heimat

Der 19. N.C. Kaserpreis-Träger heißt Nikola Madžirov aus Nordmazedonien. Vor wenigen Tagen fand die Verleihung in Lana statt. Die Laudatio kam von Michael Krüger.
Literatur Lana
Foto: Ulrich Egger
  • „Liebe Lanaenser“, begrüßte Michael Krüger zur Preisverleihung des N.C. Kaserpreis am 3. Juni 2025 das Publikum. Der Verein der Bücherwürmer verlieh ihn zum 19. Mal, diesmal an den Dichter Nikola Madžirov aus Nordmazedonien. Mit dem Laudator Krüger und dem Übersetzer Alexander Sitzmann feierte Literatur Lana im Schallerhof einen Dichter, „der zu den einprägsamsten Stimmen Europas gehört“
    Gedichte seien heute für viele nur noch Kuriositäten, die von wenigen gelesen werden, meinte Krüger. Sie würden eine fast unsichtbare Restgröße darstellen, denn „die wenigen Menschen, die ein Gedicht lesen, sind keine Minderheit, sondern bestenfalls ein Rest, eine kaum mehr wahrnehmbare Beimischung.“ 
     

    Beide Gedichte, so unterschiedlich sie erscheinen mögen, eint ein sprechendes Ich, das sich in einer Welt orientiert – ein Ich, das Haltung zeigt. 

  • An die "Lanaenser": Kaserpreis-Laudator Michael Krüger ist ein deutscher Schriftsteller, Verleger und Übersetzer. Er blickt auf eine lange Karriere als Lektor und Verlagsleiter zurück, vor allem im Carl Hanser Verlag. Krüger ist auch Dichter und Romancier und hat über 40 Bücher veröffentlicht, darunter Gedichtbände, Kurzgeschichten, Romane und Übersetzungen. Foto: Literatur Lana

    Während die Gesellschaft auf Klarheit, Normierung und Verständlichkeit drängt, sei das Gedicht das Gegenteil: es widersetze sich der Eindeutigkeit, unterlaufe sie sogar. Es sei keine Anleitung, kein Gesetzestext, keine Gebrauchsanweisung – sondern ein Ort der Offenheit und Vieldeutigkeit, so Krüger. In dieser „Verweigerung der Klarheit“ liege seine Stärke. Der Dichter selbst wisse oft nicht genau, was er mitteilen möchte – dennoch schreibe er. „Vor fast 50 Jahren, als unser Preisträger gerade auf die Welt gekommen ist“, erzählte Krüger, habe er einmal mit seinem Freund Hans Bender einen Band mit dem Titel Was alles hat Platz in einem Gedicht herausgegeben, „um die Haken, die das Gedicht geschlagen hat, um seinen Untergang zu entkommen, nachzuzeichnen. Sie waren beträchtlich.“ Das Gedicht habe noch „halbwegs ungeschoren“ das 19. Jahrhundert überlebt, betone Krüger, es habe sich im 20. Jahrhundert „tausenderlei Masken zulegen“ müssen, um „als immer Neues zu verblüffen.“ 
     

    Die Wurzeln seines Zunamens bedeuten so viel „wie Mensch ohne Heimat“.


    Nikola Madžirov, in Strumica geboren, einer Stadt an der Grenze zu Bulgarien, sei „mit antiken byzantinischen und osmanischen Einflüssen, mit uralten Nekropolen und mittelalterlichen Klöstern, eine Stadt des Balkans par excellence“, schwärmte Krüger. Nikolas Familie wurde während der Balkankriege abgeschoben. Die Wurzeln seines Zunamens bedeuten so viel „wie Mensch ohne Heimat“. Doch Nikolas Heimat sei „die Poesie.“ 
    Krüger stellte unmittelbar vor der Lesung des Preisträgers zwei Gedichte exemplarisch vor. Das erste stammte von Nikola Mazirov, das zweite Gedicht war der 101. Psalm. Beide Gedichte, so unterschiedlich sie erscheinen mögen, eint ein sprechendes Ich, das sich in einer Welt orientiert – ein Ich, das Haltung zeigt. Abschließend meinte Krüger: „Ich breche hier ab, damit Sie nicht denken, in eine Bibelstunde geraten zu sein.“
     

    Die Laudatio für Nikola Madžirov:

  • Audioquelle: Literatur Lana

  • Nikola Madžirov und Übersetzer Alexander Sitzmann: Deswegen sage ich auch eher selten, dass ich Schriftsteller bin und lieber ich bin jener, der schreibt. Foto: Ulrich Egger
  • Nikola Madžirov ist Dichter, Herausgeber und Übersetzer und gern gesehener Gast auf internationalen Literaturfestivals. Er ist u.a. Träger des Hubert-Burda-Preises für europäische Poesie und war Stipendiat an der University of Iowa sowie im Literatur-Raum in Berlin. Seine Werke – in mehr als vierzig Sprachen übersetzt – waren Basis für Kompositionen des Jazzkomponisten Oliver Lake, der u. a. bereits mit Björk und Lou Reed gearbeitet hat. Madžirovs Remnants of Another Age ist auf Deutsch unter dem Titel Versetzter Stein bei Hanser erschienen.