Cultura | Bühnenstück

Zur Vatertat!

Bis Ende des Monats läuft bei den Vereinigten Bühnen Bozen das Stück „Die Entführung der Amygdala“. Es hält den Spiegel vor – Müttern, Vätern und Kinderlosen.
Theo Kortschak
Foto: Theo Kortschak
  • Noch kein Geschenk zum Vatertag, liebe Kinder und Mütter? Wie wäre es mit einem Gutschein für einen Theaterabend? Ab dem (heutigen) 19. März nimmt das Stück Die Entführung der Amygdala, das vergangenes Wochenende Premiere feierte, wieder Fahrt auf. Es läuft bis einschließlich 28. März auf der Probebühne im letzten Stock, im „Kopf“ des Stadttheaterbaus von Marco Zanuso.
    Wie bereits 2019 bei Im Treibsand – Loslassen (Autorin: Edith Moroder), dem Stück über Demenz, geht es auch diesmal um das Innere des Schädels. Also weniger um Äußerlichkeiten, Schönheits-OP-Schnippschnack oder Jungbrunnengetue. 
    Das Theaterstück der im Wipptal aufgewachsenen und mittlerweile im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreichen Bühnenautorin Anna Gschnitzer kreist um die Amygdala – um Gedächtnisinhalte, die manchmal kaum auszuhalten sind. Die erdachte Amygdala wird von der mehrfach gefeierten Schauspielerin Barbara Romaner verkörpert. Autorin und Schauspielerin waren bereits 2023 mit Produktionen bei den Vereinigten Bühnen Bozen vertreten: Anna Gschnitzer mit ihrem verstörend düsteren Fanes und Barbara Romaner im Rahmen der Aufführung Monte Rosa. Nun treffen beide Mütter – unter der Regie von Nele Lindemann – im „Haupt“ des Bozner Stadttheaters aufeinander.
     

    Seit der Geburt deiner Kinder arbeitet, der Teil in deinem Gehirn, der für Sorge, für Verantwortung, für Angst zuständig ist, also die Amygdala, it’s me! auf Hochtouren. Die Amygdala deines Mannes hingegen chillexed vergleichsweise ab. Faules Aas! Ist natürlich nicht bei allen Vätern so.
    [aus: Die Entführung der Amygdala]

  • Video und Bühnenspiel: Barbara Romaner hat einiges auszuhalten. Bis... Foto: Theo Kortschak

    Mit dem Aufzug geht es vom Parterre des Schauspielhauses direkt ins Gehirn des Theaterraums. Barbara Romaner eilt als farbenfroh gekleidete, mit Schnauzbart versehene Amygdala dem Publikum entgegen, schüttelt Hände, verteilt Papierrollen, die sich wie weiße Bänder durch die Sitzreihen schlängeln – und auf die Angstnotizen von den Zuschauerinnen und Zuschauer geschrieben werden. Wer outet schon gerne seine Ängste? Wer spricht ganz offen über Kontrollverlust, Höhenangst, Klaustrophobie oder die Angst vor dem wieder aufkeimenden Faschismus? Pfff. Amygdala wird’s schon richten.
    In der fulminant aufgeladenen ersten Stückhälfte – u. a. mit viel Video- und Smartphone-Effekten – ist die Bozner Bühnenfassung dicht, erschreckend hastig und nah am echten Leben gezeichnet. Ältere Semester mögen beim Anblick der Amygdala auf der Bühne an den Moderator und Entertainer Hans-Joachim Kulenkampff denken – oder ist das vielleicht nur ein neurologischer Fauxpas des eigenen Kopfes? Vorgestellt wird außerdem die ziemlich beste Freundin: die (für die Videoeinspielung) KI-generierte Connie, „die sich ganz bewusst entschieden hat, kinderfrei zu leben.“ Sie führt ein Wow-Leben. Vielleicht aber auch nur auf Insta?
     

    Und wir wurden zu einem riesigen, überdimensionalen Kartoffelbreimonster, kugelten uns am Boden und konnten nicht mehr aufhören zu lachen …

  • Foto: Theo Kortschak

    In weiteren Einblendungen begleiten Publikum und die flott entertainende Amygdala die eilige Protagonistin am Fahrrad durch eine alltägliche Stresssituation und den Straßenverkehr. Alles multipliziert sich und endet in einem Crash ohne Helm an der Stoßstange eines SUVs. Auch das noch!
    Die verunfallte Frau landet auf einem anderen Planeten. „Fuck, ich wäre fast gestorben vor Schreck“, meint eine sichtlich erleichterte Barbara Romaner im watteweißen Bühnenoutfit. Endlich keine schnöden Effizienzforderungen, keine Kinderlast, kein Gatte mit Meeting-Krawatte, keine Pseudo-Freundlichkeit des Chefgockels im Betrieb.
    Nach vielen Narben, märchenhaften Aliens, Kapitalismus (DELETE!), Patriarchat (DELETE!) und einer sympathisch eingebauten anarchischen Kartoffelbreischlacht-Erinnerung wird plötzlich alles langsam. Der rund einstündige Monolog neigt sich dem Ende. Man glaubt sich erleichtert. Aber vielleicht ist es nur eine amygdalaische Täuschung. Schön wär`s. „Schön“ war`s!

  • Infos und Tickets

    19.03.2025 um 19.30 Uhr
    20.03.2025 um 19.30 Uhr
    22.03.2025 um 19.30 Uhr
    23.03.2025 um 18.00 Uhr
    25.03.2025 um 19.30 Uhr
    26.03.2025 um 19.30 Uhr
    27.03.2025 um 19.30 Uhr
    28.03.2025 um 19.30 Uhr