Wozu das ganze Theater?
Wer am vergangenen Freitag die Debatte im Regionalrat mitverfolgte, konnte den Eindruck haben, die Herren Abgeordneten hätten mit einer Woche Verfrühung den Fasching eingeleitet. Über den Inhalt von Sepp Nogglers Gesetzesentwurfs für eine neue Wahlordnung für Bozen wurde in der knapp 20 Stunden dauernden Diskussion kaum mehr gesprochen. Vielmehr spielten sich die turbulenten Szenen rund um die Vorgehensweise ab, mit der der Entwurf am Samstag Morgen um 6.19 Uhr mit 39 Ja, 3 Nein bei 6 Enthaltungen schließlich und endlich genehmigt wurde. “Peinlichste Szenen im Regionalrat. Ich glaub ich bin im falschen Film. Oder im falschen Beruf”, meldete sich der Movimento-5-Stelle-Abgeordnete Paul Köllensperger um 2.48 Uhr am Samstag auf Facebook zu Wort. “Diese Obstruktion hat das Bild der Politik in der Öffentlichkeit kaputtgemacht und das negative Image untermauert”, zeigte sich Regionalrats-Vizepräsident Thomas Widmann im Tageszeitung-Interview sicher. Von einem “unwürdigen Schauspiel” und einer “inflationären Instrumentalisierung” sprach Brigitte Foppa von den Grünen bereits um 15.45 Uhr am Freitag Nachmittag auf Twitter. Sie war dann neben Alessandro Urzì (Alto Adige nel Cuore) auch die einzige, die im Laufe der Artikeldebatte auf einen Punkt hinwies, der im Zuge der lauten und teils unverständlichen Geräuschekulisse beinahe untergegangen wäre.
Consiglio regionale...ah ah ..espulsi per tumulti!!!per aver gridato in faccia al presidente che guidava l aula che le...
Pubblicato da Claudio Civettini su Sabato 30 gennaio 2016
Claudio Civettini (Civica Trentina) wurde gemeinsam mit Andreas Pöder Samstag Früh des Saales verwiesen.
Mit einem Ersetzungsantrag hatte es Sepp Noggler nämlich geschafft, die umstrittene Aufstockung der Ausschüsse bei vollem Gehalt für deren Mitglieder in allen Gemeinden Südtirols wieder auf den Tisch zu bringen. Bisher war es so gewesen, dass bei einem zusätzlichen Ausschussmitglied die restlichen Referenten auf ein Teil ihrer Entlohnung verzichten mussten. Die Erweiterung der Gemeindeausschüsse um einen Referenten und die Aufstockung der finanziellen Ressourcen dafür war bereits im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen gewesen. Noggler hatte den entsprechenden Passus allerdings nach Protesten vonseiten der Opposition zurückgezogen. Am Freitag lag er dann plötzlich wieder vor, mit der Auflage, dass die Entscheidung – Aufstockung, ja oder nein – einer jeden Gemeinde selbst überlassen bleibt. “Die Erweiterung der Gemeindeausschüsse bei voller Amtsentschädigung ist gegen die Abmachungen”, kritisierte Urzì. Foppa verlangte eine separate Abstimmung über diesen Punkt, was allerdings abgelehnt wurde.
Was in Sepp Nogglers Wahlgesetz für Bozen enthalten ist:
- 3-Prozent-Hürde für einzelne Parteien und Listen
- 7-Prozent-Hürde für Koalitionen
- 2,2-Prozent-Hürde für einzelne Listen und Parteien einer Koalition
- keine Restmandate mehr
- Aufstockung des Gemeindeausschusses um ein Mitglied, bei vollem Gehalt für alle Referenten (gilt für ganz Südtirol)
Doch auch abseits des Regionalrats sorgt der Schachzug Nogglers für Unverständnis und Kritik. “Das neue Gemeindewahlrecht, das am Samstag verabschiedet wurde, ist ein Skandal: Damit verdienen ab sofort alle Bürgermeister und Referenten wieder erheblich mehr Geld als bisher”, zeigen sich Alois Pirone und Hansjörg Kofler vom Forum Politikerrenten entsetzt. Sie stellen sich die Frage, wo das versprochene Sparen geblieben sei. Die SVP habe erneut bewiesen, dass es ihr “nur darum geht, Postenschacher zu betreiben und Geld zu verteilen”. Montag Früh meldet sich dann auch einer zu Wort, von dem man hätte meinen können, er habe gar keine mehr übrig: Andreas Pöder. Nach seinem verbalen Kraftakt des “Widerstands” im Regionalrat kündigt er an, diesen “an anderer Stelle” weiterführen zu wollen. Stundenlang hatte Pöder auch bei ausgeschaltetem Mikrofon seine Abänderungsanträge im Regionalrat verlesen, bis er schließlich zusammen mit dem Trentiner Abgeordneten Claudio Civettini (Civica Trentina) des Saales verwiesen wurde. Am Beginn der neuen Woche spricht Pöder von einer “Schlacht”, die er im Regionalrat geschlagen habe. Von Reue ob seines viel kritisierten Obstruktionismus’ keine Spur. Im Gegenteil, Pöder sieht sich bestätigt: Er habe viele Bürgerzuschriften bekommen, die klar bewiesen, dass viele “erst jetzt” verstanden hätten, “welche Sauerei die SVP im Regionalrat beschlossen hat”. Die Volkspartei habe einer “medialen und politischen Koalition der Willigen Sand in die Augen gestreut” und “unter dem Deckmantel der Bozner Gemeinde-Stabilität ein maßgeschneidertes Wahlgesetz sowie neue Postenschacher gezimmert”.
Auch wenn die Diskussionen um das neue Bozner Wahlgesetz (noch) nicht abgeebbt sind, fest steht, dass die Wahlberechtigten der Landeshauptstadt im Frühjahr mit neuen Regeln wählen gehen. Aller Voraussicht nach werden sie das am 22. Mai tun. Laut Indiskretionen soll man sich auf dieses Datum verständigt haben. Die offizielle Verkündung des Wahltermins muss der Präsident der Regionalregierung Ugo Rossi vornehmen.