Auftakt für den ersten Bürgerhaushalt
Bürgerhaushalt nennt sich dieses Verfahren, das erstmals 1989 im brasilianischen Porto Alegre zum Einsatz kam und inzwischen in über 300 Kommunen Europas, von der Kleingemeinde bis hin zu Köln, Stuttgart, Berlin, mit Erfolg praktiziert wird. In einem geregelten, von der Gemeinde getragenen Verfahren können sich Bürger und Bürgerinnen am Haushaltsvoranschlag des Folgejahrs beteiligen, und zwar in Bürgerversammlungen, per Post und online. Die sperrige Materie der Gemeindefinanzen wird erläutert, der Verlauf des Beteiligungsverfahrens erklärt und dann sind alle aufgerufen, Vorschläge für neue Projekte und Vorhaben der Gemeinde einzubringen. In Zeiten etwas rückläufiger Gemeindeeinnahmen sind auch Vorschläge für Einsparungen erwünscht. Da finanzielle Fragen in Italien von jeder Art von Volksabstimmung ausgeschlossen sind, bietet dieses Instrument einen „deliberativen“ Ersatz an, als Verfahren zum Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft, wobei die Letztentscheidung dem Gemeinderat verbleibt.
Dieses Verfahren hat die Gemeinde Mals in der Satzung verankert (Art. 39, Abs.4) und wendet es jetzt für den Haushaltsvoranschlag 2017 erstmals an. „Wir haben versprochen, euch dieses Instrument zur Verfügung zu stellen,“ schreibt der Malser Bürgermeister Ulrich Veith in der offiziellen Broschüre, „jetzt halten wir Wort. Der Bürgerhaushalt wird heuer zum ersten Mal durchgeführt, eine Première fürs ganze Land.“ Diese Broschüre erhielten alle Malser Bürger im August zugestellt. Bei der Auftaktveranstaltung am 1. September im Malser Kulturhaus hielt sich der Andrang allerdings in Grenzen. Vielleicht können sich auch im demokratieinnovativen Mals noch zu wenige Menschen vorstellen, dass man als einfacher Bürger tatsächlich bei dem Gemeindefinanzen mitreden kann.
Dabei geht es beim Bürgerhaushalt vor allem um Vorschläge für neue Investitionsvorhaben der Gemeinde. Die politische Kreativität aller ist jetzt gefragt. Drei Wochen (Abgabetermin 24.9.2016) haben die Malser jetzt Zeit, der Gemeinde kurz gefasst Projektideen vorzulegen. Diese werden dann von einer pluralistisch besetzten Bürgerjury auf ihre rechtliche, technische und finanzielle Machbarkeit hin begutachtet und dann zur Schlussabstimmung zugelassen (oder auch nicht). Bei der abschließenden Bürgerversammlung vom 21. Oktober 2016 stellen die Einbringer ihre Projekte selbst vor und alle Teilnehmerinnen können live darüber abstimmen. Die Abstimmung per Wahlkarte geht dann noch eine Woche weiter. Am Ende erhält die Gemeinde eine Prioritätenrangliste von Bürgervorschlägen, die sie bei der Haushaltserstellung (Ausschuss) und bei der Verabschiedung (Gemeinderat) zu berücksichtigen hat. Als Mindestsumme für die Verwirklichung der bestbewerteten Bürgervorschläge hat BM Veith 200.000 Euro fix zugesagt, doch wenn die Projekte politisch überzeugen, kann der Aufwand dafür auch weit darüber hinausgehen.
Beim Geld wird die Politik konkret und die Gemeindefinanzen speisen sich aus dem Steuergeld der Bürger. Diese können beim Bürgerhaushalt jetzt erstmals direkt an einem Prozess mitwirken, der in der Regel nur ganz wenigen Fachleuten der Gemeinde vorbehalten bleibt. Begleitet wird dieses Verfahren von POLITiS, das 2013 eine Broschüre zum Thema herausgebracht hatte, sowie von der Fakultät für Design der Universität Bozen. Mehr Information, Transparenz, Verständlichkeit des Gemeindehaushalts ist angesagt als Voraussetzung, sich als Normalbürger aktiv in die Gestaltung der Gemeindefinanzen einzubringen. Mals geht auch hier ein neuen Weg.