Politik | Team K

Pauls „Lebensraumabgabe"

Paul Köllensperger will eine verpflichtende Lebensraum-Abgabe für Touristen einführen, die dann wie der österreichische Klimabonus direkt an die Bevölkerung ausgezahlt werden soll. Noch bevor der Vorschlag in den Landtag kommt, winkt Arno Kompatscher aber ab.
Köllensperger
Foto: Köllensperger
  • In Zeiten der massenhaften Kritik am Tourismus suchen viele Expertinnen und Experten nach neuen Arten, wie Tourismus gelebt werden kann. Die renommierte Tourismusforscherin Signe Jungersted aus Kopenhagen beispielsweise ist der Meinung, dass man sich die Frage stellen sollte, was der Tourismus für die lokale Bevölkerung tun kann und nicht umgekehrt.
    In Südtirol ist der Landtagsabgeordnete des Team K, Paul Köllensperger, bekannt dafür, das Tourismussystem mit einem kritischen Auge zu betrachten. Köllensperger und seine Partei bemängeln dabei genau das, was Jungersted vorpredigt: Die Südtiroler Bevölkerung ziehe zu wenig Vorteile aus dem Tourismus. Der Abgeordnete wünscht sich einen direkteren Mehrwert für die lokale Gesellschaft, vor allem für all jene Bürger, die nicht direkt vom Tourismus profitieren, aber unter den indirekten Folgen, wie den steigenden Wohnkosten oder dem Verkehr, zu leiden haben.

    Um seine These zu untermauern, weist Köllensperger auf eine Studie des Kompetenzzentrums für Tourismus und Mobilität der Freien Universität Bozen und des Tourismusressorts Südtirol von 2023 hin. Diese besagt, dass nur 36 Prozent der Bevölkerung sich eher positiv, positiv oder sehr positiv vom Tourismus betroffen fühlen, obwohl 67 Prozent eine positive Wirkung auf die Wirtschaft erkennen. Köllensperger kritisiert vor allem die Gemeindeaufenthaltsabgabe (Ortstaxe), die mit 1,50 bis 2,50 Euro zu niedrig sei. Ähnlich tourismusintensive Regionen wie Venedig oder Florenz verlangen eine Ortstaxe von 4 bis 5,5 Euro pro Nacht, Venedig zusätzlich 5 Euro Eintritt. In Amsterdam verhält sich die Abgabe prozentual zum Zimmerpreis. In keinem dieser Tourismusorte sind deshalb die Besucherströme abgebrochen.

  • Ranui Kirchlein in Villnöss: Einer der Südtiroler Hotspots Foto: Thomas Benedikter
  • Dabei wäre für Köllensperger vor allem ein Kippen der Stimmung in der Bevölkerung gegenüber dem Tourismus zu verhindern.

    Auf einer Pressekonferenz stellte das Team K deshalb am Dienstag einen Beschlussantrag vor, den man im Landtag eingebracht hat. Die Oppositionspartei fordert darin neben der bereits bestehenden Ortstaxe, für Touristen eine verpflichtende Lebenswelt- oder Lebensraum-Abgabe  einzuführen. Das Geld soll dabei für die Verwendung des Lebensraums der Südtiroler Bürger, der Allgemeinheit, zukommen. 
    Diese Abgabe könnte kostenlose öffentliche Dienstleistungen finanzieren, zum Beispiel den ÖPNV oder wie der österreichische Klimabonus, direkt an die Bevölkerung ausgezahlt werden“, erklärte Paul Köllensperger.  

     

    „Bei 36 Millionen Nächtigungen würde diese Abgabe 300 Millionen jährliche Einnahmen generieren. Das wären 600 Euro jährlich für jeden Südtiroler Bürger oder 50 Euro pro Monat.“

     

    Die Abgabe wäre proportional zum Nächtigungspreis und an Gemeinde und Saison anzupassen, könnte dabei aber, so Köllensperger, bei 36 Millionen Nächtigungen 300 Millionen jährliche Einnahmen generieren. Das wären 600 Euro jährlich für jeden Südtiroler Bürger oder 50 Euro pro Monat. Sein großes Vorbild dabei ist der österreichische Klimabonus zum Ausgleich der CO2-Steuer, der ohne Antrag auf die Konten der Bürger überwiesen wurde.

    Der Klimabonus wurde nicht auf die finanzielle Situation der Rezipienten angepasst, das ist dem Landtagsabgeordneten deshalb ein Anliegen, da es einen niedrigen bürokratischen Aufwand generieren würde. Auch die Diskussion zwischen verschieden touristisch geprägten Gemeinden könne so eingedämmt werden.

    An eine Abschwächung der Touristenströme durch die Maßnahme glaubt Köllensperger nicht, ihm geht es eher um einen direkteren Ausgleich für die Südtiroler Bürger.

  • Kompatschers Nein

    Unmittelbar nach der Vorstellung des Team-K-Beschlussantrages wurde Landeshauptmann Arno Kompatscher auf der Pressekonferenz der Landesregierung zur Forderung von Paul Köllensperger befragt. Kompatscher stellte dabei unmissverständlich klar, dass die SVP-Fraktion den Antrag im Landtag ablehnen wird. 
    Der Landeshauptmann wies darauf hin, dass ohne den Tourismus die Infrastruktur und der öffentliche Personennahverkehr nicht derart gut ausgebaut wären, also bereits jetzt vom Tourismus mitgetragen werden.

  • Landeshauptmann Arno Kompatscher: Nein zum Köllensperger-Vorschlag. Foto: LPA/Fabio Brucculeri
  • Kompatscher hält es für eine einfache, weil populäre Lösung die „Touristen zahlen zu lassen“ und weist darauf hin, dass es Übertourismus nicht überall und im ganzen Jahr gäbe und dass die rosigen Zeiten für den Tourismus auch jederzeit enden könnten. Der Landeshauptmann sagt wörtlich, dass er Köllenspergers Vorschlag für „unseriös“ halte.
    Etwas anderes wäre auch nicht zu erwarten gewesen. 

Bild
Profil für Benutzer Johannes Engl
Johannes Engl Di., 05.11.2024 - 19:44

Man kann nicht alles mit Geld kompensieren. So sind die 600 Euro im Jahr zim Beispiel jenen Menschen wurst, wenn an deren Haus täglich viele laute Motorräder vorbeidonnern. Diese gesundheitlich bedenkliche Lärmbelästigung kann man halt nicht mit Geld ungeschehen machen. Solche Beispiele gibt es viele.
Es müssen somit zuerst die ekklatantesten Missbräuche und Ungerechtigkeiten abgestellt werden, die von rücksichtslosen Touristen (und auch Einheimischen) verursacht werden.
Dann wird auch der Tourismus wieder mehr Akzeptanz finden.

Di., 05.11.2024 - 19:44 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Christian I
Christian I Di., 05.11.2024 - 21:13

Antwort auf von Johannes Engl

Super ausgedrückt!! Seit Jahre beklagen sich immer mehr Bürger über diese laute Motorräder die kilometer weit den ganzen Tag über stören. Und trotzdem, NICHTS bewegt sich, nichts! Fangen wir mal dort an aufzuräumen bei "Urlauber" die wirklich niemand braucht: noisy bikers go home!

Di., 05.11.2024 - 21:13 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Michael Kompatscher
Michael Kompatscher Di., 05.11.2024 - 19:52

Als Südtiroler erlebe ich – wie fast alle Einwohner – die Auswirkungen des Tourismus unmittelbar. Die aktuelle öffentliche Diskussion, vor allem um den Begriff „Overtourism“, bereitet jedoch Sorge. Schließlich ist ein erheblicher Teil der Südtiroler Bevölkerung auf den Tourismus angewiesen. Ein pauschal negatives Bild dieses Wirtschaftszweigs könnte langfristig gravierende Folgen für unsere Region haben.

Die Art und Weise, wie manche Tourismus-Lobbyisten das Thema angehen, halte ich allerdings für wenig zielführend. Statt einer offenen Debatte über Lösungsansätze, die das Miteinander von Einheimischen und Touristen fördern, hört man viel von „Verteilungsproblemen“ und von Marketingstrategien wie der künstlichen Unterteilung des Frühlings in verschiedene „Randsaisonen“ – voll von pseudo-wissenschaftlichem Marketingsprech. Dabei ließen sich durch mehr Empathie und gezielte Maßnahmen die Belastungen und der Ärger vieler Südtiroler zumindest ein wenig reduzieren.

Hier einige Vorschläge:
Gebäudeimmobiliensteuer (GIS) für Kurzzeitvermietung erhöhen:Die Steuer für kurzfristige Vermietungen (wie Airbnb) sollte stark erhöht werden, während sie für langfristige Mietverhältnisse auf null reduziert wird. Dies würde den Wohnungsmarkt entlasten und langfristig die Lebensqualität der Bevölkerung verbessern.

Abschaffung der Gästekarte:Es ist für Einheimische oft schwer nachvollziehbar, dass Touristen viele kulturelle Angebote kostenlos nutzen können, während sie selbst dafür bezahlen müssen. Eine konsequente Entscheidung wäre nötig: Die Gästekarte sollte ausnahmslos abgeschafft werden. Ein kostenloses Museum wird oft weniger wertgeschätzt.

Vorrangspuren im öffentlichen Nahverkehr:Für Berufspendler sollte es bevorzugte Spuren im öffentlichen Nahverkehr geben. So ist die Rittnerbahn im Sommer für viele, die zur Arbeit müssen, kaum nutzbar, da sie von Touristen stark frequentiert wird. Eine Priorisierung könnte hier spürbare Entlastung bringen – anstatt darüber monatelang zu diskutieren.

Keine Ausweitung der Tourismuszonen:Anstatt neue Flächen für den Tourismus zu erschließen, sollte der Fokus verstärkt auf der Nutzung bestehender Gebäude und Gebiete liegen. Damit wäre ein „Bettenstopp“ nicht notwendig, und auch jungen Unternehmern, die nicht aus Hotelierfamilien stammen, stünde eine Perspektive offen.

Verzicht auf neue Seilbahnen und Aufstiegsanlagen im UNESCO-Welterbe:.Der Bau neuer Anlagen und der Verkauf von Grundstücken an private Investoren in diesen sensiblen Gebieten sollten verboten werden, um die einzigartige Natur und Kultur Südtirols zu schützen. Tourismus lebt von der Natur und den Menschen – warum sollten wir dann unsere größten Werte gefährden?

Mit gesundem Menschenverstand ließen sich viele bestehende Probleme lösen, und die Einstellung der Südtiroler zum Tourismus würde sich spürbar verbessern. Dies ist dringend notwendig, wenn wir weiterhin in Wohlstand und Frieden in unserer Heimat leben wollen

Di., 05.11.2024 - 19:52 Permalink
Bild
Salto User
nobody Di., 05.11.2024 - 20:01

Der Vorschlag von Hr. Köllensberger riecht populistisch. Der Kommentar von Michael Kompatscher zeigt ein paar interessante Lösungen auf. Das wäre schon ein brauchbarer Anfang.

Di., 05.11.2024 - 20:01 Permalink