Politik | SVP Bozen

"Noch ist nichts entschieden"

Dieter Steger über seine SVP, die Marschroute Richtung Neuwahlen, Wahlrechtsreform und Benko. Sein Vorsatz für die kommenden Wochen? Reden und reden lassen.

Die Weihnachtszeit ist bekanntlich jene Zeit im Jahr, in der es besinnlich zugehen sollte, alte Fehden vergessen oder zumindest beiseite gelegt werden sollten. Harmonische Stimmung schien auch in der Bozner SVP aufgekommen zu sein. “Innerhalb der Partei sind wir geeint”, sagte SVP-Stadtobmann Dieter Steger kurz vor den Feiertagen. Weihnachten ist vorbei. Inzwischen hat es zumindest nach außen hin den Anschein, als ob einzelne Parteimitglieder den SVP-Stadtobmann Lügen strafen wollten. So kündigte der bei den Wahlen vergangenen Mai zweitstärkste SVP-Kandidat Luis Walcher an, er könne sich durchaus vorstellen, die Gemeindepolitik zu verlassen. Sylvia Hofer, wie Walcher ehemalige SVP-Gemeinderätin, kritisiert im salto.bz-Interview offen die SVP-Bauernvertreter und wettert gegen Benko. Doch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen? Wohin ist das Bozner SVP-Schiff unterwegs? Welchen Kurs hat Steuermann Dieter Steger eingeschlagen?

Herr Steger, gehören die öffentlichen Schauläufe einiger Ihrer Parteimitglieder und die vorgebrachte Kritik noch zu der von Ihnen hoch gelobten Diskussionskultur in der Bozner SVP oder sind da bereits erste Austritte beziehungsweise Abspaltungstendenzen zu erkennen?
Dieter Steger: Schauen Sie, Sie wissen doch wie es vor anstehenden Wahlen ist: Die einzelnen Kandidaten versuchen, ihre eigenen Positionen auf den Punkt zu bringen. Sicher wäre es feiner, wenn gewisse Debatten zentralisiert ablaufen würden, aber es ist als Stadtobmann nicht meine Art, da dagegen zu steuern. Ich bin der Meinung, dass man die Diskussion laufen lassen muss. Solange sie nicht parteischädigend oder ein Frontalangriff auf eine Person ist.

Sie machen sich keine Sorgen, dass die Partei ins Schlittern gerät?
Überhaupt nicht. Es ist ja ein Phänomen der heutigen Zeit, dass Kandidatinnen und Kandidaten selbstbewusster werden und versuchen, ihre Standpunkte zu behaupten. Aus diesem Grund halte ich diese Diskussionen für sinnvoll und bin immer dafür, dass sie geführt werden können – auch außerhalb der Parteigremien. Es muss nur alles wie gesagt in einem gewissen Rahmen bleiben. Und bislang ist es das. Ich habe weder beim Luis noch bei Sylvia gesehen, dass sie andere Personen angegriffen hätten.

Ich würde gerne auf die Reduzierung der Anzahl der Gemeinderäte in Bozen beharren.

Kein Grund für eine Rüge?
Im Gegenteil, es ist ganz gut, dass erfahrene Leute wie die beiden, die wissen, wie der Hase läuft, offen Position beziehen. Ich sage da bestimmt nicht, das soll es nicht geben. Ansonsten wäre ich ja betriebsblind. Im Gegenteil, ich versuche die Leute zur Diskussion zu motivieren. Da finde ich absolut nichts Schlechtes dabei. Denn wichtig ist schlussendlich etwas anderes.

Was denn?
Wichtig ist, dass wenn wir uns dann den Wahlen stellen, ein schlagkräftiges Team aufzustellen vermögen. Die Betonung liegt dabei auf “Team” – es müssen nicht Leute sein, die die besten Freunde sind, sondern Leute, die korrekt und respektvoll miteinander umgehen.

Wird es die SVP schaffen, ein solches Team auf die Beine zu stellen?
Davon bin ich fest überzeugt. Denn ich frage mich schon, wie soll Bozen entwickelt werden, wenn die Volkspartei geschwächt wird? Als SVP mögen wir viele Fehler haben. Aber wir haben einen entscheidenden Vorteil: Wir stehen für Stabilität. Was wesentlich ist, wenn man etwas entwickeln will. Die SVP ist sicher ein Stabilitätsanker.

Der Wähler ist das Souverän und hat dir ein Ergebnis gegeben, mit dem du, Politiker, gefälligst zu arbeiten hast.

Die SVP hält dem zum Teil rauen Wind, der von anderen politischen Richtungen weht, stand?
Anders als Parteien, die enger aufgestellt sind und auch ihre Linie schärfer fahren können, müssen wir sicherlich viele Kompromisse schließen und mehr auf Konsens schauen, weil wir ein breites Dach haben, unter dem wir eine Vielzahl von Bevölkerungsgruppen versammeln wollen. Und ein zweiter Punkt, der uns ausmacht, ist unsere – zumindest relative – Berechenbarkeit. Bei der Volkspartei weiß man schon ungefähr, was man einkauft. Als eine Partei, die immer Regierungsverantwortung hatte, ist man berechenbarer als jemand, der marschieren und marktschreien kann. Das können wir nicht machen. Sondern wir werden uns bemühen, in programmatischen und personellen Fragen diese Berechenbarkeit in den Mittelpunkt zu stellen.

Wie passt die Hypothese, im Mai mit mehreren kleinen Edelweiß-Listen anzutreten, in dieses Berechenbarkeitsprofil hinein? Ist das kein Bruch mit der Volkspartei, wie man sie bisher kannte?
Wieso?

Das frage ich Sie.
Dass wir nun einen Gedanken an mehrere Edelweiß verschwenden, hat überhaupt nichts mit Unberechenbarkeit zu tun. Denn die Volkspartei ist immer die Volkspartei: Der Bürgermeisterkandidat ist einer und derselbe, die Gremien sind dieselben.

Das heißt, es wird die Mehrere-kleine-Edelweß-Variante?
Ich weiß heute noch nicht, ob wir mit einem oder drei Edelweiß antreten werden. Die Diskussion darüber wird derzeit parteiintern geführt. Und ich möchte, dass dies auf der Basis von Überlegungen erfolgt, die meiner Meinung nach mehr als berechenbar sind.

Wenn der Kommissär bis heute nicht unterschrieben hat, bedeutet das, dass er das Ganze rechtlich abchecken will.

Nämlich?
Die Überlegung hinter der Idee, mit mehreren Edelweiß anzutreten, ist folgende: In der Stadt Bozen gibt es ein paar Metathemen, die ein jeder kennt. Das sind die Umfahrungen, die großen Infrastrukturprojekte – Themen, die über die Stadt hinaus gehen. In den vergangenen Wahlkämpfen haben wir allerdings gesehen, dass wir über diese zwar wichtigen und entscheidenden Themen nur sehr schwer drüber kommen. Zugleich haben wir es aber kaum geschafft, uns mit den Problemen, die die Menschen vor der eigenen Haustür haben, zu beschäftigen. Diese Themen kommen immer zu kurz. Für die Bürgerin und Bürger sind diese aber oft wichtiger als jene Megathemen, die meist gar nicht in absehbarer Zeit umgesetzt werden.

Die SVP will über die kleinen Edelweiß zurück zur Basis?
Dadurch ist es einfacher, den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, wofür wir stehen und was wir wollen. Und wenn man sich Inputs holt, tut man sich anschließend leichter, weil man das Gefühl hat, die Leute stehen hinter dir. Andererseits, so eine zweite Überlegung, könnte es einfacher werden, Kandidaten zu motivieren, wenn man Listen auf Stadtviertelebene aufstellt.

Neben dem Für gibt es sicherlich auch ein Wider?
Was ich zum Beispiel kritisch sehe, ist folgendes: Ist diese Idee in einer kurzen Zeit dem Bürger vermittelbar? Da kann etwa als Grieser keinen Rentscher mehr wählen. Das ist ein Thema, das nicht zu unterschätzen ist und weshalb wir diese Diskussion auch führen und voraussichtlich innerhalb Februar zu Ende bringen.

Dabei wollen Sie auch die gesamte Bevölkerung mit einbeziehen.
Genau. In den Monaten Jänner und Februar möchten wir in den neun Ortsgruppen mit den Menschen in Dialog treten. Das wird die Phase sein, wo wir viel zuhören und ins Gespräch kommen wollen. Auf dieser Basis soll dann auch das Programm erweitert werden.

Noch ist nichts entschieden.

Neben der angestrebten Volksnähe gibt es aber dennoch jene Metathemen, die Sie angesprochen haben. Darunter das Benko-Projekt. Was halten Sie davon, dass Kommissär Michele Penta allem Anschein nach eine Volksbefragung durchführen will, bevor er eine eventuelle Entscheidung in der Sache trifft?
Dazu kann ich nur sagen, dass der Kommissär nicht auf Basis einer informellen Volksbefragung eine Entscheidung treffen wird. Denn mehr ist es ja nicht. Das, was der Kommissar vorhat, ist eine Umfrage, die nicht im Rahmen einer klassischen, rechtlich verbindenden Volksbefragung stattfinden kann. Und falls die Voraussetzungen gegeben sind, kann sie ihm bestenfalls bei seiner Entscheidung behilflich sein. Aber die ist auf Basis der rechtlichen Voraussetzungen zu treffen. Und da muss man erst sehen. Wenn der Kommissär bis heute nicht unterschrieben hat, bedeutet das, dass er das Ganze rechtlich abchecken will. Und dann obliegt es ihm – falls festgestellt wird, dass es möglich ist, in dieser Form vorzugehen –, eine informelle Umfrage zu machen.

Wir haben es kaum geschafft, uns mit den Problemen, die die Menschen vor der eigenen Haustür haben, zu beschäftigen.

Wären Sie selbst froh, wenn mit einem Entscheid durch den Kommissär das Thema Benko vom Tisch und damit aus dem Wahlkampf verschwindet?
Ich denke nicht in Kategorien wie “Ich wäre froh” oder “Ich wäre nicht froh” – das bringt nichts. Es ist ein bisschen wie in der Champions League wenn man sich bei der Auslosung wünscht, hoffentlich nicht auf Bayern München oder den FC Barcelona zu treffen. Was kommt, kommt. Und mit dem was kommt, wird man sich zu befassen haben. Mit einer geraden Linie und Rückhalt aus den eigenen Reihen, was wir auch machen werden. Für uns zählt, die Wahlen zu gewinnen und da befasse ich mich nicht damit, welche Themen kommen oder nicht kommen könnten. Was nicht heißt, dass man keine Antworten darauf parat haben muss.

Welche Antwort geben Sie auf die Frage, ob die SVP nun definitiv im Alleingang, also ohne Koalitionspartner, die Wahlen angehen wird?
Wir werden diese Sache, gleich wie die anderen, so breit als möglich diskutieren. Dazu dienen auch die Bürgerversammlungen. Wenn Sie mich fragen, ich bin heute der Auffassung, dass die Volkspartei – als zweitstärkste Partei in der Stadt – gut daran tut, einen eigenen Bürgermeisterkandidaten vorzuschlagen. Denn das aktuelle Wahlsystem verlangt eine Zusammenarbeit ja erst im zweiten Wahlgang.

Ich bin der Meinung, dass man die Diskussion laufen lassen muss.

Sie sind bekanntlich kein großer Fan des aktuellen Wahlsystems.
Persönlich halte ich ein reines Verhältniswahlsystem ohne Direktwahl des Bürgermeisters für Bozen besser. Aber dafür gibt es ja keine Mehrheit. Daher ist es früh genug, nach dem ersten Wahlgang zu überlegen, ob es die Möglichkeit gibt, mit irgendeiner Gruppierung zusammenzuarbeiten, um eine Mehrheit zu organisieren. Noch ist jedoch nichts entschieden. Und ich möchte nicht vorgreifen. Wir werden zu gegebener Zeit unsere Entscheidung auch der Öffentlichkeit erklären.

Daher ist wahrscheinlich auch die Frage nach Namen möglicher Kandidaten überflüssig?
Ja. Es gibt noch keine und wenn, dann würde ich sie auch nicht verbrennen wollen.

Dann zurück zum Wahlsystem: In knapp zwei Wochen, am 21. Jänner, steht der Gesetzentwurf von Sepp Noggler zur Abänderung der Wahlordnung in Bozen auf der Tagesordnung des Regionalrats. Wie groß sind die Chancen, dass er angenommen wird?
Das hängt davon ab. Wenn es radikale Änderungen im Wahlrecht geben soll, dann wird es nicht gehen. Wenn man hingegen wie der zuständige Regionalassessor einen Kompromiss sucht, dann ist es durchaus möglich, dass es über die Bühne geht. Einige Sachen, wie die prozentuellen Zugangshürden für Koalitionen und einzelne Parteien, sind außer Diskussion. Dort wird es auch keine Obstruktion geben. Jedenfalls wurde es von der politischen Opposition so vermittelt.
Für alles andere muss man sehen, ob jemand Obstruktion betreibt. Denn dann lassen es die gesetzlich vorgesehenen Zeiten nicht mehr zu, das System abzuändern. Um das Gesetz zu verabschieden, braucht es keinen Konsens, aber zumindest darf sich der Dissens nicht durch Obstruktion manifestieren. Der ja leider Gottes im Regionalrat ad eternum geführt werden kann.

Ich bin der Auffassung, dass die Volkspartei gut daran tut, einen eigenen Bürgermeisterkandidaten vorzuschlagen.

Sie selbst haben vor, einen Abänderungsantrag einzureichen, um doch noch die nicht unumstrittene Senkung der Anzahl von Gemeinderäten von 45 auf 35 zu erreichen?
Für mich ist das ein wichtiger Punkt. Und auch wenn ich dafür vor allem von den italienischen Gruppierungen kritisiert werde, bleibe ich dabei: Der Landtag ist ein demokratisch legitimiertes Parlament für 500.000 Menschen und hat 35 Mitglieder. Dann werden wohl – um Gottes Willen, Bozen hat ein Fünftel der Bevölkerung des ganzen Landes – 35 Räte für die ganze Stadt auch genug sein und genügend demokratische Legitimation geben? Davon bin ich zutiefst überzeugt. Wie ich der Meinung bin, dass sich der Aufwand für die Räte im Gemeinderat dadurch reduziert wird.

Inwiefern?
Die Arbeiten werden effizienter gestaltet. Wenn man weiß, wie heute die Redezeiten sind, wer wie oft seinen Senf dazu gibt und wie im Gegensatz zum Landtag wirklich alles zum Thema gemacht werden kann, dann macht es einen Unterschied, ob es zehn Mitglieder weniger sind. Heute ist Gemeinderat sein ja beinahe schon eine ehrenamtliche Tätigkeit. Und zwei Mal in der Woche Gemeinderatssitzung, dazu Kommissions- und Parteisitzungen – das ist bald ein Aufwand, der schon extrem ist. Für die paar hundert Euro Entschädigung. Ich glaube, dass eine Reduzierung von 45 auf 35 in diese Richtung zwar kein Allheilmittel, aber sicherlich ein Vorteil ist. Daher würde ich gerne darauf beharren. Ebenso wie auf einen zweiten Punkt, der mir wichtig ist.

Für uns zählt, die Wahlen zu gewinnen und da befasse ich mich nicht damit, welche Themen kommen oder nicht kommen könnten.

Die Abschaffung der Stichwahlen?
Richtig. Wenn jemand behauptet, diese bringe mehr Legitimation für den Bürgermeister, da muss ich nur lachen. Denn die Legitimation, die ein Bürgermeisterkandidat hat, die bekommt er im ersten Wahlgang. Weil er dort mit seiner Gruppierung, seiner Partei die Stimmen erhält. Im zweiten Wahlgang hingegen geht es oft ja nur mehr darum, zwischen Pest und Cholera zu entscheiden. Aber nicht zwischen der einen oder der anderen Top-Lösung.

Ohne Stichwahl wäre es auch für die SVP leichter, den eigenen Kandidaten auf den Bürgermeistersessel zu hieven…
Nein, das ist nicht mein Thema. Ich sage nur, dass sich ohne Direktwahl wahrscheinlich mehr Möglichkeiten eröffnen würden. Da wäre zum Beispiel auch nicht passiert, dass ein Gemeinderat aufgelöst werden müsste weil ein Bürgermeister sagt “Basta e avanza, me ne vado”. Sondern dann hätte man schauen können, ob es Mehrheiten gibt. Denn der Wähler ist das Souverän und hat dir ein Ergebnis gegeben, mit dem du, Politiker, gefälligst zu arbeiten hast. Ich glaube nach wie vor, auch wenn es schwierig ist, dass es kein besonders gescheiter Schritt ist, in einer Amtsperiode Neuwahlen herauf zu beschwören.

Rechnen Sie sich Aussichten auf Erfolg im Regionalrat aus?
Die Abschaffung der Stichwahl ist bereits in der Versenkung verschwunden. Für den Rest ist es so, wie ich vorhin geschildert habe: Wenn Obstruktion gemacht wird, kann der Steger sagen, was er will. Ich weiß heute nicht, was am Ende passieren wird.

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Salto User
Günther Alois … Fr., 08.01.2016 - 06:56

Wer interessiert sich überhaupt noch für die SVP mit Ihren Skandalen zB.Politikerrenten,SEL,Selbstbedienungsladen für total überzogene Gehälter,Spesenbeiträge plus zahlen wir den Herren die Beiträge der Renten auch noch,wo gibt es denn sowas? Hoffentlich erinnert sich der Südtiroler Wähler im Wahllokal,dieser genannten Dinge!

Fr., 08.01.2016 - 06:56 Permalink