Chronik | Verfassungsreform

“Darum sage ich nein”

Florian Kronbichlers Zustimmung zur Verfassungsreform wird Matteo Renzi nicht bekommen. Der Südtiroler Abgeordnete warnt vor langfristigen Folgeschäden.

In der Abgeordnetenkammer des römischen Parlaments steht heute, Montag, die entscheidende Abstimmung über die Verfassungsreform an. Umstritten sind die Pläne der italienischen Regierung nicht nur im Stiefelstaat selbst, sondern auch und vor allem in Südtirol. Während man in der SVP zwar eingesteht, dass die Verfassungsreform “mit ihrer zentralistischen Ausrichtung insgesamt in eine falsche Richtung geht”, werde man doch nicht dagegen stimmen. “Die Zustimmung der SVP in Rom ist einzig damit begründet, dass es im Zuge langwieriger Verhandlungen gelungen ist, die Schutzklausel für Südtirol weiter zu verbessern”, heißt es aus der Volkspartei. Auf die Unterstützung deren parlamentarischen Vertreter kann Matteo Renzi also zählen.


Nahendes Ende?

Die Stimme des einzigen deutschsprachigen Nicht-SVP-Parlamentariers hingegen wird er nicht bekommen. “Das Ergebnis [der Abstimmung über die Verfassungsreform, Anm. d. Red.] wird das Ende der bislang parlamentarischen, aufs Verhältniswahlrecht gegründeten und einigermaßen föderalistisch ausgerichteten Republik bedeuten. Die Parlamentsmehrheit hat sich dem Diktat von Ministerpräsident Matteo Renzi gebeugt”, kritisiert Florian Kronbichler am Tag der Abstimmung. Italien, so der Sinistra-Italiana-Abgeordnete, werde nach dieser Reform eine Verfassung haben, die den Regierungschef mit einer unkontrollierbaren Machtfülle ausstatte, “wie es sie in demokratischen Ländern vergleichbar nicht gibt”. Kronbichlers Befürchtungen: “Die Zuständigkeiten des vom Volk gewählten Parlaments werden entsprechend ausgehöhlt. Die mit der Verfassungsreform aus dem Jahr 2002 zaghaft in Gang gesetzte Föderalisierung des Staates wird wieder zurückgenommen. Wir werden einen autoritären, zentralistischen, der demokratischen Kontrolle weitgehend entzogenen Staat haben.”

Es gibt für mich keine gute Landesautonomie innerhalb einer schlechten Staatsverfassung. (Florian Kronbichler)


“Schutzklausel schützt nicht”

Dass die SVP-Parlamentarier die Reform in ihrer zentralistischen Ausrichtung genau so beurteilten, im Parlament jedoch zustimmen würden, ist für Kronbichler ein “offenkundiger Widerspruch”. Die Erklärung, dass man nur aufgrund der Schutzklausel die Zustimmung gebe, auch wenn deren Erwirkung ein Etappensieg auch der SVP sei, lässt der ehemalige Sel-Parlamentarier nicht gelten: “Der Begriff ‘Schutzklausel’ ist ein irreführender Euphemismus. Denn mehr als ein Schutz vor der Reform ist es eine Stundung von dieser.” Langfristig werde sich die Reform in ihrer “undemokratischen, zentralistischen und anti-autonomistischen Dynamik” auch auf Südtirol auswirken, ist Kronbichler überzeugt.

“Ich stimme deshalb mit Überzeugung gegen diese Verfassungsreform”, kündigt er auf eine etwas dramatische Art und Weise an: “Ich werde damit auf der Verliererseite stehen, aber mein Nein wird dennoch wichtig für Südtirol gewesen sein. Niemand soll je sagen können: Italien hat seine demokratische Verfassung verraten, und Südtirol war einstimmig mit dabei. Ich werde dagegen gewesen sein.” Und obwohl für den heutigen Montag die endgültige Abstimmung in der Abgeordnetenkammer ansteht, werden dieses Mal das letzte Wort nicht die Berufspolitiker in Rom haben. Für den Herbst ist ein Referendum geplant werden, bei dem das Volk über die Verfassungsreform abstimmen wird.