Kultur | Theater

Große Pläne

Das Stück "Der Traam" zieht wie ein "traveller" durch Südtirols kleine Theaterstätten. Es geht um Sesshaftigkeit und Wohnraum. Und Träumereien.
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Foto: Dekadenz
  • Seit Ende September tourt das Stück Der Traam durch Südtirol und macht nach der Premiere in der Dekadenz (Brixen) nun in der Carambolage in Bozen halt –  die Vorstellungen im Stadttheater in Bruneck und im Meraner Theater in der Altstadt werden noch folgen. Das „elektronische Musical über Liebe und Wohnen“ basiert auf einer Vorlage der Autorin und Dramaturgin Selma Mahlknecht, die seit Jahren in der Schweiz wohnt und von dort aus einen guten Blick über die Berge nach Südtirol hat. Regisseur und Schauspieler Dietmar Gamper hat sich der Vorlage angenommen und ein in der Tat heiteres Stück für die Bühne konzipiert, das in zwei Stunden rasant von einem Sofa zum nächsten führt. Möglich machen das vor allem Reinhilde Gampers spacig dargebotener Musikteppich, das einfach und schlüssig gehaltene Bühnenbild von Sara Burchia sowie die ins Ohr gehenden Songs von Simon Gamper. Sie lockern auf und machen die ganze Sache ziemlich heimelig. 

  • Rockt die Bühne (neben der Bühne): Reinhilde Gamper zaubert an E-Zither, Basszither, Sequenzer, Synthesizer und der Drum-Maschine. Foto: Dekadenz

    Um das "Heim", das Eigenheim eigentlich, geht es in Der Traam andauernd. Und das passt natürlich wie die Faust auf`s Auge, zu Bozen, aber auch zum Rest des Landes, wo Menschen den Wohnungsmarkt bestimmen: kapitalistisch undurchsichtig gelenkt, alles andere als sozial, vor allem aber schleimig bis-zum-geht-nicht-mehr.
    Wer träumt gewinnt? Das Stück geht mit den tragisch-sozialen gesellschaftspolitischen Entwicklungen hart ins Gericht, bedient sich gerne des Humors mit der schon mal klamaukigen Pointe. Das passt gut und bleibt zielsicher. 
    Das musikalische Stück trifft durchwegs flach ins untere linke Eck (um sich ausnahmsweise einer sportlichen Metapher zu bedienen). Sport spielt in Der Traam – glücklicherweise – keine Rolle. Vielmehr eine verunglückte Liebe. 
     

    Das Stück ist eigentlich ganz einfach gestrickt. Vielleicht überzeugt es gerade deshalb. 


    Zum Inhalt: Milena Milicevic (Viktoria Obermarzoner) möchte mit ihrem „Esel“ – eigentlich ihr Partner Alex (René Dalla Costa) – gerne in der Stadt wohnen. Alex hingegen möchte Milena vom Landleben überzeugen. Wird es ihm gelingen? Während er als Tollpatsch durchs Leben und über die Bühne stolpert, sorgt sie sich um die Zukunft, insbesondere um das gemeinsame Kind, das sie als Frau Huber in Form eines Hundes ankündigt. Das klingt kompliziert. Obwohl das Stück eigentlich ganz einfach gestrickt ist. Vielleicht überzeugt es gerade deshalb. 

  • Wohnungssuche auf Südtirolerisch: Brigitte Knapp als Lukrezia und Viktoria Obermarzoner als Milena Foto: Dekadenz

    Immer wieder trifft Milena auf der Suche nach den passenden Worten und den vier Wänden für ihr Familiennest auf die Maklerin, Hotelbesitzerin und Investorin Lukrezia Froidl (Brigitte Knapp), die Wohn(t)räume verspricht aber in einer kapitalistischen Gesellschaft mit ihrem kaum weiter ausbaufähigen Egoismus eigentlich die tragischste Gestalt darstellt. Auch wenn finanziell wohlstehend. Von Knapp wird Froidl durchwegs humorvoll gezeichnet und erntet viele Lacher. In einer weiteren Rolle ist die Schauspielerin und Autorin Brigitte Knapp als Mutter (mit feinem Akzent) von Milena zu sehen. Georg Kaser gibt den Adoptiv-Onkel Dave, als alternden und vermeintlich als Taugenichts abgestempelten Hippie, dem das Herz schmerzt und der am Ende die beste Idee für die Zukunftswünsche der jüngeren Generation hat. Er selbst macht sich aus dem Staub und geht auf Weltreise. 
     

    Neben der Musik hat der Dialekt einen prominenten Platz.


    Apropos Staub. Ein Staubsauger bringt den Gamper`schen schwarzen Humor am eklatantesten zur Sprache und auf`s Parkett. Mehr sei nicht verraten. Die Sogwirkung gelingt durch wiederkehrende und (fast immer) lustige Einlagen, vor allem aber durch die gefühlvoll vorgetragenen Songs über Klassenunterschiede, Opportunismus, Familie und Wohlstand. Das Stück von Simon und Dietmar Gamper ist 80er Jahre-poppig, schürft tief und lässt die Oberfläche nicht aus den Augen. Neben der Musik hat der Dialekt einen prominenten Platz. Beide sind die tragenden Säulen des Stücks.
    Möchte man ein schlechtes Wort zu dieser gemeinsamen Produktion der Südtiroler Städtetheater verlieren, dann vielleicht die Tatsache, dass der Titel Der Traam so sperrig daherkommt wie eine tiefgelegte Balkendecke in einer alten Stube. Aber egal, Geschmackssache. Das fulminate Stück hat durchaus Potenzial nach dem Ende der Tour 2024, wie die Gemeinschaftsproduktion der Städtetheater vor zwei Jahren, auf Wiederaufnahme zu hoffen. 72 Stunden. Eine Anklage der Autorin Barbara Plagg – unter anderem mit der "traamhaften" Viktoria Obermarzoner – wird Mitte November in die nächste Runde gehen. 

  • Traumhaftes Happy End: Premierenschluss in der Carambolage Foto: SALTO
  • Weitere Termine

    Carambolage Bozen
    Fr 11.10., Sa 12.10., Mi 16.10., Do 17.10., Fr 18.10., Sa 19.10. 
    Reservierung

    Stadttheater Bruneck
    Do 24.10, So 27.11., Mo 31.10., So 03.11., Mi 06.11., Do 07.11., Fr 08.11. 
    Reservierung

    Theater in der Altstadt
    Fr 15.11., So 17.11., Do 21.11., Fr 22.11., So 24.11., Mi 27.11., Do 28.11. 
    Reservierung