Wirtschaft | Leitner

"Wir müssen uns verändern"

Schielt der Seilbahnhersteller Leitner immer mehr in Richtung Tirol? Junior-Chef Anton Seeber beruhigt seine Angestellten und lädt den Landeshauptmann zum Besuch.

Herr Seeber,  der Standort Telfs wird zu Lasten der Südtiroler Standorte forciert, heißt es aus Ihrer Belegschaft.  Muss nun auch in Sterzing um Arbeitsplätze gebangt werden?
Anton Seeber
: Nein, keineswegs. Es gibt auch in Sterzing weiterhin genügend Arbeit. Wir werden hier zwar saisonbedingte Mitarbeiter noch stärker abbauen, als wir es bereits zuletzt getan haben. Doch um die Relationen ein wenig zu verdeutlichen. Wir beschäftigen in Italien fast 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Großteil davon in Sterzing. In Telfs sind es dagegen 230, mit dem Ausbau kommen 40 bis 50 neue dazu.

Die Rede war von der Verlegung von zwei Produktionslinien, Teilen der Verwaltung sowie der gesamten Produktionstätigkeit der Firma Demaclenko nach Tirol.
Wir sollten das alles vorweg in einen Kontext setzten. Die Leitner-Gruppe hat im vergangenen Jahrzehnt eine starke Expansion und Diversifikation hingelegt. Die heutige Seetech-Gruppe, zu der auch das französische Unternehmen Poma gehört, ist in 92 Ländern weltweit vertreten und hat neun Produktionsstätten. Wir produzieren also nicht nur in Südtirol, wir produzieren in China und Indien, in Kanada und den USA , in der Slowakei, in Frankreich und eben auch im Tiroler Telfs.  Dorthin wurde zuletzt die Klemmenmontage der gesamten Gruppe verlagert und in dem Zuge voll automatisiert. Das sind Optimierungen, die wir innerhalb der Gruppe vornehmen, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und Synergien zu erzielen. Wir müssen uns verändern, damit wir überleben.

Die Sorge dabei ist, wie sich eine solche Veränderung auf den Standort Sterzing auswirkt. Seit Telfs 2008 eröffnet wurde, wird der Standort bereits das zweite Mal erweitert. Investiert werden diesmal immerhin 10 Millionen Euro.
In einer ersten Tranche sind es erst einmal 5 Millionen Euro. Doch auch in Sterzing haben wir in den vergangenen zwei Jahren allein vier Millionen Euro in eine einzige automatische Produktionsmaschine investiert und die nächste Investition steht bereits bevor.

Dennoch wandert die Aktivität zunehmend in Richtung Tirol.
Um noch einmal auf die Befürchtungen zurückzukommen: Verwaltungspersonal wandert überhaupt keines ab. Überlegungen gibt es dagegen im Bereich der Rollenbatterien, wo ebenfalls geplant ist die Produktion von Frankreich und von Sterzing zusammen zu legen. Was Demaclenko betrifft: Auch hier sind noch keine Entscheidungen gefallen. Tatsache ist jedoch, dass wir 2012 einen Betrieb mit 22 festangestellten Mitarbeitern in Südtirol übernommen haben, der mittlerweile auf 70 angestiegen sind. Auch die Produktion der Schneekanonen ist um das Dreifache gewachsen. Und ich glaube, wir sind uns alle einig, dass der bisherige Produktionsstandort Wolkenstein nicht gerade der geeignetste Ort für eine solch expandierende industrielle Produktion ist.

Telfs ist es dagegen?
Das wird derzeit noch geprüft. Sicher ist, dass der Demaclenko-Standort im Raum Klausen erhalten bleibt. Dorthin sollen auch möglichst viele der 33 Arbeitsplätze in Wolkenstein verlegt werden. Doch für die Produktion selbst brauchen wir eine Alternative.

Und für Alternativen ist Tirol einfach attraktiver als Südtirol?
Ich kann nur sagen: Dauer für eine Baugenehmigung: ein bis zwei Monate. Grundstückskosten: ein Drittel von Südtirol. Ein Flughafen und eine Universität in unmittelbarer Umgebung, eine tolle Autobahnanbindung, eine klare und nachvollziehbare Gesetzgebung, die eine schnelle Rechtsprechung ermöglicht, eine echte Mehrsprachigkeit....

Ist nicht zumindest die Mehrsprachigkeit ein Südtiroler Wettbewerbsvorteil?
In Südtirol sind wir noch sehr auf die Zweitsprache konzentriert. Doch da draußen in der Welt interessiert es niemanden, wie gut jemand Deutsch und Italienisch kann. Wichtig ist vor allem, richtig gut Englisch zu beherrschen, und da sind uns die Österreicher einen Schritt voraus. Telfs hat aber beispielsweise auch einen jungen 35 Jahre alten Bürgermeister. Wenn dort Probleme auftauchen, sagt der: „Das löse ich. Denn das sind Arbeitsplätze für die Gemeinde, deshalb ist es im Interesse der Allgemeinheit Lösungen zu finden.“ Ja, selbst der Landeshauptmann von Tirol Günther Platter hat sich kürzlich dafür eingesetzt, dass wir für eine Seilbahn im Iran innerhalb kurzer Zeit eine Exportgenehmigung vom österreichischen Außenhandelsministerium erhalten haben. Jetzt müssen wir für eine Materialseilbahn im Iran der Leitner AG dieselbe Exportprozedur in Italien durchziehen. Mal sehen, wie lange es dauert, bis wir vom italienischen Außenhandelsministerium eine Antwort bekommen.

Man könnte auch noch draufsetzen, dass die Leitner GmbH in Telfs in der Michael-Seeber-Straße residiert....
Ja, aber das war selbst meinem Vater nicht mehr ganz geheuer. Eine solche Ehre gebührt einem doch eigentlich erst, wenn man unter der Erde liegt, hat er gemeint.

Immerhin besser als einen jahrelangen Krieg um Mitarbeiter-Parkplätze führen zu müssen, wie in Sterzing.
Das ohne Zweifel. In Sterzing sollten wir uns tatsächlich auch noch um Studien und Gutachten für Gefahrenzonenpläne kümmern, damit unsere Mitarbeiter in Unterackern  parken können. Denn es reicht ja nicht, um teures Geld einen Grund zu kaufen und jahrelange Prozeduren durchzustehen. Irgendwann fragt man sich dann schon....

Nach der Ablehnung der Plose-Bahn durch die Brixner Bevölkerung, meinte Ihr Vater in einem salto-Interview: „Es gibt mehrere junge Menschen in unserem Hause, die meinen, wir sollen jetzt mit Pauken und Trompeten abziehen.“ Gehören Sie da dazu?
Sagen wir, ich war in einem ersten Moment auch sehr irritiert über den Ausgang der Geschichte.

Ihr Vater Michael Seeber spricht immer gerne von einer „Südtirol-Krankheit“, wenn man ihn danach fragt, was ihn angesichts der Standort-Nachteile hier immer noch im Land hält. Sind auch Sie „Südtirol-krank“?
Nun, ein wenig von dieser Krankheit hat er mir sicher mitgegeben. Schließlich bin ich auch wieder aus den USA zurückgekehrt, um hier mit meiner Familie zu leben und in das Unternehmen einzusteigen und es weiterzuführen. Gleichzeitig weiß ich auch, dass man sich nicht zu viel Krankheit erlauben kann, wenn man will, dass das Unternehmen weiter erfolgreich ist.  Und Leitner in Sterzing wäre längst tot, wenn wir im vergangenen Jahrzehnt nicht in die Welt hinausgegangen wären. Ob mit der Produktion oder dem Verkauf. 2005, als die Olympiade in Turin abgehalten wurde, wurden in Italien 99 Seilbahnen gebaut. Auch 2007 waren es italienweit noch 42 neue Anlagen, 2014 nur mehr 13.

Sie machen nur mehr 2 bis 3 Prozent ihres Umsatzes in Südtirol. Dennoch sind fast ein Drittel der mehr als 3000 Beschäftigten der Gruppe hierzulande tätig. Geht das überhaupt noch zusammen?
Das spricht vor allem für die Qualität unserer Mitarbeiter hier, die wirklich viel von den schwierigen Marktbedingungen gutmachen können. Wir führen in Sterzing nach wie vor viele der heikelsten Tätigkeiten durch, ob Sicherheitsteile oder Sicherheits-Schweißnähte. Wir bauen hier auch Stationen zusammen, wie aktuell jene der neuen Dreiseilumlaufbahn im Stubaital, um noch einmal alles bis ins letzte Detail zu kontrollieren. Unsere Südtiroler Mitarbeiter sind also wirklich eine wichtige Basis für unseren Erfolg und wir werden weiter hinter ihnen stehen und auf sie bauen. Doch natürlich braucht es auch die Bedingungen dafür: Denn unsere Belegschaft selbst merkt, wie stark sich die Welt verändert hat. Ein Monteur der früher hauptsächlich im Alpenraum gearbeitet hat, ist jetzt plötzlich die ganze Zeit in der Türkei unterwegs, in Malaysien oder Schweden.

Intern versuchen Sie, die Konkurrenz zu Billiglohnstandorten durch innovative Produkte und eine Optimierung der Produktion innerhalb der Gruppe auszugleichen. Was dagegen kann die Politik tun, um den Standort Sterzing zu sichern? Geben Sie sich mit der  Irap-Senkung der Regierung Kompatscher  zufrieden?
Steuersenkungen sind ein positiver Impuls, aber sie reichen sicher nicht aus. Um die Irap überhaupt zahlen zu können, muss ich vorher Gewinne machen. Und wie gesagt: Die Welt verändert sich rapide und in radikalen Schritten. Deshalb lautet auch unser dringlichstes Anliegen an die Politik: klare und schnelle Entscheidungen. Das heißt, eine der größten Hilfen für uns wäre es, die Genehmigungsverfahren dem Rhythmus  des Wirtschaftslebens anzupassen.  

Haben Sie das beim Landeshauptmann und Wirtschaftslandesrat deponiert?
Es ist nicht unbedingt so, dass Arno Kompatscher das Gespräch mit uns suchen würde. Er war einmal in seinem Wahlkampf hier, und hat dann noch einmal bei einer Jahresabschlussabschlussfeier in Sterzing vorbeigeschaut. Sonst hat es kaum Kontakte gegeben.

Das heißt, der Wirtschaftslandesrat spricht nicht mit einem der größten Arbeitgeber des Landes?
Wir haben früher mit Arno Kompatscher zusammengearbeitet, als er für die Seiser Alm-Bahn verantwortlich war. Doch als Landeshauptmann hat er sicher viel zu tun, und es scheint auch sein Politikstil zu sein, niemals den Eindruck erwecken zu wollen, jemanden zu bevorzugen und eine Abhängigkeiten schaffen zu wollen. Damit will er sich wohl klar von seinem Vorgänger abgrenzen.

War ein Luis Durnwalder denn von der Leitner-Gruppe abhängig?  Oder vielleicht doch bei Ihnen beteiligt, wie ein hartnäckiges Gerücht besagt?
Nein, das war bzw, ist er nicht. Auch wenn wir die Gerüchte natürlich kennen und diese lächerlich finden. Auch unter dem Alt-Landeshauptmann hatten wir in der Realität keine Vorteile und wir erwarten sie auch überhaupt nicht. Doch es wäre zumindest schön, wenn man die Unternehmen einfach unternehmen lassen würde statt sie mit Bürokratie zu überhäufen. Und wenn sich öfters mal jemand von der Landespolitik hier in Sterzing blicken lassen würde, hätte hier sicher niemand etwas dagegen einzuwenden.

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Karl Gudauner So., 13.12.2015 - 22:41

Deutlicher kann der Handlungsbedarf nicht aufgezeigt werden. Hoffentlich gibt es Spielräume, damit lokale Weichenstellungen die Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Südtirol umgehend auf das erforderliche Niveau bringen können. Damit diese Anstrengungen nicht an Bremsklötzen in der gesamtstaatlichen Verwaltung scheitern, wird wohl auch eine dringliche Intervention bei den zuständigen Ministerien und bei der Regierung in Rom erforderlich sein.

So., 13.12.2015 - 22:41 Permalink