„Salvini ist vorgewarnt“
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SALTO: Im vergangenen Juli hat Italien wegen der Tiroler Transit-Verbote Klage gegen Österreich eingeleitet. Die EU-Kommission will sich nun daran beteiligen, wie bewerten Sie diesen Schritt?
Thomas Baumgartner: Bereits im Jahr 2020 Jahren hatten die drei Generaldirektionen der europäischen Kommission fuer Mobilität, Umwelt und Binnenmarkt in einem gemeinsamen Schreiben die Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass die österreichischen Restriktionen im Transit durch Tirol gesetzwidrig und nicht EU-Konform sind und der Kommission geraten, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die Kommission unter der Leitung von Präsidentin Ursula von der Leyen hatte wohl aus politischem Kalkül die Ratschläge der eigenen Generaldirektoren nie befolgt. Die Kommission tut nun schon deshalb gut daran, sich an der italienischen Klage zu beteiligen. Die österreichischen Transit-Restriktionen schaden der italienischen Wirtschaft und sind ein Risiko für deren Wettbewerbsfähigkeit in den nördlichen EU-Märkten, deshalb war die Klage überfällig.
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Was könnte Ihrer Meinung nach Tirol dazu bewegen, von seiner Maximal-Position abzurücken?
Ziel- und Quellverkehr, also der von Tirol verursachte Verkehr, wird vorsätzlich von den Restriktionen ausgenommen. Somit schaden die Maßnahmen nur ausländische Firmen und nicht der Tiroler Wirtschaft, im Gegenteil, diese hat dadurch Wettbewerbsvorteile. Kein Tiroler Politiker würde durch ein Abrücken von den Restriktionen an Wählerstimmen gewinnen. Tirol wird somit von deren Maximalforderungen nicht abrücken und muss deshalb leider gerichtlich dazu gezwungen werden.
„Kein Tiroler Politiker würde durch ein Abrücken von den Restriktionen an Wählerstimmen gewinnen.“
Was bedeuten die Tiroler Transitmaßnahmen grundsätzlich für den Warenverkehr von und nach Italien?
Dosierungsmaßnahmen, Samstagvormittag- und Nachtfahrverbote erzeugen Staus und riesige Zeitverluste, ganz zu schweigen von den unmenschlichen Verhältnissen der Fahrer und Fahrerinnen, welche fast täglich stundenlang auf der Autobahn im Stau ausharren müssen und den höheren Umweltbelastungen durch den dadurch erzeugten Stop-and-go-Verkehr. Durch die Zeitverluste erhöhen sich die Frachtraten für die Verlader und dies untergräbt somit die Wettbewerbsfähigkeit italienischer Exporte. Der für bestimmte Branchen wie beispielsweise Automotive, wichtige Just-in-Time-Transport ist nicht mehr möglich, was zu weiteren Wettbewerbsnachteilen führt. Das Nachfahrverbot reduziert künstlich die Kapazität der Autobahn und somit auch indirekt den Export aus Italien, und erhöht das Verkehrsaufkommen in den Tagesstunden. Es ist somit für alle kontraproduktiv, auch für Tirol.
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Zur Person
Thomas Baumgartner leitete den Logistik-Riesen FERCAM in zweiter Generation von 1981 bis 2017. Seither wird das Unternehmen von seinem Sohn Hannes Baumgartner geführt. Von 2014 bis 2023 stand Thomas Baumgartner zudem als Präsident der Vereinigung der italienischen Frächter ANITA vor.
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Wie bewertet man im italienischen Transportwesen die Ausnahmen von den Verboten für die österreichischen Unternehmen?
Durch das sektorale Fahrverbot kann zum Beispiel bayerisches Korn, wie etwa Weizen, nur über die kostspieligere Bahn nach Südtirol importiert werden, während die Tiroler Konkurrenz dies auch über die Straße darf. Das italienische Transportministerium fragt sich natürlich, wieso die in Tirol hergestellten Produkte von bahnaffinen Waren per Straße transportiert werden, während italienische Produkte nur über die Bahn durch Tirol in die nordeuropäischen Länder exportiert werden dürfen, auch wenn die Kapazitäten auf der Bahn fehlen oder diese ein schlechteres Preis- Leistungsverhältnis im Transport aufweist.
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Spüren die Frächter, insbesondere in Italien, Deutschland, dass mit der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens Bewegung in die politische Diskussion gekommen ist?
Tirol stellt leider auf stur und setzt nur auf das sogenannte Slotsystem, verlangt aber, dass auch beim Einsatz desselben die Restriktionen nicht aufgehoben werden. Das Slotsystem ändert aber im Grunde nichts, weil weiters der freie Warenverkehr und somit der Export aus Italien limitiert würde. Dazu kommt, dass das Slotsystem technisch nicht umsetzbar ist. Bereits im verfassten Memorandum des 10-Punkte-Plans zwischen Österreich und Tirol einerseits und Deutschlands mit Bayern andererseits vom Juli 2019 hatten sich die Länder unter Punkt 3 für die Einführung eines „intelligenten LKW Leitsystem 2.0“ verpflichtet. Passiert ist bis heute nichts.
Die Sanierung der Luegbrücke, die ab 1. Januar in Angriff genommen wird, wird die angespannte Verkehrssituation auf der Brennerautobahn mit hoher Wahrscheinlichkeit noch zusätzlich verschärfen. Ihre Prognose? Ihre Hoffnung?
Das Problem betrifft hauptsächlich den vom Tourismus erzeugten Verkehr. Er ist fünf Mal höher als der Warenverkehr und auf die Wochenenden und die Urlaubszeit konzentriert. Auf den Warenverkehr, der an den Wochentagen herrscht und konstant über das ganze Jahr rollt, dürfte selbst eine Einspurigkeit keine großen Auswirkungen haben. Die letzthin vorgeschlagene Lösung, zwei Spuren offen zu lassen und die Lkws mittig fahren zu lassen, ist natürlich trotzdem erfreulich. Wieso das aber nur an 170 Tagen gehen soll, ist für uns nicht erklärbar.
Wichtig ist allerdings, dass Tirol nicht prätentiös in Verbindung mit den Wartungsarbeiten neue zusätzliche Lkw-Fahrverbote einführt. Salvini ist vorgewarnt und wird in diesem Falle direkt in Brüssel intervenieren oder Gegenmaßnahmen auf italienischem Gebiet treffen.
Der Umwegverkehr, sprich die…
Der Umwegverkehr, sprich die unterschiedlichen Mautkosten auf den verschiedenen alpenquerenden Autobahntrassen sind natürlich kein Thema. Genauso wenig eine Analyse der versorgungspolitisch bedeutsamen Warentransporte und des EU-weit erfolgenden wahrscheinlich geförderten Warenaustauschs. Das Problem wird nur in technischer Detailperspektive wahrgenommen. Warum Verkehrsvermeidung und Verkehrsentflechtung, wenn es über den Brenner so günstig ist?
Antwort auf Der Umwegverkehr, sprich die… von Karl Gudauner
Wenn man, wie die Fercam,…
Wenn man, wie die Fercam, vom wachsenden Verkehr lebt, ist das nicht verwunderlich.
Aber es ist kurzfristig gedacht. Denn das Wachstum des Verkehrs auf der Brennerstrecke der letzten Jahre und Jahrzehnte kann und darf man nicht weiter fortschreiben.
Wegen des Klimaproblems und wegen der pysischen Grenzen einer alternden Autobahn.
Also müssen neue Ideen und Konzepte her.
Der Titel des Artikels passt…
Der Titel des Artikels passt nicht zum Inhalt des Textes.
Antwort auf Der Titel des Artikels passt… von Johannes Engl
Eigentlich schon.
Eigentlich schon.
Vielleicht muss Südtirol…
Vielleicht muss Südtirol/Italien gerichtlich gezwungen werden, mehr gegen die Verkehrsbelastung zu tun?
Es ist zu viel Verkehr, und da müssen Lösungen her, und kein Geschwafel, was man müsste/sollte/könnte.
Die Baustelle Luegbrücke kann solche Lösungen beschleunigen.
Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum die Einspurige Luegbrückenbaustelle so massiv mehr Probleme verursacht als die anderen einspurigen Bereiche entlang der Südtiroler Brennerautobahn. Kann das jemand erklären?
Dem Baumgartner ist es…
Dem Baumgartner ist es natürlich vollkommen egal, dass der tägliche Lkw-Stau nicht auf Nordtiroler, sondern aus Südtiroler Seite der Brennerautobahn stattfindet und dass die bedauernswerten Fahrer und Fahrerinnen, um deren Wohl sich der Baumgartner so sehr sorgt, dort leiden müssen. Die italienische Lkw-Lobby benutzt die angeblichen Staus auf der Nordtiroler Seite ja nur, um eine Aufhebung des dortigen Nachtfahrverbotes zu verlangen, damit die laut Baumgartner so bedauernswerten Lkw-Fahrer auch nachts fahren müssen anstatt schlafen zu dürfen. Und ob die Anrainer schlafen können, ist dem Hernn Baumgartner natürlich vollkommen egal.
@Hartmuth Staffler: Ich…
@Hartmuth Staffler: Ich stimme Ihnen zu! Baumgartner tritt perfekt in die Fußstapfen seines Herrn Vaters, der einst erklärt hat: "Nach mir die Sintflut". Die armen LKW-Lenker, für deren Wohl allein ER zuständig ist, dienen nur als herzerweichender Vorwand! (Die Tausenden Anwohnerinnen, die jeden Tag unter Lärm und Abgasen leiden, erwähnt der Herr Baumgartner in menschenverachtender Weise nicht einmal!!) Der erste Schritt in der Brennerkorridor-Problematik muss eine Angleichung der A22-Tarife an jene der Inntal-Autobahn sein. Also ca. 80 cent/km. Vorher braucht man auf die anderen Argumente des LKW-Chefs gar nicht eingehen! Nur eine verteuerte Autobahngebühr trennt die Spreu vom Weizen! Dann landen die Massengüter automatisch auf der Bahn, so unbequem und mühsam sie momentan auch erscheinen mag!
Das Aostatal hat die…
Das Aostatal hat die teuerste Autobahn Italiens und die Einheimische zahlen 50% bei allen Aufstiegsanlagen, sowie für die Tages- und Saisonkarten.