Kultur | Bibliophile Fragen

„Viel Zeit in Buchhandlungen“

Lorena Pircher gewann 2023 einen der „exil-literaturpreise“ in Österreich und erhielt 2024 das begehrte Startstipendium. Und sie hat Antworten auf gleiche SALTO-Fragen.
Lorena Pircher
Foto: Elisabeth Öggl
  • SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?

    Lorena Pircher: Beloved von Toni Morrison. Ich habe damals, als ich es mit vielleicht zwölf Jahren gelesen habe, sehr viele Thematiken der sozialen Ungerechtigkeit, des strukturellen Rassismus und der Verbrechen des Kolonialismus noch nicht im gesamten Ausmaß begriffen, aber das Lesen dieses unvergleichlichen Werks hat mich dazu gebracht, viele weitere Bücher zu lesen, die sich mit besagten Themen auseinandersetzen und sichtbar machen. 

    Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?

    Ich kann mich noch ganz genau an die insgesamt unglaubliche Kraft der Beschreibungen verschiedener Szenen in Das Parfüm von Patrick Süskind erinnern. Der letzte Satz dieses Romans, Sie hatten zum ersten Mal etwas aus Liebe getan in Kombination mit den vorhergehenden Ereignissen, hat mich sprachlos zurückgelassen. 
     

    Die meisten Bücher von Peter Handke.

  • Exilschreibende: Eine Anthologie mit den Preistexten gibt einen profunden Einblick in diese Textwelten und offenbart das Potenzial eines Schreibens auf Deutsch aus dem Blickwinkel der Mehrsprachigkeit. Die Preisträgerin Lorena Pircher ist mit dem Langgedicht “neujahr” dabei. Foto: Verlag edition exil

    Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?

    Auf alle Bücher von Michel Houellebecq, die ich bislang gelesen habe. Ich finde die forcierte Provokation und das Übermaß von “schockierender” Vulgarität darin nicht wirklich kunstvoll oder originell. 

    Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?

    Ich glaube, dass alle literarischen Genres ihren ganz speziellen Reiz haben und Lokalkrimis ein eigener Mikrokosmos sind, den zu erforschen sich sehr lohnen kann, wie etwa die Sprechweise, Dialekte, Lebensweise und Rezepte, die darin vorkommen. 

    Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?

    Da ich sehr viel Zeit in Buchhandlungen verbringe, kann ich diese Frage ganz klar beantworten: Den Empfehlungen von Buchhändler*innen, insbesondere jene unabhängiger, oft kleiner Sortimentsbuchhandlungen. Ich habe noch nie ein Leseerlebnis bereut, zu dem sie mir geraten haben! 

    Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?

    Die meisten Bücher von Peter Handke. 

  • Lorena Pircher: Im Rahmen der 2. Veranstaltung von Halbmittag 9 war Lorena Pircher am Samstag 14. 9. Gast im Lesesaal der Landesbibliothek. Foto: Evelin Moschen

    Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?

    Ich muss fast immer, wenn es irgendwie geht, Bücher haptisch greifen, die Struktur der verschiedenen Papiere fühlen, den ganz eigenen Geruch von Büchern in der Nase haben. Insbesondere Lyrik könnte ich aber nicht am E-Book-Reader lesen, weil mir persönlich erscheint, dass Gedichte ganz besonders anders wirken, wenn sie auf einem schönen Papier gesetzt sind, das man greifen kann, wie die tiefere Struktur eines Gedichts. 

    Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?

    Ich finde sehr viele Werke von Südtiroler Autor*innen unbedingt empfehlenswert; ich bewundere Roberta Dapunt, Sabine Gruber, Rut Bernardi, Sepp Mall und Astrid Kofler sehr, um nur einige der Südtiroler Schriftsteller*innen zu nennen, die mich immer in meinem Lesen begleiten. Einen ganz besonders tiefen Eindruck haben bei mir unter anderem Wundränder sowie Holz und Haut von Sepp Mall, Die Dauer der Liebe von Sabine Gruber und Synkope / Sinkope von Roberta Dapunt hinterlassen. 

  • Sind Liebesbekundungen solcher Art aus der Zeit gefallen?: Lorena Pircher, Norbert Mayr und das Autorinnenduo Michaela Grüner und Sonja Hartner mit Umschreibungen des Liebesgedichts Frölich zärtlich lieplich und klärlich, lustlich stille leise von Oswald von Wolkenstein (um 1400). Foto: Evelin Moschen