„Es ist ein Kunstwerk für sich“
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SALTO Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Maxi Obexer: Das Buch „Bambi. Eine Lebensgeschiche aus dem Walde.“ Von Felix Salten. Ein mehrere hundert Seiten umfassender Roman, und der erste überhaupt, den ich las. Er lag in der Bücherecke der 1. Klasse Volksschule, wir hatten also eine sehr progressive, junge Lehrerin. Das Buch war an einem kleinen Kettchen angebunden; als ich sagte, dass ich es lesen möchte, wurde es losgebunden und ich durfte es mit mir nehmen. Vieles davon begleitet mich noch heute, wenn ich in den Wald gehe. Die Wahrnehmung der Tiere beispielsweise, die zwischen zweibeinigen und dreibeinigen Menschentieren unterscheiden. (Gefährlich sind die dreibeinigen - das sind die mit den Gewehren.) Der ganze Wald ist eine einzige Community von Tieren - ich bewundere das Buch noch heute.
Und ich erinnere noch immer den Geruch der Seiten, oder die vollgeschriebenen Blätter - wie ein Meer voller Buchstaben, vor dem ich zuerst Angst hatte. Dann nahm es mich mit - auf das erste große Abenteuer, das nur Bücher bereiten können.Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Es gibt natürlich seitenweise Zitate, die ich jetzt nennen könnte. „Wir sind stets dafür verantwortlich, was wir uns vertraut gemacht haben.“ von Antoine de Saint Exupéry aus „Der kleine Prinz". Vor ein paar Jahren fand ich dieses Zitat auf der Todesanzeige von Nikolaus Cornelius Gurlitt in der SZ. Kein Scherz. Er war der Erbe der Kunstsammlung Gurlitt, von rund 1500 Kunstwerken, die dessen Vater während des Nationalsozialismus erworben hatte. Einen großen Teil der Werke hatte Gurlitt in seiner Münchner Wohnung unangemeldet aufbewahrt.
Es ist eine der faszinierendsten Kulturtechniken, die Menschen hervorbrachten.
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
„Die Buddenbrooks“ von Thomas Mann. Vielleicht hab ichs einfach zu früh gelesen.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Schwierig. Ich würde mich genieren, einem Außerirdischen Banalitäten als Besonderheiten zu verkaufen. Es gibt so viele bedeutsame Werke.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Auch hier wäre die Liste endlos. „Orlando“ von Virginia Woolf. Ebenso „Die Wellen“, die ich während der 1. Pandemiewelle hier nochmal gelesen habe. „Zum Leuchtturm“ - ebenso von Virginia Woolf. Sie ist atemberaubend.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Keines. Da ich es offenbar mitgenommen habe, würde ich es auch nicht allein zurücklassen.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Ich versuche die meisten Bücher als Blätterwerk in der Hand zu lesen. Es ist eine der faszinierendsten Kulturtechniken, die Menschen hervorbrachten. Ein Buch vereint auf eine Weise alles: Schrift, Sprache, Gedanken - die Welt, und sein Material kommt aus dem Wald - und seine Technik entstand mit Hilfe der Bäume, der Buchen. Es ist ein Kunstwerk für sich. Und dann gibt es noch etwas: ich brauche sie neben mir, um mich herum.
Auch wenn es inzwischen vielleicht vernünftiger ist, E-Bücher zu lesen.Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Claus Gatterer: „Schöne Welt. Böse Leut“ - enthält sehr viele Schilderungen und Beschreibungen, die nicht nur die Optionszeit vielschichtig und komplex beleuchten, sondern allgemein wichtige Einblicke geben zu Menschen in Diktaturen.
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