Bühne | Umwelt | Transart24

Explosion mit Widerstand

Bei der verregneten, windverwehten Transart-Eröffnung „Exhaust“ wurde in Bozen die Hinrichtung eines Lkw-Motors zelebriert. Weit ist der Weg zum Verbrenner-Stopp. Wärme spendete den standhaft bleibenden Teilnehmer:innen vor allem die Marching Band Sissamba.
transart 24, Exhaust
Foto: Tiberio Sorvillo
  • „Colpevole!“ oder „Schuldig!“, sowie „Blub, blub, blub“, gefolgt von einem vielstimmigen „Boom!“; Die Rufe von Eva Kuen, die als Richterin der Verhandlung vorstand, dürften im Zentrum und in der Bozner Industriezone weithin hörbar gewesen sein. Weniger Demonstranten beziehungsweise Teilnehmer - was bei dem Straßenzug in etwa dasselbe sein sollte - als es vermutlich bei Sonnenschein gewesen wären, trotzten Wind und Wetter, nachdem sie sich um 18 Uhr in der Oasie, Dantestraße, einfanden. Dort stand der Wagen schon bereit, letzte Vorbereitungen am nicht einwandfrei laufenden Lkw-Motor, der vielleicht auch mit dem Regenschauer ein Problem hatte, verzögerten den Aufbruch ein wenig. Zeit, um schwarze Regenmäntel mit weißem Kragenstück (angelehnt an eine Richterrobe), sowie Holzhämmer und Bretter (zum Lärmen und nicht um damit um Ruhe zu bitten) zu verteilen.

    Bei dem, was mit dem zwei Tonnen schweren Motorblock passieren sollte von einer Verhandlung zu sprechen, ist ein Euphemismus und auch diese Art der Befreiung von einem Problem, ist hintergründig zu betrachten, beginnend beim Titel. „Exhaust“, das kann „erschöpfen“ oder „ausschöpfen“ (etwa von Möglichkeiten), oder eben auch „Auspuff“ oder „Abgas“ bedeuten. Letztere dürften für die meisten, die nicht dort waren und - Wetter hin oder her - nicht hin wollten, bereits vorab ein willkommener Grund gewesen sein, die Performance zu kritisieren. Das Konzept von Kris Verdonck und der „A Two Dogs Company“ war nicht nur durch die Regenmäntel und die oberste Richterin Kuen theatral, sondern auch in der Art und Weise, wie, fast gänzlich einseitig, die Verhandlung mit dem ab und an im Gegenprotest aufheulenden Motor entlang des Weges geführt wurde.

  • Sissamba: Zu Sambaklängen im Regen muss man Ja sagen. Schlagwerker Max Castlunger führte die Truppe mit Feuereifer an. Foto: Tiberio Sorvillo

    Am Dominikanerplatz und Domplatz legte man kurz Zwischenhalt ein, einmal für Musik und einmal für die Rede eines jungen „Fridays for Future“-Aktivisten, der ein Bild davon zeichnete, wie prägend das Auto für unsere Städteplanung ist und auch, welche Alternativen es gäbe. Die Intervention war zwar inhaltlich erwünscht, willkommen und ein positiver Kontrast zur Mobilisierung durch Zorn, fand aber an einer besonders windigen Ecke statt. Der Witterung war es im übrigen geschuldet, dass die Bürgerkapelle Gries nicht am Umzug teilnahm.

    Bis zuletzt blieb dagegen die Stimme Kuens  kompromisslos, militant und - dem Verbrennungsmotor gegenüber - gewaltbereit. „Gewalt beseitigt Gewalt, Gewalt tötet Gewalt, Tod dem Töter allen Lebens!“, war eine beliebte, wiederkehrende Formel des bis am Ende erschöpft wirkenden Repertoires Eva Kuens an Parolen. Besonders, da man wetterbedingt die Route für den Straßenzug anpasste: Über Dominikanerplatz und Domplatz ging es vorbei am Stadttheater und zum Ausgangspunkt in der Dantestraße zurück. Von der ursprünglichen Route musste man absehen und statt dessen auf einen zweigeteilten Demonstrationszug ausweichen.

  • Bis zur Erschöpfung

    Schlussendlich war es auch irgendwie passend, dass die Eröffnung am Ende einem Kraftakt glich und es an vorderster Front oft auch hieß, sich gegen den Wind stemmen zu müssen. Etwas mehr als eine halbe Stunde Zeit hatte man nach dem „Wiedereintrudeln“ in der Dantestraße - von wo der Motor als Hänger eines weißen Vans mit Belgischer Kenntafel in den NOI-Techpark zu Füßen des Wasserturms gezogen wurde - wenn man zur kommunizierten Startzeit dort sein wollte. Auch zu Fuß war das in der Zeit zu schaffen, aber angesichts der Witterung sicherlich kein angenehmer Spaziergang. Wer befürchtet, dass diese letzte Etappe viel Individualverkehr verursacht haben könnte, der sei beruhigt: Die Zahl der verbliebenen Teilnehmer, die nicht vom Veranstalter gestellt wurden, schrumpfte beträchtlich.

    Wer noch mit dabei war, der war entweder sehr am weiteren Verlauf und der nun seit bald zwei Stunden angekündigten Sprengung interessiert, oder prominenter Südtiroler Klimaaktivist. Bevor die Demonstration weiter ging, hieß es noch ein wenig in der Kälte auszuharren, es verzögerte sich alles noch um einige Minuten, während wieder einmal eine Platte am Sockel des Metall-Molochs abgenommen und an Elektronik oder Mechanik gewerkelt wurde. Es schien, als wolle der Geist in der Maschine nicht so seinen Geist aufgeben, wie es vom Veranstalter gewünscht war. 

  • David Hofmann: Bei aller Widerständigkeit gegen den Wind, musste der Redner dennoch rückwärts vom Rednertreppchen springen und seine Rede auf festem Boden fortsetzen. Foto: Tiberio Sorvillo

    David Hofmann stellte sich der Herausforderung, trotz eisigem Wind auf die Rednerstufen zu steigen und vor Start des Trosses zum Henkersblock in der Lanciastraße einen Redebeitrag abzugeben. Er lobte die Standhaftigkeit der Anwesenden, die es im Klimaschutz brauche. Im weiteren Verlauf seiner Rede wies Hofmann noch einmal auf den großen Anteil des Individualverkehrs an den Treibhausgas-Emissionen und Luftschadstoffen im Land hin. Statt der anhaltenden Tendenz hin zum Individualismus brauche es mehr Gedanken an die Gemeinschaft, um die Folgen des Klimawandels abzumildern.

    Am letzten Teilstück des Weges, auf der Fahrbahn der Lancia-Straße erwies es sich als Glücksfall, dass vor den paar Duzend Teilnehmern nicht neben Sissamba und Kuen auch noch eine Kapelle mitmarschieren würde. Am regennassen Asphalt und Licht der Straßenbeleuchtung gab der harte Kern der Truppe jedenfalls ein surreales Bild ab. Die Parolen der nach wie vor mit religiösem Eifer hinterm Megafon aktiven Eva Kuen, die es für unterwegs gab, kannte man alle bereits und das Frage-Antwort-Spiel fing an, mehr an den Kräften zu zehren, als sie aufrecht zu erhalten. Bei einem Autohändler rechter Hand ging es auf die Zielgerade und zum Ort der letzten, noch verbliebenen Eskalation.

  • Es sollten allerdings noch einmal, für das nun wieder zahlreichere Publikum, alle Anklagepunkte verlesen werden und auch noch einige neue hinzukommen. Eine letzte dramatische Zuspitzung zum Ende hin war unausweichlich, dennoch gab es am Ende des Abends noch mehr Dieselqualm als für meinen Geschmack nötig. Irgendwann setzte sich Eva Kuen im Nebel noch eine graue Richterperücke auf, die schief saß, was irgendwie noch besser passte. Im Chaos und im Lärm des Motoren-Geheuls fiel mein Blick auf die vom Start an mitgereisten schwarzen Flaggen, die einen Motor im Querschnitt zeigten, mit Ähnlichkeit eines medizinischen Blicks auf unser Gehirn. Dass es bei der rund zweieinhalbstündigen Erfahrung auch darum ging, allzu einfache „Lösungen“ emotionaler Prägung zu hinterfragen, dürfte angesichts aller Extravaganz entlang des Weges klar geworden sein.

  • Eva Kuen: Die Schauspielerin war mit vollem Einsatz an der Spitze des Zuges anzutreffen, hier auf den Straßen der abendlichen Industriezone. Foto: Tiberio Sorvillo
  • Mehr damit beschäftigt, Mund und Augen zumindest vor einem Teil des Qualms abzuschirmen und zum dritten Mal, als man meint, dass der Motor nun voll und ganz aufgedreht wird und die Pyrotechnik zündet, ist es dann so weit. Zuvor hatte man den Motor zweimal wieder absterben lassen, ob aus technischen Gründen oder um das Publikum ein letztes bisschen zu reizen, war nicht ersichtlich. Die Level an Energie, Euphorie und Enthusiasmus der später - wohl mehr für die anschließend spielende russische Punkband Shortparis - hinzugekommenen Gäste, konnte ich im Moment der stolpernd von statten gehenden Explosion nicht teilen. Im stinkigen Dieseldunst sind zwei pyrotechnischen Ladungen vor dem großen Knall auszumachen, auf den hin hohe Flammen aus dem Motor schießen.

    Nach Todeszeitpunkt des Verbrenners - kurz vor 21 Uhr - hält es mich nicht mehr um mir beim folgenden Punkkonzert die Kälte aus dem Leib zu tanzen. Ich bin erschöpft, gleichzeitig aber auch froh, bis zur Erschöpfung durchgehalten zu haben. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Schuldgefühlen denke ich daran, dass ich die Industriezone motorisiert verlassen kann.

  • Exhaust: Auf viel Rauch folgte große Erleichterung, auch wenn der Tyrannenmord am Motor am Ende nur Theater war. Das Feuer bei Transart brennt noch bis 29. September. Foto: Tiberio Sorvillo
Bild
Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Mo., 16.09.2024 - 07:19

Seit Henry Ford in Amerika die Massen-Autoproduktion angeschoben hat + Hitler, der Kriegs-lüsternd nur ein halbes Dutzend -V O L K S W A G E N- zu erzeugen imstand war, aber von der deutschen Auto-Industrie mit zunemend plumperen über-motorisierten SUVS - Stadt-Traktoren + ähnlichen Angeber-Schlitten die Städte + Straßen zugemüllt + die Luft auch durch das STEUER-freie HOCH-suventionierte Fliegen versaut wird, die "in -e i n e m- Jahr soviel fossilen Brennstoff vergeuden, wie vorher zu bestimmten Zeiten, in der 4,6 Milliarden währenden Weltgeschichte in -e i n e r- Million Jahren gebildet wurde!!!"

Mo., 16.09.2024 - 07:19 Permalink
Bild
Salto User
Cicero Mo., 16.09.2024 - 11:25

Antwort auf von Josef Fulterer

Ich habe Ihren Kommentar jetzt geschätzte 25 Mal durchgelesen und kapiere wirklich null was Sie uns damit sagen wollen. Mal abgesehen von der fürchterlichen Schreibweise erschließt sich mir Ihre Botschaft nicht. Schon klar, Sie sind anscheinend ein überzeugter Kritiker der Verbrennung fossiler Brennstoff. Alles gut, ist eine absolut legitime Position, aber bitte wie kommen Sie auf die Argumentationskette Henry Ford - Hitler - SUV - billiges Fliegen? Ist das so ein "Finde den Fehler in der Reihe" Ding oder wie soll man das verstehen?

Mo., 16.09.2024 - 11:25 Permalink
Bild
Salto User
Milo Tschurtsch Di., 17.09.2024 - 19:32

Ohne Motoren und fossile Brennstoffe wären wir noch in der von extremer Armut geprägten Welt des Mittelalters. Mobilität von Menschen und Waren ermöglicht unseren Wohlstand auf den letztendlich niemand verzichten will. Zu den fossilen Brennstoffen gibt es bis jetzt keine praktikable Alternative.
Aber das ist der Lauf der Welt: Was die Menschheit weiter gebracht hat, wird verächtlich gemacht.
Dazu folgender Kurzfilm über die erste Fahrt eines Automobils und eine mutige Frau, die die Welt für immer veränderte :

https://www.youtube.com/watch?v=vsGrFYD5Nfs

Di., 17.09.2024 - 19:32 Permalink