Malheur im Ministerrat
Karl Zeller sieht keinen Grund zur Aufregung: „Jetzt machen wir's halt im Parlament“, sagt der SVP-Senator leichthin am Tag nach dem bösen Erwachen für Südtirols Raiffeisenwelt. Seit gestern (15. Februar), dem Tag, an dem Staatspräsident Sergio Mattarella das Dekret zur Reform der italienischen Genssenschaftbanken gegengezeichnet hat, weiß man offiziell, dass die Sonderregelung für Südtirol aus dem Text der Verordnung herausgeflogen ist. Dabei schien die Ausnahme für Raiffeisen eine beschlossene Sache. Dass dann alles anders kam, erklärt Zeller so: Ministerprasident Matteo Renzi habe während der Ministerratssitzung vom 10. Februar kurzerhand den Stift gezückt und das Dekret umgeschrieben. „So ist der Raiffeisen-Passus herausgefallen.“ Ein Malheur also, hinter dem Zeller keine Absicht vermutet. Innerhalb von sechs Monaten ab Veröffentlichung muss die Regierung nun das Dekret dem Parlament vorlegen. Im Rahmen dieser Diskussion wird die SVP versuchen, den Südtirol-Passus wieder in den Gesetzestext zu hieven. Aber ob das Dekret überhaupt eine Chance hat, durchs Parlament zu kommen, ist fraglich. Denn in Italiens Bankenwelt regt sich Widerstand.
Nach Zellers Darstellung kam es durch Renzis Eingreifen in letzter Minute zu der „Way-out“-Lösung für größere Genossenschaftsbanken mit einem Vermögen von mindestens 200 Millionen Euro: Unter der Bedingung, dass sie in Aktiengesellschaften verwandelt werden, können die „reichen“ Banche del Credito Cooperativo der Zwangsunterstellung unter eine neue Holding entwischen. Den kleinen Genossenschaftsbanken wird hingegen – so sieht es das Reformdekret vor – eine neue Dachgesellschaft übergeordnet, die die EU-Richtlinie zum Eigenkapitalanteil (CRD IV) erfüllt.
Zu den Kleinen gehören auch Südtirols Raiffeisenkassen. Über die SVP-Parlamentarier war es diesen gelungen, eine territorial begründete Ausnahmeregelung durchzusetzen. Weil die Raiffeisenkassen regionale Geldinstitute sind und die Region Trentino-Südtirol sekundäre Zuständigkeit für Banken hat, die ausschließlich auf ihrem Gebiet tätig sind, wäre die staatliche Reform einer Beschneidung der regionalen Gesetzgebungskompetenzen gleichgekommen, führt Zeller aus. Mit dieser Argumentation sei es gelungen, Rom zu einer Sonderregelung für Raiffeisen zu bewegen, die auch „den Segen der Banca d'Italia erhalten“ habe, so der Senator. Dass die Trentiner Genossenschaftsbanken eine Chance auf eine vergleichbare Sonderregelung haben, glaubt Zeller nicht. Denn diese Banken betreiben auch außerhalb der Region Geschäftsstellen, so dass das territoriale Argument auf sie nicht anwendbar ist.
Der Wortlaut des von Mattarella gegengezeichneten Dekrets hat nicht nur bei Raiffeisen Südtirol Stirnrunzeln hervorgerufen. Federcasse-Chef Alessandro Azzi erteilte der Sonderbehandlung der großen BCC, die 200 Millionen Euro ihr Eigen nennen, in einer ersten Stellungnahme eine Absage und meldete sogar verfassungsrechtliche Bedenken an. Die 200-Millionen-Trennlinie hält selbst der stellvertretende Wirtschaftsminister Enrico Zanetti für problematisch: „Entweder alle Genossenschaftsbanken werden einer Holding unterstellt oder keine.“ Auch Maurizio Gandini, der Vorsitzende des Verbandes Confcooperative, hält das Dekret für „verbesserungswürdig“.
Spätestens wenn die Umwandlung der Verordnung zu einem ordentlichen Gesetz ansteht, werden diese Bedenken im Plenum zur Sprache kommen. Ob das Dekret alle parlamentarischen Querelen überlebt, ist aus heutiger Sicht nicht gewiss. Für Raiffeisen bedeuten die Widerstände gegen die von Renzi umformulierte Maßnahme in jedem Fall aber, dass der Ausweg aus dem Problem BCC-Reform in die Ferne rückt.