Packen wir's an
Konstruktiv und konkret gab sich heute (18. April) der EVP-Sprecher im Europäischen Parlament Manfred Weber nach einem Besuch am Brenner und einem anschließenden Gespräch mit Landeshauptmann Arno Kompatscher im Palais Widmann. Eine Lösung der Flüchtlingsproblematik sei möglich, wenn die EU an ihren bisherigen Errungenschaften festhalte und alle Mitgliedsstaaten an einem Strang zögen, sagte der bayerische CSU-Politiker in Bozen. Es gebe einen klaren Aufgabenkatalog, der nun abzuarbeiten sei. Was den Brenner und die von Österreich geplante Wiedereinführung der Grenzkontrollen anbelangt, so ist für Weber „die EU-Rechtslage klar“: eine Aussetzung des Schengen-Abkommens sei nur in Extremsituationen zulässig, und eine solche sei derzeit nicht gegeben. Die Aussagen des österreichischen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil bezeichnete Weber deshalb als „eindeutig überzogen“: „Politiker sollten sich nicht auf Kosten Europas profilieren.“
Doskozil hatte kürzlich erklärt, Österreich könnte so weit gehen, den Brenner „dicht zu machen“ und seine Grenzen mit Soldaten zu sichern. „Wenn Österreich das Militär einsetzen will, dann könnte es vielleicht wie versprochen ein paar Soldaten nach Griechenland schicken“, sagte der EVP-Fraktionssprecher trocken. Für Weber, der sich am Vormittag mit der SVP-Kammerabgeordneten Renate Gebhard, SVP-Obmann Philipp Achammer und den Europaparlamentariern Herbert Dorfmann (SVP) und Elisabetta Gardini (Forza Italia) zu einem Ortsaugenschein am Brenner traf, ist der Aufgabenkatalog in der Flüchtlingsfrage klar: Italien muss die Außengrenzen sichern und die Registrierung der Migranten organisieren, Österreich hat dafür zu sorgen, „dass es uns gelingt, in Europa eine gerechte Lastenverteilung zu bewerkstelligen“. Die EU schließlich, die bereits Gelder und Personal zur Bewältigung zur Verfügung gestellt habe, müsse nun in Verhandlungen mit Libyen das wiederholen, was dank dem Abkommen mit der Türkei in Griechenland bereits gelungen sei: den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Im Notfall müssen man „den Schlepperbanden am Mittelmeer auch mit Gewalt das Handwerk legen“, sagte der CSU-Politiker, der morgen in Rom Außenminister Angelino Alfano treffen und ihn an „Italiens Hausaufgaben“ erinnern will.
Renate Gebhard und Manfred Weber heute am Brenner
Der heutige Termin in Bozen diente auch dazu, das gute Verhältnis zwischen Bayern und Südtirol zu bekräftigen. In der Einschätzung der Lage sei man „zu hundert Prozent deckungsgleich“, stellte Weber fest. Erst vor wenigen Tagen war Landeshauptmann Kompatscher in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel mit Wien hart ins Gericht gegangen :„Ich bin enttäuscht von der Rhetorik, die mit den angekündigten Maßnahmen verbunden ist. ...Ich habe das Gefühl, dass sich manche der handelnden Personen der Bedeutung nicht bewusst sind: Sie setzen 70 Jahre europäische Einigung aufs Spiel. Sie riskieren damit das größte Friedensprojekt der Geschichte, das uns auch Wohlstand gebracht hat - und das alles, weil man offenbar die nächsten Wahlen oder Umfragen fürchtet. Staatsmännisches Verhalten sieht anders aus.“ Heute betonte der Landeshauptmann einmal mehr, wie wichtig es sei, Schengen und den europäischen Einigungsprozess nicht in Frage zu stellen. EVP-Sprecher Weber sei „als Anwalt in dieser Sache“ unterwegs.
Die italienischen Wirtschaft und das Verkehrsministerium bereiten sich indes auf Extremsituationen am Brenner vor: Staumeldungen, aber auch Beschwerden und nützliche Informationen sollen künftig in den sozialen Netzwerken mit dem Hashtag #BrenneroMERCI gepostet werden. An der Aktion beteiligen sich u.a. die Frächtervereinigung im Verband CNA und der Sender Radio24.
Die Aussicht, dass der Brenner wegen der österreichischen Grenzkontrollen möglicherweise nicht nur Schauplatz von Rückstaus, sondern auch bei Demonstranten immer beliebter werden könnte, hatte am Wochenende Landeshauptmann Kompatscher und seinen Tiroler Amtskollegen Günther Platter bewogen, laut über ein Kundgebungsverbot nachzudenken. Ein Demo-Stopp am Brenner sei „wenig zielführend“, konterten heute die Südtiroler Grünen: „Wenn Bürgerinnen und Bürger friedlichen Protest gegen die drohende Grenzsperre erheben, so handeln sie nicht als Minderheit, sondern tun dies im Namen von Millionen Gleichgesinnter in ganz Europa.“