Politik | Österreich

Die heraufbeschworene Vorwahlkrise

Was die Umweltverbände und -Parteien gestern in helle Freude versetzte, hat in Österreich eine veritable Regierungskrise ausgelöst – und damit den Wahlkampf eingeläutet.
Karl Nehammer
Foto: Facebook/ Privat
  • „Schlammschlacht“, „Polit-Chaos“, „Türkis-Grün am Ende?“ – so titelten gestern (17. Juni) die österreichischen und internationalen Medien nach der Abstimmung zum Renaturierungsgesetz. Die EU-Verordnung selbst, mit welcher die Mitgliedstaaten nicht nur verpflichtet werden, ihre Umwelt zu schützen, sondern sie auch in einen guten ökologischen Zustand zurückzuführen, geriet dabei beinahe in den Hintergrund. Die Gesetzesvorlage wurde gestern (17. Juni) von einer knappen Mehrheit im Rat der EU-Staaten angenommen. Zu den Befürwortern gehörte auch Österreich bzw. deren Vertreterin, Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) – und dies gegen den ausdrücklichen Auftrag von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). 

  • Umweltministerin Leonoere Gewessler:: Nach dem Skandal um Lena Schilling die neue grüne Zukunftshoffnung? Foto: Facebook/Leonore Gewessler

    Nachdem Ministerin Gewessler im Rahmen einer Pressekonferenz bereits am vergangenen Sonntag erklärt hatte, dass sie mit Ja stimmen würde, wurde ihr vonseiten des ÖVP-Koalitionspartners vorsätzlicher Verfassungs- und Gesetzesbruch vorgeworfen. Am Sonntagabend informierte dann Nehammer den belgischen Ratsvorsitz, dass eine Zustimmung von Ministerin Gewessler rechtswidrig wäre. Der zuständige belgische Minister Alain Maron (belgische Grüne) erklärte die Auseinandersetzung zwischen Gewessler und Nehammer allerdings zu einer innerösterreichischen Angelegenheit und die Wahl für rechtskonform. Nach der Abstimmung kündigte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker an, Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen zu wollen und Gewessler wegen Amtsmissbrauchs anzuzeigen. Aus dem Bundeskanzleramt hieß es, dass das Votum von Bundesministerin Gewessler nicht dem innerstaatlichen Willen entspreche und daher nicht verfassungskonform abgegeben werden konnte. Mit „innerstaatlichem Willen“ gemeint ist dabei die Ablehnung des Gesetzes seitens Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) und auf Bundesländer-Ebene: Während sich das Burgenland, Wien und Kärnten (letztere beiden schwenkten erst vor Kurzem zu den Befürwortern um) für die Zustimmung aussprachen, wurde es von den übrigen sechs ÖVP geführten Bundesländern, Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark, abgelehnt. 

  • Höhepunkt, Schlussakt und Wahlkampfauftakt

    Nach viereinhalb turbulenten Jahren Türkis-Grün stellt diese heraufbeschworene Regierungskrise offenbar den Höhepunkt, Schlussakt und Wahlkampfauftakt für die Nationalratswahlen dar, die in dreieinhalb Monaten, und zwar am 29. September, stattfinden werden. Trotz der Differenzen will Kanzler Nehammer die Koalition mit den Grünen nicht vorzeitig beenden – Grund dafür sind wohl die düsteren Wahlprognosen, die einen Sieg der FPÖ vorhersagen. Die Blauen haben bereits bei den EU-Wahlen einen triumphalen Sieg davongetragen und liegen bei den aktuellen Umfragen noch vor der ÖVP zwischen 27 und 32 Prozent. 

  • Sonntagsumfrage zu den Nationalratswahlen: In Umfragen liegt derzeit die FPÖ vor der SPÖ und der ÖVP. Foto: Statista 2024
  • Angesichts dieser Zukunftsaussichten will die ÖVP einerseits Gewessler nicht zu einer Märtyrerin machen und sich andererseits von der grünen Ideologie befreien, um die konservative Stammwählerschaft zurückzugewinnen. Die Grünen mit Leonore Gewessler, die von manchen bereits als Nachfolgerin von Werner Kogler gehandelt wird, wollen sich dagegen als Klimaretter profilieren, was ihnen auch gelingt. Dass dieses Konzept nämlich aufgeht, zeigt beispielsweise die Aussendung des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, laut derer Umweltministerin Leonore Gewessler mit ihrer Stimme den Weg für mehr Natur und für besseren Naturschutz freigegeben habe – wobei „viele Naturschutzorganisationen und Wissenschaftler:innen bereits mit dem Schlimmsten gerechnet“ hätten. Somit lautet das Fazit von Hanspeter Staffler, Geschäftsführer des Dachverbandes: „Wir freuen uns riesig über das beschlossene Gesetz, das dem Naturschutz ordentlich Auftrieb geben wird.“ 

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Thomas Strobl Di., 18.06.2024 - 17:42

Antwort auf von G. P.

Das ist nur sicher, wenn irgendjemand die FPÖ zur "Gewinnerin" macht, durch Stimmen z. B. Hinter rechten Wahlsiegen stehen Wähler*innen, die Rechts wählen, kein schicksalhafter, reflexhaft auslösender Automatismus. Diese Binsenweisheit bewusst zu machen scheint notwendig, weil sich potentielle und faktische Rechtswähler*innen gern aus der Verantwortung stehlen. Sie sind (wenn auch in meinen Augen wenig souverän) der Souverän und tragen die Verantwortung für die rechte Politik.
Außerdem könnte die Konsequenz Gewesslers ja auch den Grünen Auftrieb verleihen, wenn sich z. B. an ihnen irregewordene ehemalige Wähler*innen plötzlich wieder in ihrer Politik wiederfinden können...

Di., 18.06.2024 - 17:42 Permalink
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Herta Abram Mi., 19.06.2024 - 14:55

...."sich dagegen als Klimaretter
profilieren,.."

Anbei, der link: https://klimadashboard.at/
Zu Daten und Fakten zur Klimakrise in Österreich:
u.a:
Gemessen an der Bevölkerungszahl liegen Österreichs Emissionen weit über dem weltweiten Durchschnitt.
- und speziellen weiteren interessanten Daten.
Ich denke diese rechtfertigen einen öKlimaschutzbeitrag !

---Solche Daten und Fakten zu "Klimakrise in Südtirol", würde ich spannend und aufschlussreich finden!! Gibts sowas? Danke für ev Infos dazu!

Mi., 19.06.2024 - 14:55 Permalink