Kultur | Faschismus

Giacomo Matteotti - 100 Jahre danach

Im Rahmen der Veranstaltung, die am 16. Oktober 2024 organisiert wird, gibt Prof. Andrea Di Michele Einblicke die weniger bekannten Aspekte der Geschichte Matteottis.
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Giacomo Matteotti
Foto: Giacomo Matteotti.
  • Als einer der Referenten des Events „Giacomo Matteotti – 100 Jahre danach“ erläutert der Professor für Didaktik der Geschichte an der Fakultät für Bildungswissenschaften die Relevanz von Matteottis Erbe und die Themen, die bei der Veranstaltung behandelt werden. Darunter Matteottis Haltung zu territorialer Autonomie und seine Wirkung im deutschsprachigen Raum nach seinem Tod. 

    unibz: Herr Professor Di Michele, welche Bedeutung hat Giacomo Matteotti heute, hundert Jahre nach seinem Tod?  

    Heute wird Giacomo Matteotti als Symbol für Integrität und politischen Mut angesehen. Er setzte sein Leben aufs Spiel, um sich dem Faschismus entgegenzustellen, und opferte alles im Kampf gegen das Regime. Seine Geschichte ist auch die eines Mannes, der, obwohl er aus einer wohlhabenden Familie stammte, sich den sozial Schwächeren zuwandte. Matteotti war von den Lebensbedingungen der ärmeren Bevölkerungsschichten tief betroffen und entschied sich, Sozialist zu werden, um sich für deren Rechte einzusetzen. Seine Figur steht für eine umfassendere und vielfältigere Sicht auf die Politik.  

    Bei der Veranstaltung „Giacomo Matteotti – 100 Jahre danach“ werden auch weniger bekannte Aspekte seiner Historie behandelt. Welche Themen werden dabei angesprochen? 

    Ein zentrales Thema ist Matteottis Haltung zu den neuen Provinzen und der Frage der Autonomie. Wir betrachten seine Position und die der Sozialisten im Hinblick auf die Verwaltung von Gebieten, die eine andere Sprache sprechen und nicht freiwillig Teil Italiens geworden sind. Ein weiteres Thema ist die Rezeption von Matteottis Figur nach seinem Tod in Ländern wie Österreich und Deutschland. Es wird untersucht, wie die Nachricht von seiner Ermordung, die in Italien große Bedeutung hatte, in diesen Ländern aufgenommen wurde. Besonders in Österreich wurde Matteotti schnell zu einer zentralen Figur im antifaschistischen Widerstand. 

    Wie wird die Figur Matteottis in den deutschsprachigen Ländern, insbesondere in Österreich, gesehen? 

    Mein eigener Beitrag befasst sich unter anderem damit. Einige Jahre nach Matteottis Tod errichtete die sozialistische Stadtregierung in Wien eine Wohnanlage, das zu Ehren Matteottis „Matteotti-Hof“ genannt wurde. Mussolini war darüber sehr verärgert und drängte die österreichische Regierung, den Namen zu ändern. Dies geschah erst 1934, als der Name durch Giulio-Giordani-Hof ersetzt wurde, benannt nach einem 1921 ermordeten Faschisten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Sturz des Faschismus wurde der Name Matteotti wiederhergestellt. Ich werde diesen Prozess nachzeichnen und seine Bedeutung für die Beziehungen zwischen Italien und Österreich beleuchten.  

  • Prof. Andrea Di Michele, Professor für Didaktik der Geschichte an der Fakultät für Bildungswissenschaften. Foto: unibz
  • Welche Rolle spielte Giacomo Matteotti in der Frage der territorialen Autonomie und der Integration der „neuen Provinzen“ nach dem Ersten Weltkrieg? 

    Es war nicht der Mittelpunkt seiner politischen Aktivitäten, aber Matteotti sprach sich deutlich für Autonomieprojekte in diesen Gebieten aus. Er und die Sozialisten forderten, dass auch nach dem Ersten Weltkrieg ein plebiszitäres Verfahren stattfinden sollte, um die Bevölkerung über die neue Souveränität entscheiden zu lassen, ähnlich wie bei der Gründung des italienischen Staates.  

    Was können wir heute von Matteotti lernen? 

    Matteotti lehrt uns den höchsten Wert der Politik. Er war ein entschiedener Pazifist in den Jahren der patriotischen Verherrlichung des Ersten Weltkriegs, als er erkannte, dass es keinen Gegensatz zwischen „Guten“ und „Bösen“ gibt, und ein Verfechter der politischen Bildung für alle. Er kämpfte gegen den Analphabetismus und wollte Bürger schaffen, die aktiv und bewusst am politischen Leben teilnehmen konnten.     

    Autorin: Miriam Fila