Chronik | Gesundheitswesen

Förderung der Angemessenheit

Angemessenheit im Gesundheitswesen ist eines der zentralen und meistdiskutierten Themen im Gesundheitssystem.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
(C) Pixabay
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  • In einer Zeit, in der die Ressourcen immer knapper werden und die Nachfrage nach medizinischer Versorgung aufgrund der Alterung der Gesellschaft stetig steigt, ist es essenziell, dass Patientinnen und Patienten weiterhin die bestmögliche Versorgung erhalten.

    Das Ziel muss darin bestehen, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und zum richtigen Zeitpunkt, das bestmögliche gesundheitliche Ergebnis für die Patientinnen zu erreichen.

    Man kann den Begriff der Angemessenheit jedoch auch anders auslegen. Dank Überwachung und Algorithmen versprechen politische Entscheidungsträger oftmals, genau zu wissen, wie viele medizinische Leistungen in einem bestimmten Gebiet benötigt werden.

    Diese Einschätzungen beruhen auf standardisierten Parametern, die mit den epidemiologischen, also statistischen, Gegebenheiten der Bevölkerung verknüpft werden. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, was individuell für jeden von uns am besten ist.

    Angemessenheit kann nicht durch einen Algorithmus bestimmt werden.

    Die Idee, nur notwendige Leistungen zu verordnen, erscheint auf den ersten Blick logisch. Doch Angemessenheit kann nicht durch einen Algorithmus bestimmt werden. Sie ist kein rein statistischer Wert und daher ungeeignet, um jedem Patienten die optimale Versorgung zu gewährleisten.

    Ärzte und Ärztinnen könnten in einem solchen System eher zurückhaltend sein, wenn es um die Verschreibung von Leistungen geht, die von der öffentlichen Hand getragen werden. Dies wiederum könnte zu einem verstärkten Zulauf in den privaten Gesundheitssektor führen, was jene benachteiligt, die sich private Behandlungen nicht leisten können.

    Für uns bedeutet Angemessenheit im Gesundheitswesen die Gesamtheit diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen, die den gesundheitlichen Bedürfnissen der Patientinnen entsprechen.

    Dabei sollte das Risiko unnötiger Leistungen minimiert werden, während der Einsatz von Ressourcen optimiert wird, um hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Patienten zu gewährleisten.

    Klinische Angemessenheit ist jedoch nur ein Teil des Problems. Diese beruht auf dem klinischen Zustand der Patienten sowie der Anwendung von Leitlinien, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.

    Zur Optimierung der Ergebnisse gehört aber auch eine gute Organisation der medizinischen Dienste. Ziel ist es, die Effizienz des Gesundheitssystems zu prüfen und Verschwendung sowie Leerlauf zu minimieren.

    Wirtschaftliche Angemessenheit hingegen bezieht sich auf den optimalen Einsatz der verfügbaren Mittel. Teure oder unnötige Behandlungen sollten vermieden werden, wenn kostengünstigere, aber ebenso wirksame Alternativen existieren.

    Wie man sieht, umfasst der Begriff Angemessenheit eine Vielzahl von Maßnahmen, die nur im Zusammenspiel zielführend sind. Klinische Angemessenheit allein kann die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems nicht gewährleisten.

    Ohne die anderen Maßnahmen riskieren wir, das Ziel einer optimalen Versorgung zu gefährden. Ein unangemessener Ressourceneinsatz kann wiederum negative Folgen haben, wie etwa Überdiagnosen, unnötige Behandlungen, höhere Gesundheitskosten und im Extremfall sogar Gesundheitsschäden für die Patienten.
     

    Ein Beispiel hierfür sind die zunehmenden Antibiotikaresistenzen aufgrund des übermäßigen Einsatzes dieser lebenswichtigen Medikamente. Auch bergen bestimmte diagnostische Untersuchungen gesundheitliche Risiken, weshalb sie nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie tatsächlich notwendig sind.

    Die Förderung von Angemessenheit erfordert einen integrierten Ansatz, der verschiedene Akteure im Gesundheitssystem einbezieht – darunter Ärztinnen, Pflegekräfte, Verwaltungspersonal, politische Entscheidungsträger und natürlich die Patienten.

    Das Vertrauen zwischen Ärzten und Patienten spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Ebenso darf man die Bedeutung der Aus- und kontinuierlichen Weiterbildung des Gesundheitspersonals nicht unterschätzen, um stets über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse informiert zu sein und fundierte, angemessene Entscheidungen treffen zu können.

    Obwohl all dies logisch klingt, ist die Umsetzung in der Praxis nicht immer einfach. Therapeutische Entscheidungen können durch Faktoren beeinflusst werden, die nicht ausschließlich klinischer Natur sind, wie etwa der Druck vonseiten der Patienten oder die Angst vor rechtlichen Auseinandersetzungen.
     

    Wenn es an Gesundheitspersonal mangelt, werden schnelle Entscheidungen getroffen, die "Angemessenheit" nicht immer gewährleisten.


    Ein weiteres bedeutendes Hindernis ist der Mangel an Ressourcen und Zeit. In einem Umfeld, in dem es an Gesundheitspersonal mangelt, fühlen sich Ärzte möglicherweise gezwungen, schnelle Entscheidungen zu treffen, die nicht immer die Angemessenheit gewährleisten.

    Auch die Patienten spielen eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, sie über ihre Gesundheit aufzuklären und in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Ein offener Dialog zwischen Ärzten und Patienten trägt zu begründeten Entscheidungen bei und verringert das Risiko unnötiger Eingriffe.

    Zudem kann die Aufklärung über die Risiken bestimmter Behandlungen oder diagnostischer Untersuchungen dazu beitragen, die Nachfrage nach unangemessenen Interventionen zu reduzieren.

    Letztendlich kann die Förderung von Angemessenheit zur Reduzierung von Wartelisten und zu einer besseren Versorgung führen. Um positive Ergebnisse zu erzielen, ist es aber unerlässlich, wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen, das Personal kontinuierlich weiterzubilden und vor allem die aktive Einbindung der Patienten anzustreben.

     

    Alfred Ebner