Kultur | Festival

Grüße vom Aufbau

Am Wochenende findet zum neunten Mal das DingsDo-Festival in Lajen statt. Was es so besonders macht, haben zwei vom DingsDo-Team SALTO erzählt. Eine Voraberkundung.
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Foto: SALTO
  • Lajen? Ist das noch Eisacktal oder schon Gröden? Egal, hier hat es angenehme August-Themperaturen, während im Tal alle bei der kleinsten Tätigkeit ins Schwitzen geraten. Geschwitzt wird aber auch hier, unweit der Sportzone von Lajen, wo seit Tagen eifrig an Südtirols heimeligstem Festival gearbeitet wird. Um über die Entstehungsgeschichte und das Wesen dieses nicht alltäglichen Festivals zu sprechen, haben Michelangelo Mariano (genannt Micke) und Christa Plank ihre Aufbauarbeit kurz unterbrochen, um im Gespräch mit SALTO einen etwas tieferen Einblick hinter die Kulissen von DingsDo zu gewähren. 

  • Herzliche Gastgeber und Gastgeberinnen: "Dem einerseits fest im dörflichen Umfeld verwurzelten Festival gelingt es viele Leute aus anderen Landstrichen anzusprechen und ein weltoffenes Publikum anzuziehen", sind Michelangelo Mariano und Christa Plank (im Bild) überzeugt. Foto: SALTO

    Angefangen hat 2011 alles damit, dass die Gründer und Gründerinnen selbst gerne Festivals besuchten und immer wieder darüber diskutierten, was ihnen da und dort mehr, bzw. weniger zusagte. Es fallen Festivalnamen wie Zugluft, Al Plan oder Kribis Krabis, alles engagierte Vorbilderfestivals oder eben Festivals, welche DingsDo organisatorisch oder auch vom sozialen Aspekt ähnlich sind. Insofern herrscht hier weder elitäres Getue noch Langzeitmonotonie in der Programgestaltung. Das ist eine Stärke, aber auch herausfordernd. Man wolle „in Bewegung bleiben“, auf Augenhöhe mit den nachkommenden Generationen sein, da man wisse, dass es „frischen Wind“ immer benötige. So bietet auch Ausgabe Nummer 9 Neuerungen, schließlich wollten die Macherinnen und Macher von einst nicht nur ihr "eigenes Festival" ins Leben rufen, sondern von Beginn an (den Ball flach haltend) als kleine Veranstaltung mit den bestehenden Organisationen im Dorf im Rahmen des Möglichen zusammenarbeiten. 

  • Gemeinsam Hand anlegen: Das DingsDo-Festival setzt vor allem auf Gemeinschaftlichkeit. Das macht es auch so menschlich. Foto: SALTO
  • Von Anfang an gelang es DingsDo ein Ort der Begegnung zu sein, wo Offenheit und Vielfalt geboten und erwünscht sind. Hier sollen sich Menschen unterschiedlichster Herkunft im großen Freiluft-Wohnzimmer der Sauwoade (Flurname des Austragungsortes) sprichwörtlich sauwohl fühlen – ohne dass beispielsweise finanzielle Hürden den Zugang einschränken könnten. Bis heute wird deshalb auf Eintritt verzichtet. Spenden werden natürlich gerne entgegengenommen.

  • Ein Platz für alle: Die vielen Sitzgelegenheiten bieten eine entspannte und gemeinschaftliche Atmosphäre. Foto: SALTO

    Funktioniert so vielleicht Anarchismus? Gut möglich! Hier gibt es nicht wirklich einen Chef, vielmehr eine sorgfältige Aufteilung der Aufgaben auf verschiedene Teams. „Diese Teams, wie etwa das Dekorationsteam, arbeiten weitgehend selbstständig und haben die Freiheit, ihre eigenen Ideen umzusetzen“, erzählt DingsDo-Urgestein Micke. „Die Offenheit und Flexibilität tragen dazu bei, dass sich das Festival jedes Jahr ein wenig verändert und immer wieder neu erfindet“, fügt Christa Plank hinzu. Es funktioniere deshalb, da junge Menschen in die Festivalorganisation eingebunden werden und ihnen von Anfang an auch Verantwortung übertragen wird. „Dies ist nicht nur eine Möglichkeit, das Festival zukunftsfähig zu machen, sondern auch, die Kreativität und Ideen der jüngeren Generation aktiv zu fördern.“ 
    Aber auch der Umgang mit den geladenen Künstlerinnen und Künstlern gestaltet sich bei DingsDo herzlicher als anderswo, nachdem bereits im Vorfeld klar gemacht wird, dass es bei DingsDo keinen großen abgeschotteten Backstage-Bereich gibt. „Wir legen Wert darauf, dass die auftretenden Bands und Künstler verstehen, dass es sich um ein Benefizfestival handelt“, so Micke, „bei dem der Gemeinschaftsgedanke im Vordergrund steht. Die Künstler sollen also nicht nur auftreten, sondern sich auch im Anschluss unter die Gäste mischen“. 

  • Nachhaltige Zukunft: Seit mehreren Jahren arbeitet "DingsDo" daran, die nächsten Generationen aktiv mit einzubinden. Foto: SALTO
  • Die zunehmende Bürokratisierung und die gestiegenen Sicherheitsanforderungen stellen mittlerweile auch das DingsDo-Festival vor ungeahnte Herausforderungen. Während die Organisatoren bei der ersten Ausgabe 2011 noch recht unbedarft und ohne größere Vorbereitungen starten konnten, ist die Planung inzwischen wesentlich komplexer: es müssen beispielsweise Sicherheitsberichte erstellt und zahlreiche weitere Auflagen erfüllt werden. Ein weiteres heikles Thema ist der Umgang mit Sicherheitskräften und Polizei. Hier sei es wichtig, dass die „Besonderheiten des Festivals verstanden werden“ und die teilnehmenden Menschen nicht als „potenzielles Problem“ betrachtet werden, sind Micke und Christa überzeugt. Glücklicherweise gab es in der Vergangenheit kaum größere Vorfälle. 

  • Immer in Veränderung: Ein Festival wie (nicht) jedes andere. Foto: SALTO
  • Und wie kommt das Ganze in Lajen an? „Es war uns immer wichtig, das Dorf samt Bewohnerinnen und Bewohnern in die Veranstaltung zu integrieren, sodass sich niemand ausgeschlossen fühlt“, erzählt Christa Plank, „alle sollen sich wohlfühlen.“ 
    Ausgeschlossen fühlen werden sich höchstens unverbesserliche Fleischfresser*innen, denn beim Dingsdo gibt es weder die klassische Bratwurst noch das saftige Kotelett. Das Festival ist von Anfang an vegetarisch konzipiert. Was einst ungewöhnlich, ja fast außerirdisch erschien, ist inzwischen chic, gesund und erinnert eher an die Berliner Innenstadt, als an ein Zelt- oder Waldfest nebenan. Das fleischlose Angebot komme gut an versichern beide: „Auch die Küche hat sich weiterentwickelt und bietet zunehmend vegane Optionen an.“

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