Godzilla wie er leibt und lebt
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Ein Geständnis: Ich habe bislang keinen einzigen der über dreißig Godzilla-Filme gesehen. Ja noch nicht einmal das Original aus dem Jahr 1954. Seither gab es viele weitere, zumeist japanische Ableger, auch eine Handvoll US-amerikanischer waren dabei. Im letzten Jahr konnte Godzilla Minus One sowohl Kritiker*innen als auch das Publikum überzeugen. Bei den Oscars 2024 gewann die japanische Produktion sogar einen Preis für die besten visuellen Effekte. Von verschiedenen Seiten war also zu hören, dass dieser Film besonders sei – und dass es sich lohnen würde, ihn anzusehen. Als Netflix Minus One nun plötzlich auf dem eigenen Streaming-Dienst veröffentlichte, geschah das ohne Ankündigung. Der Film war plötzlich da, die Fans jubelten, und ich beschloss, ihm eine Chance zu geben.
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Die Angst vor der Bombe
Es ist kein Geheimnis, dass das Filmmonster Godzilla Sinnbild für die Atombombe und die Angst der japanischen Bevölkerung vor einer erneuten nuklearen Katastrophe ist. Der erste Film kam knapp zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Kinos, einer Zeit, als die Erinnerung daran noch wach war. Was für eine Wirkung er damals haben musste, kann heute nur vermutet werden. Minus One spielt nun in der Zeit nach dem Atombombenabwurf auf Japan. Der Krieg endet gerade, als der Kamikaze-Pilot Kōichi Shikishima Fahnenflucht begeht, um dem Tod zu entrinnen. Nach Kriegsende kehrt er zurück nach Tokio und versucht, die Gräuel des zurückliegenden Konflikts zu vergessen. Nach einem spektakulären Prolog, in dem eine kleinere Version von Godzilla bereits zu sehen war, lässt Regisseur Takashi Yamazaki die Echse aber erstmal im Schrank. Etwa 40 Minuten lang sehen wir sie gar nicht. Stattdessen erzählt Yamazaki von der Nachkriegszeit und dem langsamen Zurückkehren in einen Alltag, der voller Trümmer ist. Eine junge Frau zieht bei Kōichi ein, dabei hat sie ein Baby, das ihr nicht gehört. Ein paar Jahre vergehen, und Kōichi nimmt einen gefährlichen Job an. Er soll gemeinsamen mit einer Gruppe Männer aufs Meer hinausfahren, um amerikanische Minen zu entschärfen. Jede von ihnen könnte hochgehen, und ob Kōichi am Abend nach Hause zurückkehrt, ist fraglich. Das viel größere Problem offenbart sich aber bald. Im Meer schlummern nicht nur Unterwasserminen, sondern auch Godzilla. Und als er erwacht und beginnt, sein Unwesen zu treiben, vermischt der Film plötzlich Monster-Kino mit zwischenmenschlichem Drama.
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Zerstörung und Zusammenhalt
Wenn Godzilla auf Tokio losgeht und achtlos Gebäude und Züge mit sich reißt, sterben Menschen und es bleibt eine Spur der Verwüstung zurück. Erst der gemeinsame Plan gegen das Monster schweißt die Bürger*innen zusammen. Interessanterweise verzichtet der Film auf die Hilfe der Regierung, im Gegenteil sind es die Privatpersonen, die sich, unterstützt von ehemaligen Marinesoldaten gegen Godzilla verschwören. Der Plan, den sie schmieden, mag absurd sein und nicht so recht zum ernsten Ton der ersten Filmhälfte passen. Auch die Ausführung und das Ende des Kampfes beißt sich mit der persönlichen Geschichte des Hauptcharakters. Der patriotische Ton, der zum Schluss doch durchdringt, trotz aller Kritik, die zuvor am japanischen „Menschen-Verschleiß“ geäußert wurde, irritiert aus westlicher Sicht etwas. Godzilla Minus One wirkt auf mich wie ein ernsterer Vertreter der Reihe. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Franchise noch viel abstrusere Ableger enthält, die es wohl zu entdecken gilt. Am Ende bleibt für mich vor allem eines im Kopf: Bewunderung für die Leistung des Filmteams, das diesen Streifen mit nur 15 Millionen US-Dollar umsetzte. Davon können sich viele große Blockbuster aus dem Westen eine Scheibe abschneiden. Hat mir Godzilla Minus One also gefallen? Mit Abstrichen, ja. Allein für den markerschütternden Schrei der Echse ist der Film einen Blick wert.
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(c) Netflix