Nachdem er seit Jahrzehnten dort geurlaubt hat, wurde der AfD-Mann Alexander Gauland nun also gebeten, sich künftig nicht mehr im Brixner Hotel Elephant niederzulassen. Das Medienecho auf den Umstand, den Gauland selbst publik gemacht hat, ist beachtlich: Nicht bloß lokal berichtet man darüber, auch die nationale RAI, La Repubblica, die FAZ, und – unvermeidlich – die BILD haben die Notiz aufgenommen, eine unbezahlbare Werbung für den Gastbetrieb. Dem man freilich die Frage stellen könnte, warum man sich erst jetzt an der Präsenz des unliebsamen Gastes gestört hat: Sein „Vogelschiss“-Sager liegt immerhin schon sieben Jahre zurück, das berüchtigte „Wir werden sie jagen“ fiel 2017, im selben Jahr merkte er an, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung wäre in Anatolien zu „entsorgen“. Ja, was Gauland von sich gibt, „ist teils schon schrecklich, sehr radikal“, wie BILD die Hotelbesitzerin zitiert, aber halt eben nicht erst seit gestern. Vermutlich hat die Leidensfähigkeit der anderen Gäste, die sich im schönen Südtirol am Panorama und nicht an einem Holocaust-Verharmloser am Frühstückstisch sattsehen wollen, ihre Grenzen erreicht. Egal, Hauptsache, jetzt ist Schluss damit.
Denn es war richtig, dem AfDler höflich die Abreise nahezulegen, nichts beweist das mehr als unsere Rechtspopulisten, die nun empört aufjaulen. Sie schreien „Diskriminierung!“, pochen auf Meinungsfreiheit und Toleranz, bemühen „rote Linien“ und fallen plötzlich mit ungewohnter Großherzigkeit auf: „Wenn sich jemand in Südtirol als Gast aufhält, sich hier ganz normal verhält und seine Rechnungen bezahlt, dann ist er ein willkommener Gast und kann auch gerne wiederkommen. Das muss für alle gelten.“ Ja, ist denn heut schon Fasching? fragt man sich da. Denn die zur Schau gestellte Entrüstung wird natürlich nur getriggert, wenn es einen aus den eigenen Reihen trifft. Und dann wird’s kompliziert, denn: Wie viel Toleranz kann man einfordern, wenn man selbst intolerant ist? Wie legitim ist es, rote Linien ziehen zu wollen, wenn man selbst andauernd solche überschreitet? Und, zum allerletzten Mal, für wie dumm will man uns verkaufen, indem man uns Rassismus und Hetze als bloße Meinung unterzujubeln versucht? Man werde sich der Groteskhaftigkeit der Szene bewusst, wenn Gauland gekränkt anmerkt, seine Tochter habe vor Jahrzehnten in dem Hotel schwimmen gelernt, und jetzt müsse er gehen: Derselbe Mann, der sich bloß eine neue Urlaubsunterkunft suchen muss, findet nichts dabei, Menschen und ihre Kinder, die in Deutschland aufgewachsen sind, aufgrund ihrer Herkunft in ein fremdes Land abzuschieben. Für seine Herkunft kann man nichts; Gauland hingegen hat sich bewusst dafür entschieden, die Person zu sein, die er ist. Dass er für seine Äußerungen die Konsequenzen tragen muss und mancherorts nicht willkommen ist, darf ihn nicht betrüben und seine Anhänger nicht aufregen: Es handelt sich hier um kein unverschuldetes Gebrechen oder angeborenes Defizit, mit dem man Nachsicht haben müsste. Auch wenn er zahlt und passable Tischmanieren hat.
Dass die Hotelbesitzerin ihm dies verdeutlicht hat, anstatt sich, wie vom HGV etwas feige und eigentlich gar nicht praktikabel vorgeschlagen, mit Ausreden herauszuwinden, spricht ebenso für sie wie die Sorge um das Wohl aller Gäste, die sie damit zutage gelegt hat: Indem sie Gauland auslädt, bewahrt sie nicht nur die Urlaubsfreuden derjenigen, die sich durch ihn gestört fühlen, sie schützt auch ihn selbst, der wohl früher oder später zur Zielscheibe lauter Worte oder gar einer Müsli-Attacke würde (oder vielleicht längst geworden ist). So ist im Sinne aller gehandelt, und das Hotel hat noch schöne PR dazu. Die AfD zu normalisieren und ihre Vertreter zu hofieren, das überlässt man jenen Politikern, die sie „hochqualifiziert“ nennen und ihre Gefährlichkeit für die Demokratie wendehalsig ausblenden – die Zivilgesellschaft, sie zeigt in diesem Fall klare Kante.