Gesellschaft | Zugverkehr

„Bringt keinen Mehrwert“

Das geplante zweite Bahngleis zwischen Meran und Bozen bleibt ein heißes Eisen. Der Bauernbund konnte heute seine Bedenken im Südtiroler Landtag zur Sprache bringen.
PK Bauernbund - Leiter Reber
Foto: SALTO
  • Der angedachte Ausbau der Bahnlinie Meran – Bozen sorgt schon seit Längerem für Diskussionen. Starke Kritik kam dabei immer von den Bauern und Grundbesitzern im Etschtal, die von der Errichtung einer zweiten Trasse zwischen Sigmundskron und Untermais direkt betroffen wären. Um den Austausch zwischen diesen Betroffenen und dem Landtag zu gewährleisten, reichte der freie Abgeordnete Andreas Leiter Reber einen Antrag im hohen Haus ein, damit im zuständigen IV. Gesetzgebungsausschuss eine Anhörung der Kritiker organisiert wird. Besagter Antrag wurde angenommen, wodurch heute (18.02.2025) der Anhörungstermin stattfinden konnte. Im Rahmen des Treffens legten vier Vertreter der Bauern dem Gesetzgebungsausschuss ihre Kritikpunkte und Vorschläge vor. Im Anschluss an das Treffen organisierten sie gemeinsam mit Leiter Reber eine Pressekonferenz, bei der sie entsprechend ihrer Bedenken und Anregungen ein Positionspapier präsentierten.

     

    „Überdimensionierte Bauprojekte sind nicht die Lösung.“

     

    Darin bekunden die Vertreter der Bauernbund-Bezirke Bozen und Burggrafenamt, dass sie grundsätzlich für eine zügige Modernisierung der Bahnverbindung Bozen – Meran seien. Es sei nämlich richtig und wichtig, dass der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wird und Anreize geschaffen werden, das Auto stehenzulassen. Ein Ausbau müsse aber mit Hausverstand und in kurzer Zeit erfolgen. Überdimensionierte Bauprojekte seien nicht die Lösung. Das derzeit geplante Projekt bringe in dieser Form keinen Mehrwert für die Bevölkerung im Etschtal zwischen Bozen und Meran. Stattdessen brauche es einen verlässlichen, pünktlichen, sauberen, sicheren und finanzierbaren öffentlichen Nahverkehr. Aus diesem Grund fordern die Beteiligten eine zeitgemäße Modernisierung der bestehenden Bahnstrecke. Um die Attraktivität und damit die Nutzerzahlen der Bahn zu erhöhen, müssten außerdem die Fahrpläne besser an den restlichen öffentlichen Nahverkehr, besonders die Busse, angepasst werden. Zudem sei eine bessere öffentliche Anbindung an die Bahnhöfe notwendig. Darüber hinaus regt der Bauernbund an, testweise eine direkte Busverbindung vom Bahnhof Meran zum Bahnhof Bozen über die Schnellstraße „MeBo“ einzurichten, mit eventuellen Haltestellen etwa bei den Krankenhäusern, in der Industriezone Bozen oder in der Drususallee. In der Testphase solle dann erhoben werden, wie stark die direkte Busverbindung genutzt wird, um die Ergebnisse dann zu bewerten und zu veröffentlichen.

  • Bahnstrecke Meran – Bozen: Die Idee für den Ausbau stammt aus dem Jahr 2015. Foto: STA
  • Nicht zuletzt erwarte man sich die Wiederaufnahme der Verhandlungen und des institutionellen Tisches. Es brauche bereits heute dringend eine Anlaufstelle, die sich gemeinsam mit dem Schienennetzbetreiber RFI um die Anliegen der Bevölkerung, der Grundeigentümer und der Gemeinden bemüht. Diese könne im Landes-Ressort Infrastrukturen und Mobilität oder bei der STA eingerichtet werden. 
    Die im Rahmen der Ausbauarbeiten vorgesehene Errichtung des Bahnhofs Sinich begrüßt der Bauernbund ausdrücklich, ebenso wie den Ausbau des dreigleisigen Virgl-Eisenbahntunnels und die Digitalisierung der Strecke. Die geplante Verlegung der Bahnhöfe Terlan und Siebeneich lehnt man jedoch entschieden ab.
    Im Positionspapier weisen die Bauern noch auf einige weitere Punkte hin. So sei laut aktuellem Stand und anders als kommuniziert, eine komplett neue, zweispurige Bahntrasse von Sigmundskron bis Untermais geplant. Was den SBB zufolge auch ehrlicherweise von den Verantwortlichen so kommuniziert werden sollte, statt die Betroffenen im Unklaren zu lassen. Sämtliche Bahnhöfe, Viadukte und Brücken müssten demnach neu errichtet und unzählige Infrastrukturen verlegt werden. Die Kosten dafür beliefen sich auf circa eine Milliarde Euro und nicht die vom Land ausgesprochenen 300 Millionen Euro, so der Bauernbund. Wer diese Kosten am Ende tragen wird, sei noch nicht ansatzweise geklärt, was bei einem Projekt dieser Größe aber unerlässlich sei. 
    Laut der offiziellen „Südtirolmbil-Seite“ ist der Bau eines zweiten Gleises zwischen der Haltestelle Kaiserau und dem Bahnhof Meran-Untermais vorgesehen. Dieses zweite Gleis könne auf der Hälfte der Strecke neben dem Bestandsgleis verlegt werden. Während es zu einem Drittel näher an den Etschdamm verlegt werde, um den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten. Die restliche Strecke erhalte einen neuen Verlauf, um eine Begradigung und Beschleunigung zu ermöglichen.

     

    „Der geplante Neubau der Bahntrasse wird, abgesehen von einem Direktzug zwischen Bozen und Meran, keinen Mehrwert bringen.“

     

    Der angestrebte Neubau ist den Bauern zufolge übertrieben, deutlich zu groß dimensioniert und viel zu teuer. Während der mehrjährigen Bauphase sei die Bevölkerung im Etschtal einer enormen Belastung ausgesetzt. Nicht nur durch die Baumaßnahmen, sondern auch durch die Unterbrechung beziehungsweise Störung der bestehenden Verkehrswege, Bahn, Radweg und Straße. Ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, verursacht durch den Bau, käme noch dazu. Der Nutzen der zweiten Linie sei für die Bevölkerung im Etschtal zudem mehr als fraglich. Der geplante Neubau der Bahntrasse werde, abgesehen von einem Direktzug zwischen Bozen und Meran, keinen Mehrwert bringen. Im Gegenteil: Die Direktverbindung ins Eisack- beziehungsweise Pustertal werde wegfallen. Zudem müsse ein Direktzug auch bei einer Modernisierung der bestehenden Strecke möglich sein. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass eine nennenswerte Fahrzeitverkürzung auch durch das Vorhaben nicht erreicht werde. Durch den Bau des dreigleisigen Virgl-Eisenbahntunnels und der Digitalisierung werde die Pünktlichkeit und die Taktung verbessert. Damit dürfe auch die halbstündliche Anbindung für Siebeneich und Vilpian möglich werden.
    Die Kommunikation von Seiten der Projektverantwortlichen werde als sehr negativ empfunden. Auf berechtigte kritische Fragen der betroffenen Gemeinden und der Interessensvertreter habe es keine oder nur ausweichende Antworten gegeben, obwohl Offenheit und Transparenz von den Verantwortlichen zugesichert worden sei. Die Kampagnen für das Großprojekt seien einer Landesregierung nicht angemessen. Es stelle sich die Frage, ob mit diesem Großprojekt nicht in Wirklichkeit andere Ziele verfolgt werden, wie eine internationale Verbindung nach Österreich oder in die Schweiz, die eine große Mehrbelastung für die Menschen im Etschtal und im Vinschgau bringen würde. 
    Letztlich werde auch die CO₂-Bilanz aufgrund des massiven Aus- beziehungsweise Neubaus und des damit verbundenen Ressourcenverbrauchs auf absehbare Zeit nicht verbessert. Es werde Jahrzehnte brauchen, bis dieser CO₂-Ausstoß wieder kompensiert wird.

  • Andreas Leiter Reber: Der freie Fraktionär unterstützt die Etschtaler Bauern. Foto: Seehauserfoto
  • Kosten gerechtfertigt?

    Im Rahmen der Pressekonferenz erklärte der Abgeordnete Leiter Reber, dass bei der Anhörung durchgedrungen sein, dass alle Beteiligten sowohl Grundbesitzer als auch Verbraucherschützer, Umweltverbände und die Vertreter der Bezirksgemeinschaft dafür sind, dass die Verbindung ausgebaut wird, man merke aber, dass es noch um das „Wie?“ geht. „Der beste Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen muss noch gefunden werden. Und auch was die Kommunikation untereinander betrifft, gibt es noch Luft nach oben.“ 
    Auch er kam auf die Kosten zu sprechen und bekundete, dass man die geschätzte Summe von einer knappen Milliarde (inklusive Virgltunnel) Euro, die bereits vor einem Jahr kolportiert worden sei, für ein solches „Jahrhundertprojekt“, durchaus rechtfertigen könne, falls es sich um eine Lösung handelt, die für alle zufriedenstellend ist. Seine Forderung lautet deshalb, dass 100.000 Euro (0,01 Prozent) verwendet werden, um alle Varianten zu berechnen und zu analysieren, um alle bestehenden Möglichkeiten zu überprüfen.

  • Kein Viertelstundentakt

    Kurt Hafner, Ortsbauer aus Terlan, nutzte die Pressekonferenz, um auf einige weitere Punkte hinzuweisen. So erläuterte er, dass der Ausbau der Bahnlinie nicht, wie in der Öffentlichkeit häufig angenommen, einen Viertelstundentakt der Züge garantiere. „Es soll zwar zwei Züge, einen Direkten und einen Indirekten, geben, dadurch entsteht aber kein Viertelstundentakt. Der Direktzug würde mit einem größeren Zeitabstand zum indirekten Zug starten und diesem hinterherfahren. In Bozen würden die beiden dann sehr zeitnah ankommen“, so Hafner. Zugleich würde der indirekte Zug gleich lange für die Strecke brauchen wie heute, etwa 42 Minuten
    Der Terlaner unterstrich am Ende der Medienversammlung noch, dass bis dato zu wenige Informationen geflossen seien und man künftig auf mehr Transparenz vonseiten der Landesverwaltung hoffe. Andreas Leiter Reber hingegen regte an, dass künftig auch die Vinschgerbahn unter die Lupe genommen werden müsse, zumal der Verkehr auch dort noch einspurig verläuft und der Zug durch den Umweg über Marling bis auf die Töll eine Menge Zeit verliere.

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nobody Di., 18.02.2025 - 20:25

Eine Trasse kann auch verbessert werden ohne gleich zu übertreiben. Bleibt die Frage, wer darf das bezahlen und wer darf bauen (man darf natürlich nicht fragen, wer die bustine bekommt). Wir reden hier von Bozen - Meran (nicht Verona - Milano). Wäre schon ganz gut, wenn die Planer mit den Füßen auf dem Boden blieben.

Di., 18.02.2025 - 20:25 Permalink
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m s Di., 18.02.2025 - 21:33

Der Ausbau der Linie Meran/Bozen wäre sehr begrüßenswert, am Besten verbunden mit einem besseren Hochwasserschutz mit Renaturierung von gewissen Etschabschnitten. Hoffentlich gelingt es den Bauern nicht den Ausbau zu verhindern. Der derzeitige Bummelzug ist viel zu langsam im Vergleich zur Straße.

Di., 18.02.2025 - 21:33 Permalink
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Andrea Parigi Di., 18.02.2025 - 21:39

Nur der Bauer der keine Öffentlichen Beiträge bekommt, dürfte bei der Planung einer Öffentlichen Infrastruktur von höchstem Allgemeininteresse etwas mitreden. Also keiner.

Di., 18.02.2025 - 21:39 Permalink
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Josef Fulterer Mi., 19.02.2025 - 06:32

... hat sich der damalige Bauernbund-Direktor Bertold Pohl bei der Klausur-Tagung in Terlan damit gebrüstet, dass die Verhinderung der MEBO ein weiteres Mal für ein Jahr gelungen ist!
Der Durnwalder war zu einer anderen Ansicht gekommen, ...
Die MEBO wurde auf das Geplärre der Bauern vom Grund-sparen, ohne Zu- + Ab-Lauf-Strecken gebaut + erst nach mehreren tödlichen Unfallen nach gerüstet.
Der Zug verbraucht für den zwei-spurigen Verkehr (im Eisack-Tal wäre 4 Spuren richtig!) viel weniger Grund wie eine Straße, ...

Mi., 19.02.2025 - 06:32 Permalink
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Frank Fink Mi., 19.02.2025 - 08:07

Es ist verständlich, dass Leiter-Reber im Gespräch bleiben will. Es ist schade, dass er sich dafür so ein wichtiges Projekt ausgesucht hat. Diese ganze Lügen: ich kann sie nicht mehr hören! Zu sagen, es bringe keinen Mehrwert für Terlan. WTF? Ist der ganze Durchzugsverkehr angenehm? Was ist mit dem Weitblick, was diese Trasse für den gesamten Verkehr bedeutet? ich verstehe, enteignet zu werden ist nicht schön - aber wie hier schon angesprochen wurde: Was würden wir jetzt ohne MEBO machen?

Mi., 19.02.2025 - 08:07 Permalink
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Salto User
Louis de Funès Mi., 19.02.2025 - 17:47

Die Bauern wollen nur den Preis für die Enteignungen hoch treiben.
Die Bewertung welches die beste Streckenführung ist, überlassen wir besser den Fachleuten.

Mi., 19.02.2025 - 17:47 Permalink