„Wir müssen übers Umsiedeln sprechen“

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„Ein falsch gebauter Damm kostet enorm viel“, sagt Georg Kaser. Der renommierte Klimaforscher aus Südtirol beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Gletscherschmelze, Wasserhaushalt und Erdbewegungen, die durch steigende Temperaturen verursacht werden. Ob der neu gebaute Schutzdamm in Kurzras oder Hangsicherungsarbeiten oberhalb des ehemaligen Hotels Eberle in Bozen – Schutzbauten würden nur dann Sinn machen, wenn sich das Ausmaß der zu erwartenden Zerstörung in Grenzen hält.
„Es braucht wie in der Schweiz eine öffentliche Diskussion darüber, wo umgesiedelt werden muss.“
„Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass man sich mit solchen Bauten in Zukunft vor Extremwetterereignissen schützen kann. Denn die Größenordnung der Extremwetter wird weiter steigen, wie bereits aktuelle Ereignisse zeigen“, erklärt Kaser. Das Problem dabei sei, dass in Südtirol zwischen den 70er und 90er Jahren günstiger Baugrund in sogenannten roten Zonen vergeben wurde. In diesen Zonen ist das Risiko, dass Massenbewegungen, Wassergefahren oder Lawinen eintreten, am höchsten. Die vier Gefahrenstufen grau, gelb, blau und rot hängen von der Intensität und der Häufigkeit eines Phänomens ab. „Gebäude und Infrastruktur in bestimmten roten Zonen werden in absehbarer Zeit nicht mehr haltbar sein“, prognostiziert der Glaziologe.
Was das für Südtirol heißt, wird derzeit nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. „Unser Anspruch ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Schutz der Siedlungsräume und Schutz des ländlichen Raumes zu schaffen“, erklärt Peter Egger, Direktor vom Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung West. Bei der Planung und Ausführung von technischen Maßnahmen würden die im Gefahrenzonenplan ausgewiesenen roten und blauen Gefahrenzonen Vorrang haben – also genau jene Gebiete, die bald von Muren und Steinschlag verschüttet werden könnten. Die Gefahrenzonenpläne sind hier eine wichtige Grundlage, um das Risiko abzuschätzen. Mittlerweile haben 99 der 116 Südtiroler Gemeinden einen genehmigten Gefahrenzonenplan, 13 Pläne werden derzeit fachlich geprüft und vier befinden sich im Genehmigungsverfahren.
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Beispiele in Schnals und Bozen
Laut Gefahrenzonenplan liegen die Abstellplätze für Wohnwagen und Autos in Schnals in der roten und blauen Zone. Das von einem Steinschlag im Jahr 2021 schwer beschädigte Hotel Eberle am Hörtenberg in Bozen befindet sich ebenfalls in der roten Zone. Dort werden derzeit Spreng- und Sicherungsarbeiten durchgeführt, um laut dem Amt für Geologie und Baustoffprügung für 5 Millionen Euro nicht nur das teilweise abgerissene Hotelgebäude zu schützen, sondern die gesamte Zone Rentsch und St. Magdalena.
In Kurzras am Ende des Schnalstals werden für den Schutzdamm und ein Rückhaltebecken 5,5 Millionen Euro an öffentlichen Geldern investiert, um die Landesstraße, den Stellplatz für Wohnwagen und die Parkplätze der Schnalstaler Gletscherbahnen sowie weitere Einrichtungen vor Lawinen und Muren zu schützen. Dafür baute das Land einen Lawinenablenkdamm von 860 Metern Länge und bis zu 22 Metern Höhe. Die beauftragte Baufirma verwendete knapp 77.000 Tonnen Steine dafür. „Investitionen in solche Projekte sind wichtig, um die wirtschaftliche Tätigkeit in der Peripherie zu stärken. So können Arbeitsplätze erhalten und ausgebaut werden“, erklärte Landeshauptmann und Zivilschutzlanderat Arno Kompatscher bei einem Lokalaugenschein letztes Jahr im Herbst.
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Klimaforscher Georg Kaser bleibt skeptisch. „Es geht nicht nur um diesen einen Schutzdamm, sondern um die Frage, welche Bauten den Aufwand wert sind. Was schütze ich damit und wie viele CO2-Emissionen werden für die Errichtung ausgestoßen?“ Im Fall von Kurzras waren Hunderte Lkw-Fahrten notwendig, um das Gesteinsmaterial anzuliefern, damit verursacht alleine der Transport hohe Treibhausgase. Hinzu kommen die Baggerarbeiten.
Alleine ein Bagger stoßt an einem Arbeitstag mit dem Verbrauch von 300 Litern Brennstoff rund eine Tonne CO2 aus. Wenn die Pariser Klimaziele eingehalten werden sollen, hat jeder Mensch ein CO2-Budget von bis zu zwölf Tonnen – arbeitet ein Bagger zwei Wochen lang, wäre folglich das gesamte Budget eines Menschen aufgebraucht. „Wir müssen darüber sprechen, welche Schutzmaßnahmen die öffentliche Hand übernehmen soll. Es braucht wie in der Schweiz eine öffentliche Diskussion darüber, wo umgesiedelt werden muss. Dort wird seit jeher mehr auf Selbstverantwortung der einzelnen Bürgerinnen und Bürger als auf die öffentliche Fürsorge gesetzt“, erklärt Kaser.
Gerade weil die Folgen des Klimawandels bereits auch hierzulande spürbar sind, scheint nun kein kurzsichtiges Handeln gefragt, um einzelne Gebäude oder Straßen zu schützen, sondern langfristiges Denken.
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Hinweis: In welcher Gefahrenzone Ihre Wohnung oder Immobilie steht, können Sie im GeoBrowser Map View des Landes nachsehen.
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Bis heute wurde Südtirol von…
Bis heute wurde Südtirol von den punktuellen Stark-Regen-Fällen fast verschohnt, die in Italien, Österreich, Deutschland + vor besonders in Spanien, sehr schwere Schäden angerichtet haben.
In Folge der erhöhten Meer-Wasser-Temperatur, schießen "die viel zu vielen empor schießenden Wasser-Dampf-gesättigten Heiß-Luft-Blasen in die Höhen-Winden (Jet Stream) + verwirbeln dort," dadurch "kommt es viel häufiger zu den Wolkenbruch-artigen Starkregen-Fällen, die alle Regen-Wasser-Ableitungen + die Bäche überfordern!"
Wenn ein Bild alles sagt:Gut…
Wenn ein Bild alles sagt:Gut ein halbes dutzend Maenner(denken wohl ueber sich selber sie seien die hellsten Koepfe des Landes)verschraenken die Arme vor der Brust und gucken Loecher in der Landschaft
Antwort auf Wenn ein Bild alles sagt:Gut… von franz
Das Bild hat der Kommentator…
Das Bild hat der Kommentator (oberflächlich) gesehen - wenn auch nur 2 der 9 (9, nicht “gut ein halbes Dutzend) Männer “die Arme vor der Brust verschraenkenl.
Den Text aber scheint der Kommentator nicht gelesen zu haben, möchte man meinen.
Übdersiedeln ... ?, mit den…
Übdersiedeln ... ?, mit den Südtiroler-Enteignungs-Werten ...?, das wird teuer werden, "wenn die Katastrophe nicht schon Alles zerstört hat!"
Über ..., bitte korrigieren!
Über ..., bitte korrigieren!
Kosten-Nutzen-Rechnung
Kosten-Nutzen-Rechnung
Wenn Südtirol von ähnlichen…
Wenn Südtirol von ähnlichen Un-Wetter-Ereignissen betroffen wird, die in den Nachbar-Regionen zur Überfordeung aller Abfluß-Systeme geführt - + immense Schäden verursacht haben, "müssen die Karten für eine Kosten-Nutzen-Rechnung neu gemischt werden," weil Berghänge abrutschen + "in der Folge größere Siedlungs-Gebiete unter Muhren verschwinden."