Umwelt | Biodiversität

Verlorener Wald, neue Chance

Die Degradation des Brixner Auwaldes ist nur eine Frage der Zeit. Aus diesem Grund setzt sich die Umweltgruppe Eisacktal für die Erweiterung der Millander Au ein.
Eisvogel
Foto: Sepp Gamper, Albeins
  • Im Streit um den Erhalt eines kleinen Auwaldrestes neben dem Betriebsgelände der Firma Progress in Brixen sind die Fronten verhärtet. Während eine kleine Gruppe von Umweltschützern rund um Franz Pattis weiterhin den vollständigen Erhalt fordert, stellt sich die Umweltgruppe Eisacktal Hyla hinter einen pragmatischeren Zugang – mit dem Ziel, aus der schwierigen Situation einen echten ökologischen Mehrwert zu schaffen. „Uns wäre es natürlich am liebsten, wenn der Auwald erhalten bleiben könnte und gleichzeitig die Millander Au erweitert würde“, sagt Lukas Neuwirth, Vorsitzender der Umweltgruppe Hyla. Doch Neuwirth weiß, dass diese Idealvorstellung kaum realisierbar ist. Statt auf Aktionismus setzt die Umweltgruppe daher auf ein Konzept, das ökologische Verbesserungen durch gezielte Maßnahmen schaffen soll – allen voran durch die Erweiterung der Millander Au.

  • Ein bedrohtes Restbiotop

    Der Auwaldrest neben dem Betrieb Progress ist durch Straßen und Industrieanlagen zunehmend isoliert. Zwar weist die Vegetation, insbesondere durch typische Grau-Erlen und Weiden, noch Merkmale eines intakten Auwaldes auf, doch die fortschreitende Austrocknung und ökologische Degradation lassen laut Neuwirth eine schleichende Veränderung erkennen. „Die natürliche Sukzession ist nicht aufzuhalten“, warnt er. Auch technische Lösungen wie eine künstliche Wasserleitung aus dem Eisack seien laut Fachmeinung wenig erfolgversprechend – etwa wegen drohender Versandung, wie der frühere Landesbeamte und Landtagsabgeordnete Hanspeter Staffler erklärt habe.

     

     „Es ist nur eine Frage der Zeit, wenn nicht heute, wird es in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren soweit sein.“

     

    Ein vollständiger Erhalt des Auwaldrestes sei damit laut der Umweltgruppe langfristig unrealistisch. Der ökologische Druck auf das isolierte Waldstück werde bleiben und früher oder später zur völligen Umnutzung führen. „Es ist nur eine Frage der Zeit, wenn nicht heute, wird es in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahre soweit sein“, sagt der Vorsitzende der Umweltgruppe.

  • Ausgleichsmaßnahme in der Millander Au: Als Kompensation für die Rodung des Brixner Auwaldes soll die Millander Au vergrößert werden. Foto: Progress
  • Kein Austausch, keine Zukunft

    Die ökologische Isolation wirkt sich massiv auf die Artenvielfalt aus. Zwar bestehe für Vögel noch ein gewisser Austausch mit der Umgebung, doch Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger seien durch die umliegende Infrastruktur vom genetischen Austausch abgeschnitten. „Ein langfristiges Überleben dieser Populationen ist so kaum möglich“, betont Neuwirth.

  • Die Millander Au als Chance

    Angesichts dieser Fakten setzt Hyla auf eine ökologisch hochwertige Ausgleichsmaßnahme: Die Erweiterung der Millander Au. Das Brixner Unternehmen Progress hat dafür angrenzende Apfelwiesen mit einer Fläche von 1,7 Hektar erworben, um das bestehende Biotop zu vergrößern. Ein Schritt, den der Umweltschützer als große Chance sieht. Die Millander Au beherbergt bereits heute über 160 teils bedrohte Vogelarten, darunter seltene Arten wie Rohrdommel, Zwergtaucher und Eisvogel. Auch zahlreiche Amphibien, Reptilien, Tag- und Nachtfalter, Kleinsäuger und Pflanzenarten finden dort einen geeigneten Lebensraum. „Die ökologische Vielfalt ist dort um ein Vielfaches höher“, so Neuwirth. Eine Erweiterung dieses Biotops könne ein echtes Refugium für gefährdete Arten schaffen – nicht als bloßer Ausgleich, sondern als effektive ökologische Aufwertung.

  • Gesetzliche Lücken – moralische Verpflichtung

    Zwar schreibt das Gesetz Ausgleichsmaßnahmen bei Eingriffen in Naturlebensräume vor, doch es lässt viele Fragen offen: Weder Umfang noch Qualität der Maßnahmen sind klar geregelt, ebenso fehlen finanzielle Richtlinien oder Sanktionen bei Nichterfüllung. Laut Neuwirth existiere jedoch ein inoffizielles „Gentlemen’s Agreement“, wonach ein bis drei Prozent der Investitionssumme in ökologische Ausgleichsprojekte fließen sollen. In diesem Rahmen sei die geplante Erweiterung der Millander Au ein Modellfall für sinnvolle Umweltpolitik. „Wir wollen mit einem guten Ergebnis überzeugen – die Resultate sollen für sich sprechen“, sagt Neuwirth. Der Ausgleich solle nicht nur formal erfüllt, sondern ökologisch „rentabel“ sein – ein echter Mehrwert für die Natur.

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    Franz Pattis Do., 19.06.2025 - 15:29

    Antwort auf von Herta Abram

    Genau bzw. leider!!
    Wie sagte bereits in der Dezember-2019-Ausgabe der Monatszeitschrift „Brixner“ der damalige Präsident der Umweltgruppe Eisacktal Martin Prader zur geplanten Rodung des Auwaldes durch die Firma Progress: „Sich dagegen aus Prinzip zu sträuben nützt nichts, also suchten wir diesmal einen anderen Weg“.
    Will also heißen dass in Zukunft die Wirtschaft bei ihrem Streben nach „mehr und mehr“ keinen Widerstand mehr von den offiziellen Umweltgruppen zu erwarten hat, wenn Ausgleichsmaßnahmen bzw. ein „Greenwashing“ angeboten wird, siehe auch: https://salto.bz/de/article/08092022/greenwashing-made-brixen
    Beim Auwald in Brixen wäre das die Erweiterung der Millander Au in eine Bauschutt- bzw. Mülldeponie mit Altölvorkommen, gefunden bei Probebohrungen des Amtes für Wildbachverbauung im Herbst 2020. Hinzu kommt dann auch noch die starke Pestizidbelastung auf dieser durch die Firma Progress angekauften Obstplantage. Daher stellt sich auch die Frage, ob diese Erweiterung der Millander Au überhaupt gelingen kann?
    Was den im obgen Pressetext zitierten Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz Hanspeter Staffler betrifft, erlaube ich mir folgendes zu erwähnen. Der ex-Landtagsabgeordnete gab nämlich im Vorjahr folgende Stellungnahme in den Medien betreffend die Neutrassierung mit Baumschlägerungen des Franzin-Liftes am Karerpass ab. „Da müssen Ausgleichsmassnahmen gemacht werden“. Keine Spur aber von einem Protest gegen die neue Trasse auf Kosten der Natur!!
    Wenn das die neue Strategie der offiziellen Südtiroler Naturschützer ist dann gute Nacht Umwelt!!!

    Do., 19.06.2025 - 15:29 Permalink
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    Hartmuth Staffler Do., 19.06.2025 - 13:45

    Es ist eine bewährte Methode (in ähnlicher Form auch beim Denkmalschutz praktiziert): Man lässt ein wertvolles Biotop verkommen, wobei man natürlich tatkräftig mithilft, um dann festzustellen, dass es leider nicht mehr zu retten ist. Als Alternative wird dann ein wesentlich kleineres Biotopstückchen angeboten, und alle sollen froh und glücklich sein. Der Auwald in Brixen war früher sogar einmal Quellschutzgebiet, aber das ist lange her. Noch früher, im Jahr 1913, hat die "Brixener Chronik", die damalige Brixner Zeitung, vorgeschlagen, das Gebiet als Naturschutzzone auszuweisen. Aber wen interessiert schon, was damals war. Heute zählt nur Beton, zumindest bei den Verantwortlichen. Die anderen haben ja nichts zu sagen.

    Do., 19.06.2025 - 13:45 Permalink
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    Franz Pattis Do., 19.06.2025 - 16:58

    Der neue Präsident der Unweltgruppe Eisacktal Lukas Neuwirth sagt im obigen Pressetext: „die fortschreitende Austrocknung und ökologische Degradation lassen eine schleichende Veränderung erkennen. Die natürliche Sukzession ist nicht aufzuhalten“.
    Sehr interessant was Herr Neuwirth so von sich gibt! 2018 klang dies aber noch ganz anders, siehe nachfolgende Anlage der Beantwortung der Landtagsanfrage Nr. 1015/2020
    betreffend den Zustand des Auwaldes in der Brixner Industriezone:
    https://www.dropbox.com/scl/fi/aeq2wdkvn6ubucj64n4va/AntwortAnlageZusta…
    Auszug: „Die kleinflächigen Auwaldreste sind kleine Überbleibsel und sind von fundamentalem Wert für die heimische Flora und Fauna. Pflanzen- und Tierarten von Feuchtlebensräumen mussten im letzten Jahrhundert sehr starke Rückgänge hinnehmen und sind vielfach stark gefährdet. Besonders wichtig ist das Waldstück für eine Vielzahl von Vogelarten. Unter anderem wurde uns aus dem Gebiet ein Vorkommen des Kleinspechtes gemeldet. Dieser ist in Südtirol stark gefährdet, Brutvorkommen gibt es nur bei Bruneck und Brixen. Insgesamt konnten im Waldstück 64 Vogelarten beobachtet werden. Von 29 Arten konnte eine Brut im Gebiet nachgewiesen werden. Gefährdet sind davon der Grauschnäpper, der Wendehals, der Grauspecht, die Nachtigall, der Waldlaubsänger und der Wiedehopf“.
    Erstellt wurde diese naturkundliche Erhebung übrigens von seinen Freunden in der Umweltgruppe Eisacktal und zwar von Andreas Hilpold, Johannes Wassermann, Andreas Declara, Hannes Markart und Georg v. Mörl am 5.7.2018.
    Weiters steht in dieser Erhebung: „Der Wald ist daher eindeutig in den prioritären
    FFH-Lebensraum 91E0 (Anhang I der Fauna-Flora-Direktive: „Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior; Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae“ zu stellen“.
    Zur Vollständigkeit jetzt noch der link zur Beantwortung obiger Landtagsanfrage:https://www.dropbox.com/scl/fi/jangbumy2u2h53r32it9w/AntwortAnfrageZust…
    Frage an Herrn Neuwirth: wie kann es sein dass nach nur sieben Jahren dieser Auwald auf einmal nichts mehr wert ist?! Und was für „Spielchen“ laufen da im Hintergrund…..

    Do., 19.06.2025 - 16:58 Permalink