Politik | Wärmewende

Bürgermeister bremsen Kompatscher ein

Weil der Landeshauptmann auf klimafreundliche Wärmepumpen setzen will, gehen 112 Gemeinden vor Gericht: Der Pustertaler Bezirkspräsident Steger fordert mehr Mitsprache.
Robert Alexander Steger
Foto: privat
  • Robert Alexander Steger wirkt zufrieden. Der Präsident der Bezirksgemeinschaft Pustertal hat im Mai in seiner Heimatgemeinde Prettau die Wiederwahl als Bürgermeister geschafft und in seinem Bezirk befindet sich die erste funktionierende Energiegemeinschaft. Außerdem haben alle 26 Gemeinden des Bezirks ihre Klimapläne genehmigt, das wurde Anfang der Woche im Ratssaal der Stadtgemeinde Bruneck feierlich festgehalten. 

     

    „Hier nur auf Gas zu setzen, ist extrem kurzsichtig.“

     

    Die Pustertaler Gemeinden gehören auch zur Selfin GmbH, die als Zusammenschluss von 112 Südtiroler Gemeinden zu 51 Prozent an der Südtirolgas AG und zu 18 Prozent an der Selgas GmbH beteiligt ist. Beide Anbieter haben kürzlich vor dem Bozner Verwaltungsgericht bewirkt, dass das teilweise Verbot von Öl- und Gasheizungen ausgesetzt wird. Steger weiß Bescheid, er stehe hinter der Eingabe vor Gericht. „Das Dekret des Landeshauptmanns hat Ähnlichkeiten mit dem Heizungsgesetz des ehemaligen Grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck in Deutschland. Die Bestimmungen des Landes wurden nicht mit den Gemeinden abgesprochen und die Auswirkungen sind gravierend“, so Steger. 

  • Gebäudesektor im Umbruch

    Roland Plank: „Wir müssen von fossiler Energie weg.“ Foto: Klima Club Südtirol

    Das Bündnis Climate Action South Tyrol begrüßt das Dekret hingegen als einen der wichtigsten Beschlüsse der letzten Jahre und kritisiert das Vorgehen der beiden Unternehmen vor Gericht. Auch der Klima Club Südtirol fürchtet nun eine zeitliche Verzögerung bei der Wärmewende, so Gründungsmitglied Roland Plank. „Es geht nicht darum, das Gas sofort abzuschalten. Sondern es soll lediglich beim Heizungstausch sichergestellt werden, dass die neue Heizung klimafreundlicher ist als die vorige.“ Solange 30 Prozent erneuerbare Energiequellen genutzt werden, kann in bestehenden Gebäuden eine Gastherme eingebaut werden. 

  • Langfristig braucht es für die Energiewende eine zukunftsfähige Infrastruktur. „Gemeinden sollten Interesse daran haben, dass Menschen sich auch in Zukunft in ihren Wohnungen wohl fühlen und dazu gehört ein funktionierendes Heizsystem. Hier nur auf Gas zu setzen, ist extrem kurzsichtig“, so Plank. Da ab dem Jahr 2027 auch der Gebäudesektor in den EU-Emissionshandel aufgenommen wird, werden die Preise für Heizöl und Erdgas steigen und Strom attraktiver. „Jetzt haben wir noch zu hohe Stromkosten, daher ist es nicht immer wirtschaftlich, eine Wärmepumpe einem Gaskessel vorzuziehen. Die Wärmepumpe ist aber immer die energetisch und ökologisch bessere Alternative. Wir müssen so schnell wie möglich von den fossilen Energieträgern unabhängig werden.“

     

    „Das Märchen, dass die Sonne keine Rechnung schickt, stimmt einfach nicht.“

     

    Der Klima Club Südtirol fordert darüber hinaus einen Wärmeplan und die Überarbeitung der Förderrichtlinien, auch weil eine Wärmepumpe heute nur in Kombination mit einer Solaranlage gefördert wird. Die Installation einer Wärmepumpe mache auch ohne eigene Photovoltaikanlage Sinn und sollte daher auch für sich gefördert werden. „Es streitet niemand ab, dass Wärmepumpen eine hohe Energieeffizienz haben. Aber sie brauchen Strom aus der Steckdose und das Märchen, dass die Sonne keine Rechnung schickt, stimmt einfach nicht“, kritisiert auch Steger. 

  • Lösung Biomethan?

    Gleichzeitig solle bestehende Infrastruktur nicht einfach von heute auf morgen stillgelegt werden: „Mittelfristig kann das Gasnetz, in das viele öffentliche Gelder geflossen sind, mit Biogas oder Wasserstoff genutzt werden“, erklärt der Pustertaler Bezirkspräsident. Als Beispiel nennt er die Vergärungsanlage in Lana, die in Zukunft mit dem gesamten Bioabfällen Südtirols Biomethan herstellen soll. Derzeit wird vom Land eine Machbarkeitsstudie für das Projekt durchgeführt. 

  • Die Vergärungsanlage in Lana: Soll hier in Zukunft Biomethan hergestellt werden? Foto: Eco Center
  • „Biogas spielt hier sicherlich eine Rolle, wobei es großzügig geschätzt nur bis zu zehn Prozent des aktuellen Gasbedarfs der Südtiroler Haushalte decken kann. Gemeinden in Deutschland überlegen bereits Teile des Gasnetzes stillzulegen oder es anders zu nutzen“, erklärt Plank vom Klima Club dazu. Die Herstellung von Biogas ist hierzulande entweder mit Gülle, Bioabfällen oder mit dem Schlamm von Kläranlagen möglich. 

    Ob die geringe Menge an Biogas tatsächlich für Heizzwecke genutzt wird, zieht der Experte allerdings in Zweifel. „In Südtirol sind einige Industriezweige bei der Umstellung auf erneuerbare Energien auf Biogas angewiesen und wo eine große Nachfrage und ein kleines Angebot besteht, steigt bekanntlich der Preis.“ 

  • Beispiel Pustertal

    Im Bezirk Pustertal wird hauptsächlich mit Fernwärme geheizt, viele Haushalte haben zudem eigene Heizsysteme mit Pellets oder Hackschnitzel. Durch die Verbrennung von Biomasse und die Stromproduktion mit Wasserkraft haben die Pustertaler Gemeinden bereits heute das Ziel des Südtiroler Klimaplans für das Jahr 2030, 75 Prozent erneuerbarer Energie zu nutzen, erreicht. Deshalb will die Bezirksgemeinschaft innerhalb der nächsten fünf Jahre den Anteil auf 88 Prozent erhöhen. 

    Auch Plank sieht in den Fernheizwerken für Südtirol einen Vorteil, da sie mit Holzschnitzel effizient Wärme erzeugen. Ein weiterer Ausbau der Solarenergie und die Nutzung von Wärmepumpen würden die Energieversorgung in Zukunft ergänzen. Große Hoffnung wurde bei der Energiewende in die Energiegemeinschaften gesetzt, hier ist die Umsetzung aber noch am Anfang. Zwar gibt es mittlerweile in fast allen Landesteilen Energiegemeinschaften, doch längst nicht alle können bereits operativ tätig werden. 

    Im Pustertal wurde die EEG Tauferer Ahrntal als erste Energiegemeinschaft Südtirols im Dezember 2024 von der zuständigen nationalen Behörde (Gestore dei Servizi Energetici/GSE) aktiviert. Die EEG Pustertal muss hingegen das überarbeitete Statut der Genossenschaft erneut GSE zur Zulassung vorlegen. Voraussichtlich wird sie in einem Monat aktiviert. 

  • Besuch im Tauferer Ahrntal: Paolo Arrigoni von der Energiebehörde aus Rom hat sich das Projekt angesehen. Foto: SEV
  • „Die EEG Tauferer Ahrntal ist auf Initiative von drei historischen Genossenschaften entstanden und nach einem Jahr Vorarbeit können nun Fördertarife ausgezahlt werden. Das Ganze ist bürokratisch außergewöhnlich komplex“, erklärt Steger. Die Energiegemeinschaft umfasst zwei Primärkabinen und damit die Gemeinden Sand in Taufers, Ahrntal, Mühlwald, Prettau und die Gaiser Gemeindefraktion Uttenheim. Wasserkraft und Biomasse sind dabei die wichtigsten Energieträger, aber auch Photovoltaik wurde installiert. „Den Strom, den unsere kleine Solaranlage auf dem Dach der Gemeinde Prettau im Jahr liefert, produziert unser Wasserkraftwerk in einer Stunde“, so Bürgermeister Steger. „Wir haben während der Hälfte des Jahres Schnee auf dem Dach, in anderen Gebieten mit weniger Niederschlägen wie dem Vinschgau funktioniert Photovoltaik besser.“ 

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Robert Hölzl Fr., 11.07.2025 - 20:48

Lösung von Klima Club und Co.: Wir machen alles andere so teuer, bis mit Strom heizen die weniger teure Variante ist. Und soziale Verträglichkeit zum Teufel. Auch eine Strategie, um die Akzeptanz von Wärmepumpen zu erhöhen.

Fr., 11.07.2025 - 20:48 Permalink