Gesellschaft | Zukunftsängste

Hoffnung ist gefragter denn je

Covid19, Krieg und Inflation: es sind viele Faktoren, die den Menschen Zukunftsängste verursachen.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: (C) Fabio Petrini Cgil/Agb

Codogno 20. Februar 2020: Patient Nummer 1 landet auf die Intensivstation. Fast zeitgleich stirbt in Vò in der Provinz Padua der erste Patient an COVID-19.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Binnen kürzester Zeit explodierten die Fallzahlen und auch die Anzahl der Opfer. Der erste Lockdown, dem noch weiter folgen werden, legte das wirtschaftliche und soziale Leben lahm. Besonders bei den älteren Mitbürgern verbreitete sich die Angst. Das blinde Vertrauen in die moderne Wissenschaft wurde erschüttert. Viele Menschen leiden heute noch unter psychischen Problemen. Zwar kann man heute mit der Impfung und besseren Medikamenten viele Menschen zumindest vor dem Schlimmsten bewahren, aber die Spaltung der Gesellschaft ist noch nicht überwunden. Sie ist nur aufgrund des Krieges in den Hintergrund getreten. 

Die Angst vor Krankheiten und dem Alleinsein hat sich im Unterbewusstsein älterer Menschen in diesen Monaten stark eingeprägt. Dies hat eine Umfrage unter den Senioren in der Lombardei ergeben.  Aber auch materielle Probleme belasten die Menschen. Mit der Ankurbelung der Wirtschaft kam es zu Engpässen in der Logistik und der Rohstoffproduktion. Eine steigende Inflation ist die Folge. Besonders die Energiepreise sind nach oben geklettert und treffen die Bürger seit Monaten mit voller Wucht. Strom und Gas sind stark angestiegen, was fast sämtliche Waren verteuert.

Auch gibt es Engpässe bei der Versorgung mit einigen Gütern. Dies steigert die Verunsicherung der Bürger und bewirkt bei vielen Menschen Zukunftsängste, die vielleicht nicht immer ganz gerechtfertigt sind.

Mit dem Krieg in Europa hat sich die Situation noch zugespitzt. Zwei derart einschneidende Ereignisse in zwei Jahren sind schwer zu verkraften. Rund um die Uhr gibt es Stellungsnahmen seitens der politisch Verantwortlichen und im Minutentakt immer neue Nachrichten, zum Teil voller Widersprüche. Jede Notiz wird kommentiert, manchmal sogar die falschen Nachrichten in den sozialen Medien. Überreaktionen seitens der Bevölkerung sind hier oftmals die Folge.

Leere Regale fördern haben Hamsterkäufe. Beunruhigende Nachrichten von Engpässen in der Versorgung helfen gewieften Firmen die Preise nach oben zu treiben. Die Treibstoffe sind ein gutes Beispiel hierfür. Aber auch Sonnenblumenöl, Heizöl, Nudel, Holz, ja sogar Klopapier werden gehortet. Die Nachfrage übersteigt das Angebot und die Bereitschaft, höhere Preise zu zahlen, ist die Folge.

Die pandemiebedingten Probleme hätten sich mit dem Abflauen der Pandemie entspannt. Der Krieg in der Ukraine war und ist der Zünder zu noch größeren Problemen, denn das politische Gleichgewicht der letzten drei Jahrzehnte ist aus den Fugen geraten. So greift zum ersten Mal in Europa eine Atommacht ein benachbartes Land an. Auch ist ein Krieg in einem Land mit Atomkraftwerken ein gefährliches Novum.

Es braucht gar keine Atombombe um eine Katastrophe heraufzubeschwören. Viele Mitbürger erinnern sich noch gut an Tschernobyl und die Folgen. Bereits die Angst von einer möglichen Reaktorexplosion bewirkt eine Panik unter den Menschen und der Sturm auf die Jodtabletten in den Apotheken, trotz Warnungen seitens der Ärzteschaft vor den Folgen einer Einnahme, ist der Beweis.

Auch halten einige Politologen das Risiko für einen Einsatz von Atomwaffen als realistisch, während andere dies zum Glück für sehr unwahrscheinlich halten. Kriege werden auch auf psychologischer Ebene ausgetragen. Bereits der bloße Verdacht, dass es zu einem Einsatz solcher Waffen kommen könnte, verschreckt die Menschen. Die Logik des kalten Krieges und der gegenseitigen Abschreckung ist zurück und wird ohne Zweifel die nächsten Jahre prägen.

Ein Waffenstillstand wird früher oder später kommen, ob es in der Ukraine aber Frieden geben wird, ist allerdings mehr als fraglich. Zu groß sind die Verwüstung und die Kluft, die sich aufgetan hat. Hier riskiert man einen länger andauernden Krisenherd und eine immer wieder neu aufflackernde Gewalt. Ein bereits durch die Pandemie stark unter Druck stehendes Wirtschaftsgefüge riskiert somit den globalen Einbruch und der angekündigte Hunger in der Welt könnte Flüchtlingsströme in Gang setzen.  Besonders bei den lohnabhängig Beschäftigten und den Rentnern ist der gewohnte Lebensstandard in Gefahr.

Was kann man dagegen tun? Als Gewerkschaft müssen wir vor Allem einen kühlen Kopf bewahren. Wir sind heute mehr denn je beauftragt, den Menschen eine glaubwürdige Perspektive zu liefern. Populismus oder übertriebener Pessimismus wären ein falscher Ansatz. Es gilt die Solidarität unter den Menschen, die in unserer Leistungsgesellschaft stark unter die Räder gekommen ist, neu zu beleben.

Um derart komplexen Problemen begegnen zu können, braucht es aber eine Reihe an konkreten Maßnahmen. Dies beginnt bei einer korrekten Information. Ebenso ist besonders in schwierigen Zeiten die aktive Beteiligung am gesellschaftlichen und politischen Leben mehr denn je notwendig. Sich abzuschotten, verstärkt nur die negativen Gedanken. Die Politik muss den Bürgern die Sicherheit vermitteln und sie anspornen, sich vermehrt um ihre Anliegen zu kümmern.

Ein bewusster Konsum und die Vermeidung unnützer Käufe, aber auch der Kampf gegen die Verschwendung nützen nicht nur der Brieftasche, sondern auch der Umwelt. Letztendlich kommt man auch nicht daran herum, Löhne und Renten den Preissteigerungen anzupassen. Dabei muss man behutsam vorgehen, um nicht eine negative Spirale in Gang zu setzen, in der die Einkommen der Inflation hinterherrennen. Für die einkommensschwachen Familien, hingegen, ist die Hilfe des Sozialstaates. Absolut notwendig. Wichtig ist es nicht zu resignieren.

Das Prinzip „Hoffnung“ ist heute gefragter denn je.

Alfred Ebner