salto.music | „Etschside“ Open Air

Es ist nicht das Ende der Livemusik

Letzten Samstag in Naturns: „Etschside“ mit insgesamt sechs Bands und eher schwachem Publikumszulauf. Wir haben die letzten drei Bands – Median aus Brixen, The Burning Flags aus Graz und Transmitter aus Hannover – erwischt und bereuen es nicht.
Transmitter / Etschside 2024
Foto: rhd / salto.music
  • Intro

    Samstag, kurz vor 20 Uhr. Ein eher langer Tag könnte abgeschlossen werden, das Checken des persönlichen Akkus gibt aber grünes Licht für die knapp einstündige Fahrt nach Naturns, zum diesjährigen „Etschside“ Open Air. Das „Etschside“ hat erst letztes Jahr sein 20jähriges Bestehen gefeiert, gehört zu den traditionsreichen Festivals des Landes und es ist schon eine Weile her, seit wir das letzte Mal da waren. Drei, vielleicht vier Bands sollten sich ausgehen.

    Als wir ankommen, beschließen Slowtorch aber gerade ihr Set. Das Publikum: überschaubar, die Stimmung aber angenehm entspannt.

  • Median mussten ihren Gig ohne den kurzfristig ausgefallenen Bassisten Michael Niederstätter spielen: Othmar Fundneider (Lead-Gitarre), Matthias Vitti (Stimme), Stefan Nössing (Schlagzeug) und Davide Puddu (Rhythmus-Gitarre, Cleane Stimme). Foto: rhd / salto.music
  • Median

    Die Brixner Median haben erst kürzlich ihr Album „Chapter Three“ veröffentlicht, auf dem sie ihre Variante des Metalcore vermehrt mit HopHop-Elementen angereichert haben. Ob das live so gut funktioniert wie auf dem Album, das war die Frage, die wir beantwortet haben wollten.

    Median hatten aber Pech gehabt, bzw. ihr Bassist, der sich an diesem Tag verletzt hatte, nichts Schlimmes, aber genug, um ihn für den Gig außer Gefecht zu setzen. Median mussten also zu viert auf die Bühne. Um den fehlenden Bass etwas auszugleichen, hatten sich auf die Schnelle mit einigen Midi-Tracks beholfen. Der Sound war zwar nicht optimal, d.h. nicht so fett und wuchtig wie er sein sollte, aber die Band machte das mit Spielfreude wett. Sie starten ihr Set mit „Voices“ und beenden es mit „Disappointment“, dem vielleicht besten Track des aktuellen Albums. Dazwischen u.a. „Gravity“ und ein Linkin Park-Cover, bei dem sie Flori, den Sänger von Lost Zone auf die Bühne holen.

    Die beiden Sänger Matthias Vitti und Davide Puddu sind sehr gut aufeinander eingespielt und boten mit ihren Stimmen nicht nur sehr viel Abwechslung, sondern insgesamt eine souveräne Show. Wie gut eine Band ist, sieht man ja u.a. auch daran, wie sie auf Unerwartetes reagiert.

  • Boten eine stimmliche Bandbreite, die von Rap-Vocals bis hin zu Pigscreams reichte: Matthias Vitti und Davide Puddu von Median sind sehr gut aufeinander eingespielt und wissen die Bühne zu genießen. Foto: rhd / salto.music
  • The Burning Flags

    Die Grazer The Burning Flags kannten wir nur von ihrer aktuellen Video-Single „Rest Of Our Lives”, einen Song, den sie natürlich auch im Gepäck hatten. Ihr Auftritt war kurzweilig und es war erstaunlich, wie es ihnen gelang, in ihren Songs Punk und Alternative in unterschiedlichen Dosierungen miteinander zu vermischen, oder besser, miteinander zu verbinden. Das funktionierte so gut, dass auch die für Punk ungewohnten Keyboard passten.

    Eine gute Live-Band mit guten Songs und einer kompakten Performance.

  • Verbinden Punk und Alternative in kompakten Songs mit Botschaft: The Burning Flags aus Graz passten ausgezeichnet zum diesjährigen „Etschside“ Open Air. Foto: rhd / salto.music
  • Kurzes Intermezzo

    The Burning Flags hatten an diesem Abend das meiste Publikum. An die zweihundert, vielleicht auch dreihundert Personen waren auf dem Gelände, einem ausgelichteten Wald, der der Gemeinde Naturns als allgemeiner Festplatz dient. Für die Veranstalter – das JuZe Naturns – ist es natürlich bitter, wenn, nach all dem persönlichen Aufwand und finanziellen Einsatz , die erwartete Publikumszahl nicht erreicht wird. Es war mehrfach zu hören, dass dieses Open Air mit dem kleinen „Lil Etschside“ ersetzt werden sollte, das bisher als kleiner Ableger im Laufe des Jahres parallel zum großen Open Air im Herbst und direkt vor dem Jugendzentrum stattfindet. Nachvollziehbar. Und das JuZe Naturns und die „Etschside“-Crew werden auch die richtige Entscheidung treffen, wie immer sie auch ausfällt.

    Es wäre jedenfalls schade um das „Etschside“. Die Atmosphäre an diesem Abend war angenehm und entspannt. Weder am Eingang noch an der Theke waren Frust oder Enttäuschung wahrzunehmen. Man begegnete durchwegs freundlichen Gesichtern. Und die Bands waren gut gewählt: Newcomer und lokale Bands die sich einen gewissen Namen erspielt haben auf der einen Seite, und auf der anderen Bands aus den Nachbarländern, die in einer Liga spielen, die noch Originalität zulässt und alles noch spannender machen. Eigentlich war alles perfekt.

    Warum BesucherInnen manches Mal ausbleiben, bleibt letztlich ein Rätsel. Es ist aber nicht aus den Augen zu verlieren, dass die Bands, die wir mitverfolgt haben, ohne wahrnehmbarer schlechten Laune oder Enttäuschung gespielt haben und um das Publikum gekämpft haben. Das war gerade beim Headliner Transmitter besonders beeindruckend.

  • Sänger Jeff Ogle vor den sehr coolen, atmosphärischen Visuals: Transmitter schenkten dem verbliebenen Publikum sogar zwei Zugaben. Foto: rhd / salto.music
  • Transmitter

    Zwischen Hannover und Naturns liegen etwa 900 Kilometer. Transmitter haben diese 900 Kilometer für den Gig beim „Etschside“ zurückgelegt. Transmitter sind eine Liveband – Stimme (Jeff Ogle), Schlagzeug (Stefan Bielesch) und (Live-)Electronics (Mo Heidrich) – und ihrer Bio ist zu entnehmen, dass sie viel auf dem Weg sind. Mag sein, dass diese intensive Liveerfahrung es mit sich bringt, dass die Band Situationen wie jene in Naturns bereits kennt und damit umzugehen weiß. Es kann auch sein, das die Band wahre Profis sind. Wie auch immer: Das Publikum war zu diesem Zeitpunkt sehr reduziert, aber Transmitter haben ab dem ersten Track geliefert!

    Ohne Überschwang führte Sänger Jeff Ogle das Publikum durch ein Set, das ein variantenreiches Spektrum an harter, live gespielter elektronischer Musik abdeckte: Mag auch Techno der rote Faden sein, dem Transmitter folgen, es kamen auch Dubstep, HipHop, Industrial-Andeutungen und gegen Ende sogar etwas Ambient zum Handkuss. Diese Musik, verbunden mit den parallel laufenden Visuals, war definitiv eine runde Sache.

    Ogle drückte während des Abends mehrfach seine Wertschätzung für das verbliebene Publikum aus und die Band kam am Ende noch für zwei Zugaben auf die Bühne. Das ist ungewöhnlich, beeindruckend und ergreifend, denn es zeigt genau das worum es geht: Es geht um die Musik und die Verbindung zwischen Band und Publikum. Das ist Livemusik und Transmitter wissen um den Wert dieser Verbindung.

    P.S.: Wir haben uns am Ende des Konzertes noch die CD „Smaschine“ für angenehme 10 Euro beim Stand geholt. Der Mercher, der der Band auch beim Aufbau zur Hand gegangen war, besitzt ein Motörhead-Tshirt. Quasi eine Bestätigung auf Umwegen, dass die Band weiß was sie tut und Musik macht, weil sie Musik machen will. 

  • Prägte mit seinen Tracks den Sound von Transmitter: Producer Mo Heidrich war gefühlt der eigentliche Motor der Band aus Hannover. Foto: rhd / salto.music