Kultur | Salto Afternoon

Neuland in Neustift

In einer Eisacktaler Klosterbibliothek hat die Band "Frei.Wild" das Video zu ihrem jüngsten Song gedreht. Wirre Worte, katastrophale Musik. Nichts Neues also. Oder doch?
Neustift
Foto: Youtube

Das neue Stück Die nur nach fremden Sünden fischen ist im Grunde ein typischer Frei.Wild-Song – ungeordnet aggressives Textzeugs im Schlagergewand. Von Kunst und Können keine Spur. Diesmal bemühen die Deutschrocker in ihrem Machwerk allerdings eine visuelle Metapher, die den Fans in einer recht simpel inszenierten Versinnbildlichung vermittelt, dass die Band womöglich doch über mehr Bildung verfügt als allgemein angenommen wird. Durch die Einbindung von Frei.Wild in das historische Bibliotheksambiente (Kloster Neustift) betritt die Band Neuland und verleiht sich selbst einen intellektuellen Touch. Warum? Seit wann geht es bei Frei.Wild um Wissensvermittlung?

Für die belesenen Frei.Wild-Fans schleudert die Band obendrein und immerwährend kraftstrotzende Schlagworte auf die Bücherwände des Klosters: „Reue, Zensur, Ehre, Tyrannei, Verachtung, Überwachung, Rufmord, Größenwahn, Hexenjagd, Hochmut, Verleumdung, Schmähung…“  steht da in abwechselnden Einblendungen zu lesen. Die Blender selbst hoppeln in der Mitte des historischen Saales herum, halten nicht nur Abstand untereinander, sondern auch von den Büchern. Sogar wenn der Sänger dem Buche fast zu nahe kommt, wenn er schüchtern entlang der Buchregale schlurft; merkt man, dass er sich sichtlich unwohl fühlt, inmitten der vielen Fremdkörper aus Papier. 

Als „Paradebeispiel der kreativen und intellektuellen Beschränktheit“ wurde die Brixner Combo jüngst vom RBB-Redakteur Hendrik Schröder im Artikel Bitte keine Corona-Songs mehr! bezeichnet. Er schreibt: „In der ersten Version haben sie das Virus noch genau wie andere Rechtspopulisten verharmlost, dann mussten sie sich korrigieren, jetzt holen sie die ganz großen Geschütze raus, als gelte es einen Krieg zu führen. Nur das Feindbild ist so ungewohnt unscharf. Tja. Die Frage ist: Kann das weg oder kann das weg? Kunst wird das kaum jemand nennen mögen.“ 

Im Unterschied zu früheren Gassenhauern aus dem Hause Frei.Wild, kann Die nur nach fremden Sünden fischen vielleicht als Selbstporträt der Band verstanden werden. Für die seit Jahren nur in schwarz/weiß argumentierende Gruppe, die sich farblich in der Grauzone am wohlsten fühlt, soll das Liedchen jedenfalls „zum Nachdenken anregen“. Vielleicht hätte Frei.Wild das selbst, in der ursprünglich angekündigten Schaffenspause 2020 machen sollen, bevor sie (nicht nur) diesen Song eingespielt haben, um ihn, in gewohntem Trump`schen Arschloch-Style, den sozialen Netzwerken zu schenken.