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"Auf d'Elia kann ich mich verlassen"

Daniel Auner über das neue Programm, das das Auner Quartett im Dezember in Bozen spielen wird, den künstlerischen Reiz Wiens und seine Geige d'Elia.
Auner Quartett
Foto: Nadja Alexandrowa

Am 3. Dezember ist das Auner Quartett zu Gast beim Bozner Konzertverein. Das Ensemble besteht aus den Geigern Daniel und Barbara Auner, dem Bratschisten Nikita Gerkusov und dem Cellisten Konstantin Zelenin. Wir haben Daniel Auner, erste Geige und Gründer des Quartetts, interviewt.

 

Salto.bz: Daniel Auner, Sie wurden in Wien geboren, wo Sie auch Ihr Studium begonnen haben und wo das Auner Quartett beheimatet ist. Die österreichische Hauptstadt war lange Zeit das Zentrum der europäischen klassischen Musik, von Haydn bis Webern. Hat das Spielen in Wien einen besonderen Reiz?

Daniel Auner: Es gab wohl mehrere Zentren der klassischen Musik in der damaligen Zeit, aber natürlich war und ist Wien ein Anziehungspunkt. Tradition ist prinzipiell etwas sehr schönes, allerdings kann man davon – gerade in Wien – auch leicht erdrückt werden. Gustav Mahler meinte einmal, dass mit Tradition nicht das Anbeten der Asche, sondern das Erhalten des Feuers gemeint ist. In diesem Sinne haben wir in Wien sicherlich eine sehr privilegierte Lebenssituation – diese Flamme wird als ein fester Teil unserer Kultur und unserer nationalen Identität gesehen. Um so mehr schmerzt die Wiener diese furchtbare Pandemie.

Seit 2017 spielen Sie auf "Elia", einer Violine von Giovanni Battista Guadagnini aus der Kollektion der Österreichischen Nationalbank. Können Sie uns etwas über die Geschichte Ihres Instruments erzählen?

Leider ist die Geschichte dieser Violine noch etwas Unbekanntes. Der Name „Elia“ beziehungsweise „d’Elia“ wurde mir von der früheren Besitzerin weitergegeben. Es ist eines der schönsten Instrumente, die Giovanni Battista Guadagnini in Mailand gebaut hat. Sie ist in perfektem Zustand und sieht aus wie ein neues Instrument. Mit solch einer Seele auf der Bühne zu stehen gibt eine unheimliche Spielfreude. Die Geige hat ständig einen anderen Charakter und einen etwas anderen Ton als am Tag vorher, manchmal auch als in der Generalprobe. Aber ich kann mich immer auf sie und ihren starken, aber süßen Ton verlassen.

 

Die Geige hat ständig einen anderen Charakter und einen etwas anderen Ton als am Tag vorher.

 

Wie entsteht ein neues Programm des Auner Quartetts?

In Zusammenarbeit mit Veranstalter, Agentur und den Musikern. Meist wird eine bestimmte Richtung vorgegeben, die Musiker überlegen sich dann zwei, drei Werkkombinationen und senden sie an die Agentur. Diese überprüft, welche Werke beim Veranstalter besser passen würden, welche wurden aber erst kürzlich gespielt etc. Wenn eine schöne Kombination gefunden wurde, wird sie dem Veranstalter präsentiert.

In Bozen werden Sie Haydns Quartett op. 33/3, Giya Kanchelis „Chiaroscuro“ und Antonin Dvoraks Quartett Nr. 12 in F-Dur op. 96 spielen. Was ist der rote Faden, der sich durch dieses Programm zieht?

Die Imitation, entweder in Form einer Abfolge kontrastierender Bilder oder Imitationen uns bekannter Klänge. Das „Vogelquartett“ von Joseph Haydn imitiert die Gesänge der Vögel sehr frisch und teilweise frivol. Kancheli arbeitet mit seinem Schattenspiel „Chiaroscuro“ an der Imitation verschiedener klanglicher Lichtbilder, von dunkel und unbewegt bis zu grellem Licht. Und in Dvoraks Amerikanischem Streichquartett haben wir im ersten Satz die Imitation des „Rotnacken-Tangara“, eines Vogels, der sich just am selben Baum niederließ wie der Komponist, als dieser in seinen Sommerferien in Iowa dieses Quartett niederschrieb. Danach die Sterbensszene von Häuptling Buffalo Bill im zweiten Satz, Volkstänze im dritten und eine richtige Westernmusik mit Pferdegalopp in vierten Satz. Wir wollten zeigen, was die Imitation uns für verschiedene Gefühle entlocken kann, unabhängig ob wir die Geschichten dahinter kennen, oder nicht.

 

Er hat dieses Werk für verschiedene Besetzungen geschrieben, und es wirkt in jedem Saal auf das Publikum anders.

 

„Chiaroscuro“ ist ein Quartett aus dem Jahr 2011, das der 2019 verstorbene georgische Komponist geschrieben hat. Was fasziniert Sie an dieser Musik?

Faszinierend ist sowohl das Werk selbst, als auch der Komponist mit seiner aufregenden Lebensgeschichte. Er hat dieses Werk für verschiedene Besetzungen geschrieben, und es wirkt in jedem Saal auf das Publikum anders. Die Klänge sind schön, harmonisch – und doch manchmal wirklich überraschend. Das Werk hat eine Aussage, die sehr klar verständlich ist.

Stimmen Sie mit Dostojewski überein, dass "die Schönheit die Welt retten wird"?

Ich glaube, dass sich die Welt selbst retten muss und dass sie dafür alles Notwendige bereitstellen kann. Meine Tante besitzt in der Wiener Innenstadt eine Apotheke direkt gegenüber dem Zuckerbäcker Demel vor dem Eingang in die Hofburg. In ihrem Dachboden gab es im 18. Jahrhundert eine Künstler WG, viele Musiker, Schriftsteller und Schauspieler lebten dort auf engstem Raum in jeweils einem Zimmer direkt gegenüber ihres Arbeitsplatzes. Es war kalt, es gab kein Wasser, kein Licht, keine sanitären Einrichtungen. Das Haus ist aus dem 14. Jahrhundert und unter Denkmalschutz, die Kammern oben sind unverändert geblieben. Es scheint auf den ersten Blick unverständlich, dass Künstler wie W.A. Mozart, J. Haydn oder auch der Textdichter P. Metastasio, in diesen dunklen Zellen solch geniale Musik geschrieben haben, aber das taten sie. Viele mir bekannte Künstler, Maler, Schriftsteller, Komponisten etc. nützten diese dunklen letzten Monate um Großartiges zu erschaffen, daran sicherlich wird sich die Menschheit in den nächsten vielleicht Jahrhunderten noch erfreuen dürfen. Auch wir haben drei CDs produziert die wir nun veröffentlichen durften.