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Europas Welthandel

Freihandelsabkommen sind ein Mittel gegen aufkeimenden Protektionismus. Kritik bleibt aber nicht aus.
Mercosur
Foto: European Commission

Seit 1999 verhandelt die Europäische Union mit den MERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über das Zustandekommen eines Freihandelsabkommens. Im Sommer dieses Jahres wurde eine prinzipielle Einigung erzielt. Frühestens 2020 soll der geprüfte und übersetzte Gesetzestext dem Ministerrat und dem europäischen Parlament zur Ratifizierung vorgelegt werden. Doch wie es aussieht, tanzen nicht alle Mitgliedsländer nach der Pfeife der Chefverhandler. Dabei ist es längst nicht das erste EU-Freihandelsabkommen.

 

Kampf den Zollschranken  

 

Der Weg scheint frei für die größte Freihandelszone der Welt zwischen der EU und dem „Gemeinsamen Markt des Südens.“ Bereits jetzt ist die EU einer der wesentlichen Handelspartner für die südamerikanische Wirtschaftsunion. Ein zukünftiges Abkommen würde derzeit 32 Staaten, nahezu 800 Millionen Konsumenten und ein gemeinsames BIP von 18 Billionen Euro umfassen. Zollschranken von bis zu mehr als 40 Prozent sollen abgeschafft werden. Laut EU-Kommission wird es für Mercosur-Staaten einfacher, Waren nach Europa zu exportieren, vorausgesetzt, diese halten die hier geltenden Standards ein. Produkte und Erzeugnisse aus Europa hingegen werden in den Staaten des Mercosur preiswerter zu haben sein und außerdem einen besseren Markenschutz genießen. Insbesondere die europäische Autoindustrie erhofft sich durch das Abkommen zunehmende Exporte nach Südamerika. Weiters wird es europäischen Unternehmen auch möglich sein, an öffentlichen Ausschreibungen im Mercosur teilzunehmen.

 

Ökologische Bedenken

 

Neben ökonomischen Versprechungen hat das Abkommen auch einen öko-politischen Hintergrund. Beteiligte Staaten sollen sich zu den Bestimmungen des Pariser Klimaabkommens verpflichten; europäische Lebensmittelstandards sollen auch bei Produkten südamerikanischer Herkunft Anwendung finden. Durch ein Freihandelsabkommen hätten Staaten die Möglichkeit, Druck auf alle Vertragspartner auszuüben, so die Meinung der EU-Kommission.

Aktivisten und Umweltschützer schlagen jedoch Alarm und lehnen das Abkommen entschieden ab. Auch der einflussreiche europäische Agrarsektor macht gegen die Lockerung der Handelsbestimmungen mobil. Durch das Ermöglichen der nahezu zollfreien Einfuhr bestimmter Mengen an Fleisch, Zucker und Ethanol befürchte man einen steigenden Flächenverbrauch und die Zurückdrängung wertvoller Lebensräume und Ökosysteme. In erster Linie problematisch sind Rodungen des Amazonas-Regenwaldes zugunsten einer zunehmend wachsenden Viehwirtschaft. Dabei von Bedeutung sind vor allem Anbauflächen von Soja für die Futtermittelherstellung. Ein weiteres Problem ist der ungenierte Einsatz gentechnisch-veränderter Pflanzen, sowie von - hier zum Teil verbotenen - Pflanzenschutzmitteln, von deren Verkauf wiederum europäische Konzerne wie Bayer profitieren könnten.

Wesentlich bei der Thematik um die Ratifizierung des Abkommens ist aber ebenso der Präsident der größten Wirtschaftsnation des Mercosur: Jair Bolsonaro. Er schreibt Umweltschutz klein, sieht viel mehr wirtschaftliche Interessen vorrangig. Sein nachlässiger Kurs gegen illegale Brandrodungen und den Flächenraub im Amazonas kommt bei der internationalen Staatengemeinschaft nicht gut an. Allen voran bei Emmanuel Macron. Es verwundert also nicht, dass unter anderem Frankreich derzeit gegen das Mercosur-Abkommen stimmen würde. Daneben regt sich auch in Irland und Österreich großer Widerstand. Der österreichische Nationalrat hatte erst kürzlich im EU-Unterausschuss ein Veto eingelegt. Dabei müssen die bald final ausgearbeiteten juristischen Vertragspassagen von allen Mitgliedsstaaten der EU grünes Licht erhalten, um wirksam zu werden.

 

Suche nach weiteren Handelspartnern

 

Auf ein volles Inkrafttreten wartet man indes auch beim CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada, das wegen ähnlicher Bedenken bezüglich Umwelt- und Produktstandards auf ähnlichen Widerstand in Politik und Zivilbevölkerung stieß. Der europäische Rat sowie das europäische Parlament haben das Abkommen durchgewunken, die Zustimmung vieler nationaler Parlamente steht jedoch noch aus.

 

Ebenfalls auf Eis liegt derzeit ein Freihandelsabkommen mit Kanadas Nachbarn, den Vereinigten Staaten. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) erregte eine große mediale Aufmerksamkeit und wurde insbesondere für ihre intransparenten Verhandlungsprozesse kritisiert. Auch hier geht es im Kern um den Abbau von Handelszöllen. Wie bei den Abkommen mit dem Mercosur oder Kanada stellen sich auch hier Fragen der Umweltverträglichkeit und des Verbraucherschutzes.

Ein Abkommen mit Japan ist hingegen seit 1. Jänner 2019 in Kraft, wenn auch nicht ganz vollständig. Das Economic Partnership Agreement – oft auch JEFTA – war sogar das Erste seiner Art, das sich zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens bekannte. Globalisierungskritiker bemängeln auch bei der Aushandlung hierzu fehlende Transparenz.

 

Die EU unterhält zurzeit zahlreiche Handelsabkommen mit Ländern wie Vietnam, Südafrika oder Ukraine;  indes verhandelt man aber beispielsweise mit Australien und Neuseeland derer mehr. Die Kritik und Sorgen im Zusammenhang mit der aktuellen Freihandelspolitik sind berechtigt. Dennoch sieht sich die Europäische Union zusehends gezwungen, auf die zunehmende Abschottungspolitik von Seiten der USA zu antworten und ein Zeichen zu setzen gegen die momentane Tendenz hin zu mehr Protektionismus.