Gesellschaft | Diskriminierung

“Unabhängigkeit in Gefahr”

Vereine, die sich jahrelang für die Antidiskriminierungsstelle eingesetzt haben, distanzieren sich nun von dem Vorhaben. Die Rede ist von einer “Täuschung und Farce”.
Antidiskriminierungsstelle
Foto: oew

Was lange währt, wird endlich gut? Für die Schaffung der Antidiskriminierungsstelle in Südtirol scheint das Sprichwort nicht zu gelten. Das sehen zumindest diejenigen so, die sich jahrzehntelang dafür eingesetzt haben.

Im Jahr 2011 beschloss der Landtag das Gesetz Nr. 12 “Integration ausländischer Bürgerinnen und Bürger”. Art.5 sieht die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle im Landtag vor. Der Dienst ist an alle Bürger gerichtet und hat den Auftrag, “den Opfern von Diskriminierungen aus Gründen der Rassenzugehörigkeit, der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung, einer Behinderung, der Sprache, der Religion, der Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit” beizustehen.

Doch dann folgte jahrelanger Stillstand. “Erst im Dezember 2019 sagte Landtagspräsident Sepp Noggler die Einrichtung einer unabhängigen Antidiskriminierungsstelle zu, die allein aus organisatorischen Gründen der Volksanwaltschaft zugeordnet werden sollte”, ruft das Netzwerk Südtiroler Vereine in Erinnerung. Die darin organisierten Vereine – 17 an der Zahl – hatten sich stark dafür eingesetzt, damit der Stelle “eine größtmögliche Unabhängigkeit von anderen Anwaltschaften” eingeräumt werde. Außerdem sollte die Besetzung der Stelle “mithilfe einer öffentlichen und transparenten Ausschreibung”  erfolgen – “um das Vertrauen der von Diskriminierung betroffenen Menschen zu gewinnen”.

 

“Täuschung und Farce”

 

Von den Forderungen und Zusagen ist nicht viel übrig geblieben. Im Landesgesetzentwurf “Bestimmungen über die beim Landtag angesiedelten Ombudsstellen”, der am morgigen Donnerstag im zuständigen Gesetzgebungsausschuss behandelt wird, wird auch die Antidiskriminierungsstelle neu definiert. Unter anderem soll sie sich nur mehr um Fälle kümmern, die weder in die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft, der Gleichstellungsrätin, des Landesbeirats für Chancengleichheit oder das Kommunikationswesen oder des Monitoringsausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen fallen. Um Anliegen von Minderjährigen oder Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts – in den allermeisten Fällen Frauen – gleich gar nicht mehr. Außerdem soll der bzw. die Verantwortliche aus den Reihen der Mitarbeiter der Volksanwaltschaft kommen, anstatt über eine Ausschreibung ermittelt zu werden.

 

“Was sich zunächst sinnvoll anhörte, stelle sich später als Täuschungsmanöver heraus. Die Stelle soll jetzt in ihrem Auftrag gravierend geschwächt werden und ihre Unabhängigkeit verlieren. Und weil sich bis heute die meisten Diskriminierungen in Italien in Hinblick auf das Geschlecht der betroffenen Person ereignen, droht die Antidiskriminierungsstelle eine Farce zu werden!”, kritisiert Matthäus Kircher. Der Geschäftsführer der OEW hat am Mittwoch Vormittag gemeinsam mit Andreas Unterkircher (Arcigay Centaurus), Chiara Bongiorno (Associazione per gli studi giuridici sull'Immigrazione) und Elisa Pavone (Rete dei diritti dei senza voce) entschieden von der Neufassung des Landesgesetzes distanziert.

Die Vereine seien weiterhin bereit, zu einer Überarbeitung des Landesgesetzes beizutragen, heißt es am Mittwoch. “Alles hängt vom Willen des Gesetzgebers ab und davon, wie viel ihm daran gelegen ist, ernstzunehmende Antidiskriminierungsarbeit in Südtirol bereit zu stellen.”